Noch nicht reif für Lehrstelle

  • Hallo zämä
    Meine Tochter besucht zur Zeit die dreimonatige Berufsabklärung bei Autismuslink. Nun habe ich vorher gerade erahren, dass sie wahrscheinlich auf nächsten Sommer noch nicht reif für eine Lehrstelle sei. Sie brauche noch zu viel Betreuung. Sobald etwas sie weniger interessiert, lässt sie sich ablenken. Das heisst, wir werden für eine längere Zeit eine Zwischenlösung suchen müssen, da wir ja nicht wissen, wann sie dann reif genug ist. Vor der Abklärung war sie für zwei Jahre in einer speziellen Kleinklasse mit nur 10 Kindern, so dass ich nicht weiss, ob ich sie wieder in eine grosse Klasse schicken möchte.
    Habt ihr irgendwelche Ideen, die ihr die Zeit geben, reifer zu werden.
    LG

  • Hallo
    In welche Richtung möchte denn deine Tochter in Zukunft gehen? Wo lässt sie sich leicht ablenken? In der Schule oder bei praktischen Arbeiten?
    Je nachdem würde sich z.B. ein Praktikum anbieten. Gibt verschiedene Firmen, die auch Praktikas anbieten für Jugendliche, die etwas mehr Begleitung brauchen. Was mir spontan einfällt, wären Kinderkrippen, Gärtnereien, Reitstall, Grossküchen. Gibt sicher noch andere. Allenfalls kann man es noch mit Kursen (Sprachdiplome, Informatik, etwas kreatives usw.) ergänzen?
    Liebe Grüsse

  • Hallo


    Ich würde die Beurteilung gerne ausführlich begründet haben. Es kann nicht sein, dass du dir das gefallen lassen musst. Aufgrund welcher Kriterien soll deine Tochter denn nicht "reif" für eine Lehre sein? Vor allem: was heisst nicht "reif"? Wer entscheidet denn, ob jemand reif ist? Ich finde dies äusserst bedenklich und nicht förderlich für die Psyche deiner Tochter. Wie sähe es denn aus, wenn ihr eine Lehre ohne die Meinung von autismuslink sucht? Wie steht denn deine Tochter dazu? Was empfindet sie? Es geht doch letztendlich um ihre Wünsche. Nur sie kann wissen, was sie will und ob sie sich zu einer Lehre in der Lage fühlt. Niemand anderes kann das besser als sie alleine.


    Die Diagnose Autismus muss nicht bedeuten, dass ein Mensch für alle Zeit gebrandmarkt ist. Es gibt bestimmt auch Lehrstellen, die mit etwas Aufklärung durchaus einem jungen Menschen eine Zukunft geben können. Jeder soll und muss eine Chance bekommen, sich zu behaupten!


    Ich habe auch eine Tochter, bei der "man" vor Jahren der Meinung gewesen ist, dass sie autistisch sein "könnte". Meine Tochter hat die Abklärung nicht zu Ende machen lassen, und lebt ohne dieses Stigma ganz gut. Fakt ist, dass meine Tochter heute studiert und in einem Jahr ihren Abschluss machen wird - ohne autismuslink und co. Wenn ich den Abklärern Glauben geschenkt hätte, dann sässe meine Tochter heute vielleicht an irgendeinem Fliessband und würde bis ans Ende ihres Berufsleben nicht mehr davon weg kommen. Was ich damit sagen will ist, dass es immer eine Perspektive gibt.


    Der gesunde Menschenverstand - unabhängig von irgendwelchen Beeinflussungen - zählt, und nur der. Du darfst dich auf gar keinen Fall mit dem Urteil so ohne weiteres zufrieden geben. Ansonsten würde ich mir Hilfe von Pro Infirmis oä. holen.


    Es ist ein Kampf, schon klar, aber gemeinsam werden du und deine Tochter es schaffen! Ich wünsche euch ganz viel Kraft und vor allem: gebt nicht auf!

  • Hallo zämä


    Vielen Dank für Eure ermutigenden Worte. Die Abklärung ist ja erst in zwei Monaten zu Ende, ich hatte nur gestern gerade einen Schock, als sie mir nach einem Monat mitteilten, dass es momentan noch nicht reichen würde. Der Entscheid mit der IV/Autismuslink fällt erst 2 Wochen vor Ende der Berufsabklärung. Ich werde da sicher noch näher nachfragen.


    Meine Tochter schreibt sehr gerne und wenn es eine Lehrstelle als Journalistin gäbe, wäre das sicher das Richtige. Selber kann sie stundenlang am Computer sitzen und ihre Texte schreiben, die sie dann auf Wattpad veröffentlicht - ohne jede Hilfe. In ihrer Berufsabklärung ist sie aber noch sehr unsicher, weil sie halt lange braucht, bis sie sich wohl fühlt.Deshalb fragt sie wahrscheinlich viel zu oft, wie man etwas macht, auch wenn sie es selber herausfinden könnte. Sie sagt selber auch, dass sie sich oft nicht so konzentrieren kann. Bei der Rückmeldung hiess es, dass sie ohne intensivere Begleitung in den Projektaufgaben nicht so viel erreicht.


    Sie selber möchte zudem besser Französisch lernen, ich getraue mich aber nicht, sie einfach mit den Didacschulen ins Welschland zu schicken. Praktisch (mit den Händen) ist sie leider nicht so begabt. Beruflich kommen daher eher KV oder Mediamatiker in Frage.


    Wisst ihr, ob man für solche Praktika auch die Bewilligung der IV braucht.


    LG

  • Hallo wapiti
    Ich kann dir nicht sagen, ob die IV da einverstanden sein muss, aber wahrscheinlich schon. Bei Erwachsenen, die eine Rente beziehen, muss das meines Wissens abgesprochen sein.


    Für mich stellt sich halt die Frage, ob sie sich wünscht, weiterhin IV zu beziehen oder ob sie sich ein selbständiges/selbstbestimmtes Leben wünscht und in wie weit das möglich ist.
    Wenn der Wunsch da ist und es machbar erscheint (vorerst halt auch finanziell von eurer Seite) kann man ja auch auf eigene Faust etwas machen, wie Regenbogen geschrieben hat.


    Praktikum bietet sich natürlich in die gewünschte Berufsrichtung an, aber auch etwas in einem ganz anderen Bereich kann hilfreich sein. Ich habe mit 19 die Fachmittelschule abgeschlossen. Da hatte ich keine Ahnung, was ich lernen wollte. (Ich hatte keine Diagnose, Abklärung, Unterstützung oder so.) Weil ich Geld verdienen wollte, habe ich als Kindermädchen gearbeitet. Da habe ich positive Rückmeldungen bekommen, die Arbeit machte Spass und ich gewann Selbstbewusstsein. Und ich musste halt zum ersten Mal arbeiten und nicht nur lernen. Das war schon eine ziemliche Umstellung und es brauchte seine Zeit, bis ich sicherer wurde. Aber ich habe dann in einer ganz anderen Richtung einen Beruf gelernt. (Habe Betriebsökonomie studiert.) Das nur als Beispiel.


    LG

  • Liebe Wapiti


    über die Abklärung:
    Ich denke es ist nach einen Monat noch zu früh irgendwas zu sagen. Ich würde selber auch Zeit brauchen mich an zu gewöhnen. Vielleicht kann es ihr aber auch helfen dabei die Aufgaben und ev Teilaufgaben die sie bis jetzt gemacht hat zu kategorisieren. Welche sachen sind ähnlich. Manchmal sieht man den Link zwischen den verschiedenen sachen ja erst im Nachhinein. Wenn man die sachen einmal kategorisiert hat kann man aber neue Aufgaben auch besser einordnen. Es ist auch so das man sich die schritte beim arbeiten aufschreiben darf, das sollte sie auch wissen, sonst denkt sie vielleicht sie muss aus dem kopf alles wissen. Aber ich bin selber auch weniger schnell abgelenkt wenn ich eine liste mit schritte neben mir habe. Abgesehen davon sollst du ihr auch sagen dass es ok ist dass sie noch unsicher ist. Und das es nicht sein muss dass sie sich nach einen Monat schon ganz eingelebt hat. Wenn das erst nächste Monat passiert längt das ja noch längstens. Es geht ja schlussendlich um stand am ende der abklärung.


    über dem Austausch:
    Das du sie nicht einfach mit Didac ins Welsche schicken möchtest verstehe ich, heisst aber noch nicht das sie kein austausch machen kann. Ich war selber einen Jahr im Austausch (in der Türkei, vor Diagnose) und habe aus diese Erfahrung viel gelernt (obwohl ich gar keine begleitung hatte und fast mit psychische probleme heim müsste). Und würde es jederzeit wieder machen, obwohl diesmal wäre ich besser vorbereitet. Ich glaube sehr das ein Austausch sinnvoll sein kann und das auch Autisten recht darauf haben, falls sie es dann wollen. Es gibt ja auch noch andere modelle von Sprachaufenthalt/Sprache lernen, aber wenn sie wirklich einen Austausch möchte, würde ich folgendes sagen:
    Für eine gute Begleitung sollte in meine Augen sowohl die Organisation als auch die Gastfamilie über dem Autismus Bescheid wissen. Ich weiss nicht ob die organisationen dazu bereit sind ehrlich gesagt. Du kannst natürlich auch selber eine Gastfamilie suchen. Da würde ich mich bei https://www.autisme.ch/ oder die regionalen Verbänden informieren ob es unter ihre mitglieder eine familie gibt die jemanden hosten möchte. Einmal die Gastfamilie gefunden könnt ihr das ganze dann immer noch über Didac abwickeln oder auch privat.


    LG

  • Hallo Wapiti


    Kurz zum Thema Sprachaufenthalt: es kommt sicher drauf an, wie eingeschränkt deine Tochter ist und wo genau sie Schwierigkeiten hat. Wenn sie das immer noch machen möchte, würde ich mal das Gespräch mit der Didac-Schule suchen. Da das eine Privat-Schule ist, werden die sicher daran interessiert sein, eine Lösung zu suchen, die wollen nämlich gerne dein Geld haben.


    Ich war vor 15 Jahren mit Didac ein Jahr in England. Es war ein harter Anfang, da alles neu war, Familie weit weg usw. Aber es war super um die Sprache zu lernen und es hätte wohl keinen besseren Weg für mich gegeben, selbständig(er) zu werden.
    Die Zuteilung zur Gastfamilie erfolgte via Fragebogen, da hatte ich zB angegeben, dass ich nicht zu einer Familie mit Kindern wollte und lieber am Stadtrand mit etwas Natur. Das hat gut geklappt und ich war immer sehr zufrieden, auch wenn sich nie eine tiefe Beziehung zu den Gasteltern ergab, aber das war mir irgendwie egal.
    Vor dem Aufenthalt gab es einige Treffen in der Schweiz, wo uns einige typisch englische Verhaltensweisen beigebracht wurden (damit wir dort nicht versehentlich jemanden beleidigen) und so konnten wir auch schon mal einige Mitschüler kennen lernen.
    Ich selber hatte nie schlimmere Probleme, aber die Schule hatte sich immer darum gekümmert, wenn irgendwas war (ich hatte mal einen kleineren Unfall, anderen wurden Sachen gestohlen, manche hatten Probleme mit ihrer Gastfamilie usw).


    Welschland hat Vor- und Nachteile: damals gingen viele Schüler übers Wochenende nach Hause. Das kann in eurem Fall ein Vorteil sein, aber so lernt man natürlich die Sprache weniger gut und vielleicht fällt so auch die Eingewöhnung viel schwerer. Weiterer Vorteil für euch wäre, dass es bei Problemen nicht so weit wäre und dass ihr auch besser vorher mal hinfahren könnt, um euch die Schule&Umgebung anzuschauen und die Gastfamilie zu besuchen.


    Dass deine Tocher viel nachfragt, finde ich persönlich nicht schlimm. Lieber so, als alles falsch zu machen :) .