Selbstzweifel, Schuldgefühle und Asperger

  • Hallo ihr Lieben,


    eine kurze Zusammenfassung zur Vorgeschichte. Ich bin 20 Jahre alt, weiblich und habe seit ich 16 bin die Diagnose. Anfang diesen Jahres bin ich für das Physikstudium in eine andere Stadt gezogen. Es war zugegebenermaßen ein Sprung ins kalte Wasser, den ich aber bisher nicht bereut habe. Als ich mit 16 die Diagnose erhalten habe, war das zwar zuerst ein Schock, aber nach einiger Zeit hatte ich meinen Frieden damit geschlossen. Danach wurde das Verhältnis zu meinen Eltern viel besser, weil plötzlich all die Dinge, die vorher schief gelaufen waren einen Sinn ergaben. Insofern war alles gut. Jetzt bin ich an der Uni und stoße heftiger und öfter an meine Belastungsgrenzen als jemals zuvor. Eigentlich sollte das Studium selbst nicht das Problem sein. Zusammenhänge aus der theoretischen Physik habe ich schon mit 14 herleiten können, die andere sich im Studium mühsam erarbeiten müssen. Für diese Fähigkeiten bin ich ungeheuer dankbar. Nun ist es aber so, dass ich mit den äußeren Bedingungen kein bisschen zurechtkomme. Jeder Tag, den ich bei Vorlesungen und Tutorien verbringen muss, ist nach spätenstens drei Stunden eine Qual. In der Mensa essen ist komplett unmöglich. Der (psychische) Druck der auf mir lastet ist enorm. Die wöchentlichen Abgaben der Matheaufgaben, die mir eigentlich so leicht fallen müssten, werden zur Tortur und darunter leiden natürlich nicht nur mein Selbstbewusstsein, sondern auch meine Noten. Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht, bzw. wie habt ihr euren Uni-Alltag organisiert? Gibt es Wege besser zurechtzukommen? Instituationen an die man sich wenden kann? Einen Nachteilausgleich habe ich schon, der gilt aber nur für Prüfungen und macht damit den Semesteralltag nicht einfacher. Ich bin einfach total überfordert und denke ans abbrechen, obwohl ich das nicht tun sollte. Das Physikstudium ist ein großer Traum von mir, den ich so schnell nicht aufgeben möchte. Wie ich weitermachen soll, weiß ich aber auch nicht so richtig. Die Zeiten, in denen ich mit dem Asperger-Syndrom meinen Frieden geschlossen hatte sind definitv vorbei und die Probleme mit meinem Selbstbild werden immer schlimmer (Ich kriege immer mehr das Gefühl ich wäre einfach zu dumm dafür, was das schlimmste ist, weil mein Verstand mein ganzes Leben mein wichtigstes Kapital gewesen ist).
    Ich weiß nicht ob dieses Forum die richtige Plattform dafür ist, aber ich habe schon oft mitbekommen, dass Probleme mit dem Selbstbewusstsein etc. genauso zum Autismus dazu gehören, wie andere Dinge auch. Ich bin für jede Idee dankbar.

    Alles Liebe,
    Fenja

  • Du solltest diese Schwierigkeiten nicht auf deine Wesensart projizieren, wenn auch die besondere Wahrnehmung dir diese Art der Überforderung beschert, so ermöglicht sie dir auch deine spezifischen Fähigkeiten/Talente. Erinnere dich allein deiner Stärken, folglich dem Grund, warum du auf der Universität bist, konzentriere dich auf deine Aufgaben und ignoriere die "äußeren" Gegebenheiten. Ich isoliere solche Störfaktoren indem ich sie in einen einzigen Mechanismus integriere. (Es funktioniert nicht immer, aber wenn, dann ist es sehr effizient!)


    Ein Bespiel aus meiner Schulzeit: In den Gängen und auf dem Pausenhof herrschte eine nervende Unruhe, die erst endetet, wenn der Unterricht begann, aber selbst dann war es natürlich nicht ständig still und geordnet. Ich fing dann an alles ganz objektiv zu betrachten, ich lernte alles ohne Bewertung wahrzunehmen und bezog mich nur auf meine Gedanken, es war wie eine eigens kreierte Form der Meditation. Menschen stellten so für mich nur bewegliche Objekte dar, die ich zu umgehen hatte, sie wurden unbedeutend für mich. Es klingt verachtend, aber wenn man das menschliche Chaos um einen herum auf bloße Verfahren eines großen Komplex' degradiert, zerfällt ihre Kenntlichkeit zur Nichtigkeit. Das funktioniert mit sämtlichen Störungen, wenn man sich dem gedanklich entzieht, sodass man sich auf die wichtigen Aspekte konzentrieren kann- Musik hilft auch dabei, sie schließt akustische Störungen aus.


    Ebenso kann ich es aber verstehen, wenn du abbrechen wollen würdest. Ich selbst beendete schon vieles aufgrund der zu großen Veränderung und der Skepsis/Angst vor dem Unbekannten und dessen Unannehmlichkeiten. Jedoch impliziert dies auch die sogenannte Reue.


    Vielleicht könntest du den überwiegenden Teil des Studiums auch von zu hause aus erledigen oder ein Fernstudium absolvieren ?

  • Hast du schon Kontakt mit dem Büro / der Beratungsstelle für barrierefreies Lernen an deiner Uni aufgenommen?
    Da geht es nicht nur um Nachteilsausgleich auch um Möglichkeiten dein Studium so anzupassen, dass es für dich (er)tragbar wird. Wenn sie selber das spezifische Wissen zu Autismus nicht haben, dann werden sie dich an eine entsprechende Fachperson weiterleiten. Gib bitte noch nicht auf!
    Studieren mit ASS kann um einiges anstrengender sein als ohne - ich habe auch studiert mit Anpassungen.
    Alles Gute!