Verständnisproblem mit dem Gesetzestext in Bezug mit ASS

  • Hallo


    Ich versuche mich ein wenig darüber zu informieren, wie es mit der Unterstützung bei Menschen mit Asperger rechtlich aussieht.
    Genauer geht es mir darum, wer z.B. für die Kosten bei Therapien zuständig ist. Die Krankenkasse? Oder doch eher die IV?


    Herleitung:
    Das war meine Frage am Anfang....
    Also machte ich mir Gedanken dazu, wie und zu welchem Zeitpunkt denn ASS "entsteht".
    Wenn man ein Embryo ist, das Programm zur Zellteilung "fehlerhaft" ist und gewisse Regionen im Gehirn "falsch verdrahtet" werden?
    Begünstigen Einflüsse wie Alkohol, Zigaretten, Medikamente, Drogen, Hormone, chemische Stoffe diesen Prozess?
    Oder findet die "Falschverdrahtung" erst nach der Geburt statt?
    Darüber streiten sich die Wissenschaftler und ich bin keinesfalls kompetent, darauf eine Antwort zu finden oder zu geben.
    Aber: dieses Prozess findet sehr früh statt und nicht erst mit 10, 15, 20 oder mehr Jahren.


    Also dachte ich, dass der Gesetzgeber ASS möglicherweise als Geburtsgebrechen sehen würde und suchte nach entsprechenden Gesetzestexten.


    Dabei stiess ich heute morgen auf die Systematische Rechtssammlung des Bundesrechts "Verordnung über Geburtsgebrechen" SR 831.232.21.


    Darin stehen:
    Art.1


    Art. 3


    Im Anhang der aufgeführten Geburtsgebrechen steht unter XVI. Psychische Erkrankungen und schwere Entwicklungsrückstände

    Zitat


    405.Autismus-Spektrum-Störungen, sofern diese bis zum vollendeten 5. Lebensjahr erkennbar werden



    Ich interpretiere die Textstellen so, dass ASS wohl als Geburtsgebrechen erkannt wird (Anhang, 405) und der Anspruch auf eine Behandlung bis zum vollendeten 20. Lebensjahr (Art. 3) besteht.
    Einschränkend ist der Punkt im Anhang, 405.... ASS soll/muss bis zum vollendeten 5. Lebensjahr erkennbar sein.


    Irgendwie... Habe ich ein Verständnisproblem mit dem Gesetzestext:
    - ASS hat man ein Leben lang, Art. 3 verneint einen Anspruch auf Behandlung, wenn man 21 Jahre alt wird oder bei der Diagnosestellung schon älter sein sollte. Warum?
    - Art. 1 formuliert, das der Zeitpunkt des Erkennen des Geburtgebrechens unerheblich ist, warum die Alterseinschränkung in Art. 3?
    - gerade das Asperger-Syndrom wird, so weit ich gelesen hatte, meist eben NICHT in den ersten 5 Lebensjahren erkannt und diagnostiziert, sondern erst später (bei Erwachsenen, so las ich, liegt der Altersdurchschnitt bei der Diagnose um die 35 Jahre)


    Ich bin mir durchaus bewusst, dass der Gesetzgeber eher träge arbeitet - was nicht unbedingt immer schlecht ist - aber irgendwie scheint er mir, was das Asperger-Syndrom betrifft, regelrecht hinter dem Mond zu leben.Meinem Empfinden nach schliesst er das Asperger-Syndrom (nicht mutwillig!, aber dennoch) und den Anspruch auf eine Behandlung durch die Einschränkungen (5 Jahre erkennbar, bis 21 Anspruch auf Behandlung) aus.
    Dennoch bleibt bei mir das Problem mit dem Verständnis des Textes bestehen und ich sehe und verstehe den Gedanken dahinter nicht, der zu diesen Formulierungen und Einschränkungen führte.


    Vielleicht weiss jemand mehr dazu und möchte mir die Widersprüche und das Verständnisproblem erklären?
    Danke.

  • Hallo Lumpi
    Bei unserem Sohn wurde ASS als Geburtsgebrechen eingestuft (ist glaube ich immer so) und die IV zahlt. Unser Sohn war aber auch erst 4.5 Jahre alt bei der Diagnose. Es zählt aber, neben einer eindeutigen Diagnose, auch der Nachweis, dass die Eltern das Kind vor dem vollendeten 5. Lebensjahr abklären liessen, auch wenn damals die Diagnose noch nicht gestellt wurde. Ansonsten würden die abklärenden Stellen ja unter einem enormen Druck stehen, vorsorglich Diagnosen auszusprechen, wegen der IV.
    Dass der Anspruch mit 21 endet, ist mir neu, ich werde das mit unserem IV- Berater mal besprechen. Ich fände das extrem seltsam und ungerecht. Je nach Schweregrad der Erkrankung kann ein erwachsener ASSler niemals voll arbeiten und braucht weiterhin Unterstützung und Therapien. Dass ausgerechnet dann, wenn er/ sie vielleicht alleine wohnen will und alle Lebenskosten alleine zahlen soll, der Anspruch erlischt, ist ja geradezu paradox.
    Wenn du nun nicht vor deinem 5. Lebensjahr diagnostiziert/ abgeklärt wurdest, musst du alles über die KK laufen lassen. Im Falle einer Therapie würde ich dann einfach einen anderen Grund angeben, z.B. Depression, was ja oft eine Folge der ASS ist. Dann zahlt die Grundversicherung. Natürlich hast du da Selbstbehalt...
    Der Gesetzgeber hinkt bei Autismus tatsächlich hinterher. Vor allem, dass es so früh erkannt werden MUSS, ist sehr stossend und unverständlich. Das sagen auch die vom KJPD, die die Kinder abklären. Weiss jemand von euch, wie das bei ADS/ ADHS ist? Muss das auch so früh erkannt werden? Läuft das überhaupt über die IV? Viele mit ASS haben ja beides in der Diagnose.
    Frohes neues Jahr!
    Atoba

  • ein kleiner Nachtrag, Lumpi:
    Der Gesetzgeber macht das übrigens häufig: Zuerst steht eine allgemeine Regel da, weiter unten werden sämtliche Ausnahmen aufgelistet, und plötzlich Bedingungen zu dieser allgemeinen Regel gestellt. Das ist leider so und muss akzeptiert werden. Dann gilt das, was einschränkend dasteht, auch wenn es auf den 1. Blick widersprüchlich klingt.


    Und ich könnte mir vorstellen, dass man ab 21 bei der IV dann einfach andere Diagnosen verlangt, weil das Geburtsgebrechen nicht mehr zählt. Eben Depression, Angststörungen, etc. Auch wenn eine ASS zugrunde liegt, kann man ja meistens einen Grund für gewisse Verhaltensweisen angeben ("etwas macht mir Angst, deshalb mache ich das so und so"). Ich kann mir nicht vorstellen, dass die IV Erwachsene mit ASS einfach rausschmeisst.
    Und ich denke auch, dass, wenn du nun z.B. teilweise arbeitsunfähig bist wegen der ASS, du auch mit einer anderen Diagnose noch in die IV rein kommst. Einfach nicht mit ASS.
    Ich hoffe, ich konnte helfen!

  • Hallo Atoba


    Danke. Ja, Deine Antworten helfen ein wenig.
    Ich hatte schon zwei Panikattackenphasen in meinem Leben, die auch durch Psychiater therapiert wurden.
    Natürlich könnte ich als Grund eine Angststörung angeben, aber ich kann nur sehr schlecht lügen, man sieht es mir an, und ich will nicht lügen.

  • Hallo Lumpi


    Ich denke nicht, dass du "lügen" musst. Wie du schreibst, hattest du schon Panikattacken. Ob der Grund für diese nun im Autismus liegen oder nicht, ist zweitrangig. Du hattest sie, und das zählt. Es gibt auch Menschen ohne Autismus, die unter Angst und Zwängen leiden und deshalb therapiert werden oder sogar arbeitsunfähig sind. Die kommen auch in die IV rein. Wenn nun jemand mit ASS unter solchen Symptomen leidet, hat er/sie das genau gleiche Recht, therapiert oder arbeitsunfähig geschrieben zu werden.
    Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute auf dem weiteren Weg!

  • Hallo


    Bin immer noch am Informationen sammeln, dabei bin ich über das hier gestolpert.


    Zitat von https://www.autismus.ch/autism…ass/wer-zahlt-wofuer.html

    Zitat


    1. Medizinische Eingliederungsmassnahmen
    [..]
    Nach dem 20. Lebensjahr geht die Zuständigkeit für die Vergütung medizinischer Massnahmen von der IV zur obligatorischen Krankenversicherung über. Diese übernimmt die Kosten für die medizinischen Leistungen dann, wenn eine nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) anerkannte Behandlungsmethode angewendet wird und diese wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist.