Keine Chance für hochintelligenten Asperger-Autisten?

  • Liebe Community


    Ich schreibe hier aus folgendem Grund:
    Mein Bruder (22) hat Asperger-Autismus und ist begeisterter Informatiker (am liebsten würde er in die Richtung Applikationsentwicklung gehen, hat auch schon eine entsprechende Ausbildung angefangen, diese aber abgebrochen, nachdem er schon aus der Kantonsschule/Gymnasium ausgestiegen war). Auch in seiner Freizeit beschäftigt er sich stark mit Computern und der Kunst des Programmierens.
    Zwischenzeitlich stand zur Diskussion, dass er nach Bern könnte, in eine Stiftung, speziell für Autismus-Betroffene. Dies ist aber sehr teuer, die Familie kann das nicht alleine bezahlen und so wurde die IV eingeschaltet.
    Nun wurde er durch einen Schreibtischentscheid der IV für 100% "nicht kurierbar" (oder wie man das auch nennt), eingestuft, von einem "Sesselfurzer", der noch nie persönlich ein Wort mit meinem Bruder gesprochen hatte. Wir, seine Familie, wissen es besser: In ihm steckt gewaltiges Potential, was er braucht ist ein geregelter Alltag und einen Sinn, um seine Ideen ausleben zu können. Durch besagten Entscheid der IV und eine mickrige IV-Rente, die für ihn ein Leben unter dem Existenzminimum vorsieht, ist er aber jeder Motivation beraubt, für eine Ausbildung, eine geregelte Zukunft, ja sogar sein Leben einzustehen und zu kämpfen. Er fühlt sich als Belastung für sein Umfeld und ihm fehlt die Hoffnung, jemals etwas erreichen zu können und selbständig zu sein.
    Ich möchte ihm diese Hoffnung zurückgeben, ihm aufzeigen, dass es noch Optionen gibt und dass er seinen Teil beitragen und sein Potenzial ausleben kann.
    Unsere Mutter hat mich darauf angesprochen, dass das Internet doch so viel Reichweite biete und man hier vielleicht eine Lösung finden könnte. Deshalb wende ich mich in diesem Forum an Alle, die irgendeine Idee hätten, wie man meinem Bruder zu einem autismusfreundlichen, geregelten Alltag und ggf. sogar zu einer ihm entsprechenden Arbeit verhelfen könnte. Zuerst benötigt er aber ein "Aufbautraining", das erstmal einen (halbwegs) strukturierten Alltag bietet, ihn fordert und fördert zugleich.


    Ich bedanke mich im Voraus für jegliche Tipps in diesem Zusammenhang, wie man meinem Bruder helfen und ihm seinen Lebenswillen zurückgeben könnte.


    Grüsse


    Luca S.

  • Hallo


    Ich würde mich an die Medien wenden. Die Öffentlichkeit muss über den Fall orientiert werden. Mit einem gewissen Druck kann man viel bewirken. Es kann nicht sein, dass uns elementare Rechte, wie ein menschenwürdiges Leben vorenthalten werden, nur weil man sparen will. Auf Kosten von Menschen, die sich nicht wehren können, darf so etwas nicht geschehen.


    Was soll das bedeuten "nicht kurierbar"? Autismus ist nicht heilbar, das sollten gewisse Stellen im Staatsapparat mittlerweile begriffen haben. Nein, ich würde sofort mit grossem Geschütz auffahren und wie schon erwähnt, die Öffentlichkeit mobilisieren. Es sollte jeden, der sein herz auf dem rechten Fleck hat, mehr als bedenklich stimmen, dass man sozusagen keine andere Wahl hat, als zu solchen Mitteln zu greifen, aber wenn es nicht anders geht, dann muss es halt sein.


    Ich kann nicht nachvollziehen, wie sich der Staat ein Leben für einen jungen Menschen vorstellt, der mit einer MIndestrente über die Runden kommen soll. Es ist so wie ich das sehe, einfacher, jemanden zu zerstören, als ihm die Hand zu bieten. Mit zerstören meine ich, dass es nicht erstaunlich ist, zu beobachten, wie viele solcher einst hoffnungsvoller Menschen früher oder später gesundheitliche irreparable Schäden davon tragen, die dann ihrerseits immense Kosten nach sich ziehen, die wiederum ohne mit der Wimper zu zucken von den Krankenkassen bezahlt werden.


    Da läuft doch etwas völlig in die falsche Richtung in unserem Land.

  • Als Schüler war ich auch sehr gut und hatte eine schnelle Auffassungsgabe.
    All meine IQ-Test, die ich machte waren klar überdurchschnittlich, trotzdem war ich im gewerblichen Erwebsleben eher ein Versager.
    Arbeitskollegen die kleinweltlich denken und ein einfaches Gemüt haben kommen da viel weiter, bloss weil sie halt 08/15 sind.
    Mein Fazit diesbezüglich ist klar, man muss nicht zwingend intelligent sein, nicht viel wissen, nicht hoch gebildet und auch nicht besonders fleissig, sind schlicht und ergreifend durchschnittlich sein. Ja nicht auffallen heisst dafür einzige Desive, eigentlich Nacht dem Prinzip, nichts sagen, das aber gut.
    Die Gesellschaft schwimmt auf einem spiegelglatten Ozean der Oberflächlichkeit, da fallen eben schroffe Eisberge schon auf.

  • Die idee von regenbogen hat was...denn, in erster linie ist dieser iv entscheid menschlich sehr verwerflich...aber, und dies betrifft auch alle steuerzahlenden der schweiz...der entscheid FÜR eine iv rente und GEGEN eine berufliche integrationsmassnahme kann nicht in unserem sinne sein!!! Insbesondere wenn nicht mal ein versuch möglich ist...wenn es dann scheitert, nun ja, vielleicht...aber eigentlich geht das so gar nicht bei einem jungen motivierten menschen!!! Kennt ihr das video vom pinguin von eckhart von hirschhausen??? Guckts euch mal an auf youtube, finde es sehr treffend...leider ist auch mit öffentlich machen noch kein arbeitsplatz da...aber wer weiss könnte sich sogar etwas daraus ergeben?

  • Hoi Luca


    Wenn der Entscheid der IV nicht schon länger bei euch eingetroffen ist, sofort Procap einschalten, ihr müsst zwingend innert 30 Tagen reagieren und Einsprache machen. Mann muss die Entscheide der IV nicht immer sofort schlucken. Gibt meist etwas Schreibarbeit aber lohnt sich alleweil, wenn es dann klappt.


    Liebe Grüsse und viel Erfolg
    Jris

  • Hallo Luca


    Der Betroffene selbst als auch der (behandelnde) Psychiater/Kinderarzt etc. (der den Ärztlichen Bericht an die IV verfasst hat) und natürlich jeder Rechtsvertreter kann das gesamte IV-Dossier anfordern. Darin (man muss danach suchen) ist auch die Beurteilung/Begründung des RAD (Regional-Ärztlicher Dienst= die von der SVA intern beschäftigten Ärzte) enthalten, auf dem der Vorentscheid und auch der die definitive Verfügung basieren. Man sollte das IV-Dossier mindestens so schnell wie den Rechtsvertreter organisieren, da der Rechtsanwalt einen begründeten(!) Einspruch machen (oder nachreichen) soll. Erfahrungsgemäss kann es eben auch schon einige Wochen dauern, bis das Dossier in cm dickem Papierstoss oder als CD eintrifft. Der Schreibtischentscheid (vom Sachbearbeiter erstellt und vom RAD abgesegnet) basiert auf den bisherigen Arztberchten. Diese entsprechen nicht immer den heute gültigen Beurteilungsanforderungen und wären durch entsprechende medizinische Stellungnahmen, soweit beschaffbar, zu ergänzen. Oftmals fehlen zB die Beurteilung des Funktionsniveaus gemäss ICF (International Classification of Functioning) oder besser Mini-ICF, die erst eine Beurteilung des Reintegrationspotentials zulassen. M.E. gehört in einen Arztbericht auch die Prognose, wie und wodurch das Erreichen eines Funktionsniveaus, welches der Reintegration förderlich ist, zu erreichen wäre. D.h, auch wenn derzeit die Reintegration abgelehnt würde, wäre zB zu einem späteren Zeitpunkt, wenn zB. die Wegefähigkeit als limitierender Faktor zum Erreichen des Ausbildungsortes erforderlich und zu trainieren wäre, spätestens dann nachzuhaken bzw eine erneute Anmeldung zu erwägen (will heissen, dass der "Zug noch nicht definitiv abgefahren ist"). Diese letzte Info nur als Trost, falls die Fristen schon abgelaufen wären. In der Regel ist die SVA eigentlich über jeden, der sich selbst reintegrieren möchte. "froh".


    Drücke Dir/Euch die Daumen- und es ist sehr schön, dass Du Dich für Deinen Bruder einsetzt!
    Cassiopeia

  • Danke an alle für die vielen Ratschläge! Leider ist schon eine Zeit um seit dem Entscheid, zudem kam das Thema "Einspruch" schon zur Sprache, mein Bruder hat allerdings abgelehnt und meine Eltern wollten keinesfalls etwas dergleichen "hinter seinem Rücken" unternehmen, da es schliesslich hauptsächlich sein Leben ist und er darüber zu entscheiden hat. Die Vorschläge werden definitiv durchgegangen und besprochen, nochmals herzlichen Dank!


    Beste Grüsse


    Luca

  • Vielleicht könnte er sich mit seinen Fähigkeiten auch ehrenamtlich engagieren? Natürlich wäre das finanziell keine Verbesserung jedoch für ihn als Mensch ein gutes Gefühl zu merken, dass er gebraucht wird?!

  • Ich weiss das deine Frage schon ein paar Monate her ist.
    Ich möchte aber trotzdem noch mal reagieren.
    Ich bin selber Informatikerin und habe im Frühling einen Vortrag zum Thema Autismus/Arbeit gehalten an eine Softwarekonferenz:


    Falls ihr oder er noch mehr Infos über die Arbeit als Softwareentwickler haben möchtet, oder was es braucht eventuell auch im Selbststudium, mit eigene Projekte da hin zu kommen könnt ihr euch gern melden.

  • Seid doch froh, dass er wenigstens eine Rente bekommt, die mit Ergaenzungsleistungen sicher ueber dem Sozialhilfeniveau liegt, also durchaus ueber dem Existenzminimum. Es scheint ja auch nicht so, als ob dein Bruder ungluecklich waere, schliesslich hat er sowohl die Kanti als auch die Lehre selbst abgebrochen und scheint sich aus Eigeninitiative weiter mit Computern/Programmieren zu beschaeftigen. Er kann sich ja in diesem Bereich selbstaendig machen. Vielleicht hat er eine gute Idee fuer eine App und gruendet eine Firma. Die Rente/EL gibt ihm das noetige Polster, um ein solches Risiko ueberhaupt eingehen zu koennen. In meinem Fall wurde nach vierjaehriger IV-Pruefung eine 30%-Restarbeitsfaehigkeit festgestellt (ich bin seit 15 Jahren aus dem Arbeitsmarkt), aber eine Rente abgelehnt, da die Gesundheitsschaedigung nicht IV-relevant sei. Ein Aufbautraining wurde zwischendurch mal bewilligt, aber keine Taggelder dafuer, da ich zuletzt (vor 10 Jahren) studiert hatte. Ich haette das also selber zahlen sollen. Da ich eine kleine Erbschaft gemacht habe, bekomme ich inzwischen nicht einmal mehr Sozialhilfe, sondern muss das Erbe aufzehren. Was IV-Entscheide betrifft, scheint dein Bruder den Gluecksfall getroffen zu haben. Hast du eine Ahnung, wieviele Leute vergeblich auf eine IV-Rente hoffen?