Ein Hallo in die Runde

  • Guten Abend
    Ich schreib einfach mal "munter" darauf los und hoffe, dass ihr hier mir vielleicht weiterhelfen könnt.
    Vorneweg, munter fühle ich mich gerade nicht und auch vorneweg, ich bin die Letzte, die meinem Partner einfach so eine Diagnose an den Kopf klatscht. Vom momentanen Diagnose-Trend halte ich herzlich wenig ;)

    Zu meiner Situation; mein Mann und ich sind seit 15 Jahren zusammen und haben zwei Kinder.
    Es war von Anfang an nicht leicht, aber irgendwie habe ich immer an unsere Liebe geglaubt.
    Wir haben sehr verschiedene Arten, Beziehungen zu leben (ok, ich bin seine Erste merk ich grad) und lange dachte ich, es könnten- was weiss ich was für Blockaden bei ihm sein (Traumata, Kindheitserfahrungen, was das Leben an Erklärungen halt so hergibt)...
    Mein Mann-habe ich zumindest den Eindruck tut alles für mich, wenn ich ihn um etwas bitte ist er da, eigentlich ein Mann, wie ich ihn mir immer gewünscht habe und oft verfluche ich mich, weil ich das Gefühl habe, dass ich nicht einfach dankbar dafür sein kann was ich habe.

    Aber langsam kann ich nicht mehr.
    Seit 15 Jahren fühlt es sich an, als würde ich einem Geist hinterher jagen, er ist zwar körperlich anwesend aber geistig oder emotional scheint er oft meilenweit entfernt zu sein.
    Nicht greifbar für mich. Wenn ich wissen will, wie es ihm geht, geht es ihm immer gut, er scheint (für mich) absolut keinen Zugang zu seinen Gefühlen zu haben, er sagt auch selber, dass er sich selber schlecht spüren kann. Bedürfnisse äussert er nie, er habe keine, heisst es auf Nachfrage oder er wisse es nicht. Mich spüren fällt ihm schwer, dann wieder hab ich den Eindruck, dass er eigentlich ein extrem sensibler Mensch ist-ich kann es nicht einordnen, die paradoxen Reaktionen

    Er weiss nicht, was er sich wünscht, woran er Freude haben könnte, es passt schon alles irgendwie. Oft erscheint es mir, als sei ihm so vieles irgendwie gleichgültig.
    Die Welt um sich scheint er nicht zu sehen, manchmal habe ich den Eindruck, ja, als wär er zwar körperlich auf der Erde, aber doch nicht wirklich.
    Er liebt alles was mit Technik und Computer-Games zu tun hat, das ist seine Welt und in der befindet er sich oft.
    Sexuelle Interessen sind bei ihm nicht wirklich ausgeprägt, er meint, er braucht es einfach nicht so...

    Ich versuche sachlich zu bleiben, aber dieses in einer Beziehung alleine sein fällt mir unheimlich schwer.
    Ich brauche ein gegenüber, jemanden mit dem ich reden kann, einen Austausch, Nähe...ich fühle mich neben ihm oft so "weltlich" mit meinen menschlichen Bedürfnissen...
    Wut kennt er nicht, Eifersucht auch nicht wirklich (was ihm früher noch Sorgen gemacht hat) generell scheint sein Gefühlsspektrum anders zu sein als bei mir.
    Ich würde mich eher als sehr gefühlsbetont und aktiv bezeichnen- er meint, genau das geniesse er mit mir.
    Wenn ich ihn mitziehe, dann ist er dabei, Eigeninitiative kennt er allerdings nicht, auch nicht was Beziehungspflege betrifft.(nullnadanix, hmpf)

    Seit Jahren arbeite ich an mir, versuche Wege zu finden, ich bin der Meinung, dass man zuerst an sich arbeiten soll, und mein Gefühl der Unfähigkeit es auf die Reihe zu bringen, unsere Beziehung irgendwie hinzukriegen...ja...
    Aber ich kann eine Beziehung nicht alleine führen...
    Kurzum, ausgehungert und sehnsüchtig nach einem Menschen den ich liebe, mit dem ich lustigerweise sogar verheiratet bin (haha) hab ich neulich wieder ein Stossgebet gen Himmel geschickt, weil ich einfach nicht mehr weiss was ich tun soll.

    Auf der Suche nach einem Schulbuch kam ein Link zu einem anderen Buch "Allein zu zweit"(oder so ähnlich) dadurch kam ich zu dem Thema Beziehungen zu Menschen mit Asperger oder Autismus.
    In Beschreibungen von Asperger erkenne ich meinen Partner nicht, als ich jedoch den Austausch von Partnern gelesen hab, dachte ich, ich seh nicht richtig. Da standen unsere Themen schwarz auf weiss-tja und so bin ich hier gelandet... Ich jage seit 15 Jahren einen Geist, habe das Gefühl, ich stehe vor dieser Mauer und weder komm ich durch, noch kann er rauskommen...

    Ich will ihm keine Diagnose überstülpen gleichzeitig ist es für mich aber die letzte Erklärung nach all den Jahren, die irgendwie Sinn ergeben könnte. Er selbst meinte schon ein paar Mal, dass er sich frage, ob er autistisch sei und auch seine Mutter meinte mal, sie habe schon den Verdacht gehabt,, abgeklärt wurde es allerdings nie.
    Ich will verstehen können und vielleicht dadurch einen Weg finden, mit dem wir doch zusammen bleiben können.
    Erste Kompromisse sind wir schon eingegangen, ich habe noch einen Freund, weil ich ansonsten eingegangen wäre...für ihn war es ok (was ich mir, als irdenes Wesen auch nie vorstellen konnte...aber langsam frage ich mich, ob ich ihn tatsächlich einfach nicht verstehen kann und ob es bei ihm vielleicht tatsächlich so ist und nicht einfach nur Verdrängung), für akute Notfälle (und damit mein ich wirklich akut, er konnte es nie einordnen, wenn ich mich wirklich in einer Notlage befunden habe..) haben wir ein Codewort usw.

    Ja, soviel zu mir, ich suche Wege und Lösungen...Vielleicht bin ich hier auch am komplett falschen Ort, aber das würde bedeuten, dass er mich schlicht nicht liebt und absolut keine Lust auf eine Beziehung mit mir hat...das kann ich allerdings ziemlich sicher ausschliessen, also muss ich weiterforschen...

    Erkennt ihr Euch ggf. wieder in meiner (sehr kurzen, reduzierten, einseitigen) Beschreibung? Könnte es sein, dass ich mich auf der richtigen Spur befinde? ich fühl mich wirklich grad wirklich doof, aber ich weiss mir langsam nicht mehr zu helfen, ich weiss nicht mehr weiter...

    Mit liebem Dank und leiser Hoffnung
    Leila

  • Ich bin kein Diagnostiker, und das ist ja auch nicht der Sinn Deines posts wenn ich es richtig verstehe, aber ich bin autist und kann aus meirn erfahrungswelt sagen, das deine Beschreibung durchaus eine erklärung im autistischen spektrum finden könnte.
    Kurz, die kannst ihn so akzeptieren wi er ist oder nicht, aber ändern wirst du ihn nicht. somit ist es deine Entschidung wie du damit umgehst.
    Am Ende des tages ist autismus ja nichts anderes als das unverständnis der meisten gegenüber einer minderheit die die eigenheit hat die gängige sprache der mehrheit schlecht zu verstehen (uns das ist sowohl verbal aber auch wohl hauptsächlich die nichtverbale kommunilkation (jedenfalls ist das so bei mir)).
    wenn die menschen um mich herum mich einfach so akzeptieren würden wie ich bin (und alle anderen mit egal welcher diagnose) dann wäre alles in ordnung.
    und dann bräuchte es auch keine diagnose, die am ende nur dazu dient das die mehrheit der bevölkerung sich von denen abgrenzt die nicht in ihr schema passen.
    dein mann kann also, egal ob mit oder ohne diagnose, nur daruf hoffen von seiner umwelt akzeptiert zu werden wie er ist. und das liegt dann an dir ob du das machen möchtest und diese entscheidung kann dir auch niemand abnehmen.
    ich selber führe seit einiger zeit eine "glückliche" beziehung in der mich meine parterin so akzeptiert wie ich bin und auch die freiheit hat mit anderen menschen sex zu haben. alle anderen beziehungen vorher sind meines erachtens daran gescheitert das mein anders sein nicht akzeptiert worden ist und ich einem "idealbild" entsprechen sollte was ich nicht leisten kann. ich kann nur der sein der ich bin. und anscheinend akzeptiert dich dein mann ja auch wie du bist.
    macht doch mal eine liste was ihr an dem anderen toll und nicht toll findet und redet dann darüber, vielleicht hilft das ja mehr als irgend eine diagnose.

    gruss bernd

  • Hallo

    Eine Diagnose kann Dir hier niemand geben, aber darauf zielen Deine Fragen ja auch nicht ab ;)

    Mich spüren fällt ihm schwer, dann wieder hab ich den Eindruck, dass er eigentlich ein extrem sensibler Mensch ist-ich kann es nicht einordnen, die paradoxen Reaktionen

    Möglicherweise kann er Dich sehr wohl gut spüren, kann die empfangenen Gefühle für sich aber nicht richtig ein- und zuordnen sondern fühlt sich (damit) überfordert?

    Einige Stellen, die Du beschreibst, kommen mir bekannt vor... Ich erkannte eigentlich erst, nachdem der Autismusverdacht von meiner Frau genannt wurde, wie schwer sie es mit mir hat, mich und meine Gedankengänge manchmal nicht verstehen kann oder weshalb mich gewisse Dinge, die immer wieder geschehen, immer wieder massivst aufregen. So als würde ich nicht lernen können mit gewissen Reizen/Situationen umzugehen. Diese Erkenntnisse hatte ich schon vor der Diagnose.
    Bei mir half die Diagnoseabklärung und Diagnose Asperger letztendlich insofern, mich und mein anderssein besser akzeptieren zu können und es eröffnete mir die Möglichkeit des besseren Selbst-verständnisses. Warum ich so bin und reagiere, wie es nun mal ist. Es half und hilft mir, in gewissenen Situationen ruhiger und gelassener zu sein als früher. Es hilft mir auch, mich mehr und besser mit meiner Frau diesbezüglich auszutauschen. Sie versteht längst noch nicht alles und ich tue mich immer noch schwer, von mir aus über meine Probleme zu berichten, aber wir arbeiten beide daran.


    Nur mal ein Gedankenspiel... Was würde sich bei Dir ändern, wenn Du akzeptieren würdest, dass Dein Mann zumindest starke autistische Auffälligkeiten und Verhaltensweisen aufweist, ganz ohne Diagnose?
    Eine Diagnose würde Dir vielleicht die Antworten geben, die Du vielleicht erwartest oder die Du Dir als Erklärung für alles erwünschst, aber an Deinem Mann und seinem Verhalten würde eine Diagnose erst einmal nichts ändern.

    Ich möchte Dir folgende Artikelserie in 8 Teilen empfehlen: Es ist Liebe, nur anders: Die Autismus-Serie.
    Möglichweise wirst Du in der Beschreibung vieles wiedererkennen, aber vielleicht hilft Dir dieser Artikel auch, die Sichtweise der betroffenen Ehefrau wahrzunehmen und ihre Strategien zu erkennen, wie sie damit umgeht.

    Möglicherweise findest Du auf dem Forum https://aspiepartner-forum.de/, das sich an Partner von Menschen mit Asperger richtet weitere Hilfe und Antworten.

  • Vielen Dank Euch für Eure Antworten :)

    Ich habe gestern schon etwas geschrieben aber irgendwie ist es verschwunden.

    Seit ich hier geschrieben habe sind einige Tage vergangen und wir haben das Thema zusammen angeguckt. Es arbeitet :)

    Es geht mir nicht darum, dass ich mich trennen möchte oder eine Liste brauche um positiv/negativ abwägen zu können. Ich liebe ihn. Punkt :)

    Ich denke in erster Linie geht es für mich darum, verstehen und annehmen zu können. Ich bin zwar eigentlich nicht sonderlich versessen auf Diagnosen, aber doch kann das Wissen um etwas den Umgang erleichtern.

    Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch etwas nicht will oder tatsächlich nicht kann resp.es eben anders handhabt und funktioniert als ich.
    Um die andere Handhabung usw. möchte ich wissen.

    Und wie Du schreibst Lumpi, der Umgang. Wo ich bis anhin irgendwie in der Luft gehangen hab, mir sovieles nicht erklären konnte, dachte es liege an mir, habe ich plötzlich eine Erklärung und dadurch auch Lösungsansätze, die wir weiter verfolgen können.

    Auch Schuldgefühle spielen bei mir eine grosse Rolle und nun begreifen zu dürfen, dass er vielleicht gewisse Bedürfnisse,die ich als 'Lebensqualität' empfinde, wirklich nicht hat, ich also kein schlechtes Gewissen haben muss,dass er zu kurz kommt/ich ihn übergehe, wenn ich mein Leben auf meine Weise geniesse, auch wenn wir es halt nicht teilen können. Aber dies 'ich DARF geniessen'

    Ach es ist komplex.
    Jedenfalls denke ich, dass in dieser Erkenntnis ganz viel Freiheit für uns drinnliegen kann.
    Ich will, dass er glücklich und sich selbst sein kann,dass er sich nicht auch noch zuhause verbiegen muss um 'zu passen' und mir gibt es die Freiheit zu geniessen ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, dass er insg.Bedürfnisse unterdrückt
    ( was ich bis anhin dachte...jetzt nähere ich dem, dass ich immer öfter denke,dass es vielleicht tatsächlich einfach so ist und dass er schlicht eine andere Sicht von Lebensqualität hat und für ihn so vielleicht alles stimmt.punkt. Und ich mein jetzt nicht mal nur Sex. Ich mein auch gutes Essen, Gespräche, Blumen, Vögel keine Ahnung :D )

    Die Links gucke ich mir sehr gerne an,lieben Dank :) Einen wunderschönen Sonnentag wünsch ich.
    Leila

  • Hoi Leila

    Du könntest auch mal in einer Gesprächsgruppe für ASS Partner/innen reinschauen. Das Gespräch und die Probleme der anderen können einem helfen, seine Situation besser zu verstehen und zu akzeptieren. Es hilft auch schon, wenn man merkt, dass man mit seinen Problemen nicht alleine dasteht. Andere haben meist die Gleichen oder Ähnliche.

    Grüessli
    Jris

  • Wenn ich deinen Beitrag lese, dann fällt mir nur eins ein: du denkst zu viel! Geniesse doch einfach das Leben und nimm deinen Mann so an, wie er ist. Jeder lebt sein Leben auf seine Weise, der eine so und der andere eben anders.

    Das schreibe ich, dem mit der Diagnose Asperger-Syndrom der Boden unter den Füssen weggezogen wurde. Was habe ich in all den Jahren seit diesem Schock alles gelesen um zu verstehen? Was hat mir all das Wissen gebracht? Ich sage es dir: Nullkommaüberhauptnichts. Natürlich verstehe ich aufgrund der Lektüre so einiges, worüber ich mir früher den Kopf zerbrochen habe, aber: ich kann nun mal nicht aus meiner Haut und das kann dein Mann ebenso wenig. Also warum nicht einfach leben statt dauernd zu grübeln und etwas verändern zu wollen, das gar nicht verändert werden kann?

    Das Dauernd-in-Problemen-rühren bringt nichts und zehrt an Kräften, die anderswo bessere Verwendung finden, zum Beispiel im einfach Annehmen des Ist-Zustandes. Diese an sich banale Erkenntnis habe ich als reiner Kopfmensch gewonnen. Ich arbeite jetzt daran, nicht mehr so viel zu denken und die Dinge einfach so zu nehmen wie sie sind. Kein leichtes Unterfangen, aber es ist nie zu spät, damit zu beginnen - am besten jetzt! Zu viel Denken macht krank.

    Austausch mit anderen kann sinnvoll sein, aber mit Massen. Man kann ein Thema auch zu Tode diskutieren und was hat man am Schluss davon? Noch mehr Verwirrung, noch mehr Inputs und noch mehr Ratlosigkeit. Es gibt Dinge im Leben, die muss man einfach annehmen wie sie sind. Warum Lebenszeit mit Fragen und vergeblichen Suchen nach Antworten vergeuden, wo doch das Leben von sich aus geschieht und es das grösste Geschenk ist, das man, ohne etwas dafür unternehmen zu müssen, einfach annehmen darf?

    In diesem Sinne wünsche ich euch beiden eine schöne und befreiende Zukunft.

  • Danke auch Dir Regenbogen für die Worte.
    Wie viel und in welchem Masse ich mich damit auseinander gesetzt habe-ob überhaupt ausserhalb von hier in den letzten 5 Tagen-und wie viel Energie ich abgesehen dieser Posts hier investiert habe, habe ich hier nirgends festgehalten? So ungern ich Diagnosen verteile, so ungern hab ich Interpretationen und Projektionen ;)
    Ich habe bisher noch nichts darüber gelesen, weil ich meinen Partner als eigenständigen Menschen und nicht als Diagnose betrachten will- er liest momentan ein Buch und findet es befreiend.
    Aus dem Alter in dem man einen Menschen über Google-Tests,Lektüre und Infos einteilt bin ich raus.
    Ich gehe absolut einher, dass man das Leben geniessen soll-siehe oben-und vertraue erfolgreich darauf,dass mir das Leben die Richtungen weist,ohne dass ich mir den Kopf zerbrechen muss. Für das Leben muss man nichts tun, Beziehungen funktionieren allerdings nur in den seltensten Fällen ohne Einsatz, sich finden und zutun.
    Ich kann meinen Partner lieben wie er ist und dennoch müssen wir Wege finden, einen gemeinsamen Alltag mit Kindern wuppen zu können. Wem eine solche Beziehung in den Schoss gefallen ist-lucky you.Wunderbar.
    Abendgrüsse
    Leila

  • Hallo Leute,

    Der Text von Leila ist 1 zu1 passend auf meine Situation ..und auch ich suche jemanden zum reden und Erfahrungen austauschen. ich bin seit 10Jahren mit meinem Mann zusammen ,wir haben keine Kinder da es auf normalen Weg nicht geht. Jegliche andere versuche ein Kind zu bekommen scheitern leider da es alles zu viel für meinem Mann ist.Ich liebe ihn will ihn nicht ändern oder irgendtwas kritisieren er ist wie er ist das ist ok für mich. Jedoch brauche ich Jemanden zum Austausch da ich das gefühl habe die Gesellschaft kann meine Probleme nicht nachvoll ziehen.