Fragen zu einer Abklärung als Erwachsene

  • Hallo zusammen


    Ich bin neu hier und habe mich vor allem angemeldet, um ein paar Antworten auf folgende Fragen zu erhalten.


    Seit einiger Zeit überlege ich mir, eine Autismusabklärung zu machen. Die Gründe dafür dürften ja wohl jedem hier einleuchten. ;)


    Jedenfalls ist es so, dass ich bei der Krankenkasse das Hausarztmodell habe (d.h. ich brauche für die psychiatrischen Dienste eine Überweisung des Hausarztes). Was soll ich denn zu ihm sagen? Mit welcher Begründung einen Termin abmachen? Finde ich irgendwie komisch, nur fürs Ausfüllen eines Überweisungsformulars dort hinzugehen...


    Angenommen, ich erhalte eine Diagnose: welche Auswirkungen hat das dann?
    Ich nehme nicht an, dass es sich bei mir um einen besonders "schweren" Fall handelt. Vermutlich wäre es einfach so, dass ich nun einen Namen für meine Probleme im Alltag hätte. Aber kommt man da nicht automatisch in so eine Mühle rein (regelmässige Sitzungen beim Psychiater, Selbsthilfegruppen, etc.)? Momentan denke ich nämlich, dass die Diagnose in erster Linie für meinen Partner, dessen Familie und mich ist (meine Familie kennt mich und braucht keinen Namen dafür...).


    Was würde das dann für unsere Kinder bedeuten? Wir haben einen 2.5-jährigen Sohn und das zweite Kind kommt im Januar. Müssten die dann auch zu einer Abklärung?


    Ihr seht, ich bin noch etwas unsicher, ob ich wirklich eine Abklärung möchte. Vor allem, da ich mir über die Konsequenzen nicht so im Klaren bin. Vielleicht kennt jemand eine ähnliche Situation und kann mir etwas darüber berichten.

  • Hallo Annie



    Seit einiger Zeit überlege ich mir, eine Autismusabklärung zu machen. Die Gründe dafür dürften ja wohl jedem hier einleuchten. ;)


    Die Motivation zumindest ist noch nicht so ganz ersichtlich....


    Zitat


    Jedenfalls ist es so, dass ich bei der Krankenkasse das Hausarztmodell habe (d.h. ich brauche für die psychiatrischen Dienste eine Überweisung des Hausarztes). Was soll ich denn zu ihm sagen? Mit welcher Begründung einen Termin abmachen? Finde ich irgendwie komisch, nur fürs Ausfüllen eines Überweisungsformulars dort hinzugehen...


    Naja, grundsätzlich ist es ja gut, wenn man erst einmal seinen Hausarzt konsultiert statt gleich bei einem Spezialisten vorbeizugehen.
    Grundsätzlich reicht es, wenn Du Deinem Hausarzt Deinen Autismusverdacht mitteilst und um eine Überweisung an eine Autismusdiagnostikstelle bittest.
    Ein guter Hausarzt wird Dir ein paar Fragen stellen, um abschätzen zu können, ob es Dir dabei ernst ist und welche Gründe Du nennst (auch wenn er von Autismus keine Ahnung haben sollte).


    Ich hatte damals zuerst mit meiner Hausärztin über den Autismusverdacht gesprochen, ein paar Monate gewartet, mich in dieser Zeit (und auch später) über Autismus informiert, mich mit den gelesenen Texten verglichen UND alternative Erklärungen wie psychische Störungen (Sozialphobie, schizoide Persönlichkeitsstörung usw) mit mir abgeglichen. So weit ich das für mich konnte, konnte ich psychische Störungen ausschliessen und fand die Beschreibung zum Asperger-Syndrom noch am zutreffendsten.


    Bevor ich meine Hausärztin um eine Überweisung an eine Diagnostikstelle bat, führte ich mehrere Online-Selbsttests durch (für Asperger finde ich diesen hier nicht schlecht). Nicht um der Hausärztin mit dem Testresultat sagen zu können "Sehen Sie, ich muss Asperger haben" sondern um ihr mit dem Testresultat zu zeigen, das ich viele autistische Auffälligkeiten aufweise, die eine Diagnostik rechtfertigen. All die Selbsttests können nur formulieren, dass man genug autistische Auffälligkeiten aufweist, eine Diagnose können und sollen sie nicht stellen.


    Meine Hausärztin meinte zwar trotz des Testresultats, das ich ja ganz normal wirke und sie bei mir Asperger verneinen würde, aber dennoch überwies sie mich an eine Diagnostikstelle. Ich vermute, dass dieser Selbsttest bei ihr den Ausschlag gab, die Überweisung vorzunehmen.



    Angenommen, ich erhalte eine Diagnose: welche Auswirkungen hat das dann?
    Ich nehme nicht an, dass es sich bei mir um einen besonders "schweren" Fall handelt. Vermutlich wäre es einfach so, dass ich nun einen Namen für meine Probleme im Alltag hätte.


    Ich habe Asperger in einer leichten Ausprägung, sagt zumindest das Diagnoseschreiben an meine Hausärztin. Und ja, wenn ich die Beschreibungen von Menschen mit einer schweren Autismusspektrumstörung lese oder nur schon an meinen Cousin mit der Diagnose atypischer Autismus denke, dann sehe ich mich auch in einer "leichten Ausprägung".
    Dennoch habe ich viele Probleme im Alltag, die auf Asperger zurückzuführen sind.


    Dem Namen an bist Du eine Frau... Frauen können normalerweise ihre autistischen Probleme besser kaschieren bzw kompensieren und wirken deshalb schnell(er) "normaler" als Männer. Die Diagnostik soll bei diesem Typ Frau nicht so einfach sein wie bei Männer, lese ich zumindest immer wieder.
    Möglicherweise kannst Du Deine Probleme im Alltag nach aussen hin besser kompensieren und wenn dem so sein sollte, erscheinen Dir selbst die Probleme nicht so gross? Aber... Das sind nur Mutmassungen.



    Aber kommt man da nicht automatisch in so eine Mühle rein (regelmässige Sitzungen beim Psychiater, Selbsthilfegruppen, etc.)? Momentan denke ich nämlich, dass die Diagnose in erster Linie für meinen Partner, dessen Familie und mich ist (meine Familie kennt mich und braucht keinen Namen dafür...).


    Eine allfällig positive Autismusdiagnose bedeutet erst einmal gar nichts. Das heisst, Du musst nichts machen und wirst auch zu nichts verpflichtet.
    Die Diagnose wäre erst einmal für Dich persönlich eine professionelle Erklärung all Deiner Probleme. Dein Partner wüsste mit der Diagnose, woran er an Dir wäre... Zumindest in der Theorie. Manchen Partnern kann das Fingerspitzengefühl fehlen oder sie wollen sich nicht über Autismus informieren. Andere Partner wie beispielsweise meine Frau sehen mich nach der Diagnose mit anderen Augen und versuchen zu verstehen und nachzuvollziehen, weshalb man in gewissen Situationen so reagiert wie man nun mal reagiert. Das kann sehr helfen, im Alltag wie auch in der Beziehung.



    Was würde das dann für unsere Kinder bedeuten? Wir haben einen 2.5-jährigen Sohn und das zweite Kind kommt im Januar. Müssten die dann auch zu einer Abklärung?


    Man kann Dich bzw Deinen Partner und Dich nicht zwingen, bei euren Kindern eine Diagnostik durchführen zu lassen.
    Wenn sich allerdings bei einem Kind einige bis viele "autismustypische" Auffälligkeiten zeigen dann wäre eine Diagnostik anzustreben, um dem Kind so früh wie möglich helfen zu können, sollte die Diagnostik positiv ausfallen.
    Der Hintergedanke daran ist, das Kinder schneller lernen als Erwachsene und man so "lenkend" in die Entwicklung eines Kindes eingreifen und die Entwicklung positiv unterstützen bzw beeinflussen kann.


    Deswegen wird Autismus nicht verschwinden, den hat man trotz aller Therapiemöglichkeiten, aber man kann je nach Ausprägung mehr oder weniger gut lernen, mit der Autismusausprägung umgehen und leben zu können.




    Ihr seht, ich bin noch etwas unsicher, ob ich wirklich eine Abklärung möchte. Vor allem, da ich mir über die Konsequenzen nicht so im Klaren bin. Vielleicht kennt jemand eine ähnliche Situation und kann mir etwas darüber berichten.


    Ja, das ist durchaus verständlich denke ich...


    Angst musst Du nicht haben, eine DIagnostik bedeutet für Dich auch keine Nachteile. Wer von einer allfälligen Autismusdiagnose erfährt hast Du alleine in der Hand. Ich selbst hatte nur eine positive Erfahrung gemacht, als ich meiner Familie von der Diagnose erzählte. Aber ich las auch schon mehrmals, das einzelne bis alle Familienmitglieder das Diagnostikresultat anzweifelten oder gar verneinten. In vielen Köpfen existiert ein Bild von Autisten, das so in der Realität wohl nicht oder selten anzutreffen ist. Auch wird Autismus in der Gesellschaft oft als "Mangel" angesehen und Menschen, die von Autismus betroffen sind nicht ernst oder für "voll" genommen.


    Wohl kann es aber sein, das Du Dich während der Wartezeit zur Diagnostik und auch nach einer positiven Autismusdiagnose sehr intensiv mit dem Thema Autismus beschäftigen könntest. Aber das sehe ich aus meiner Warte nur positiv, weil diese Themenbeschäftigung hilft, ein besseres Selbstverständnis von sich, seinen Fähigkeiten, seinen Stärken aber auch seinen Schwächen zu entwickeln.



    Normalerweise lässt man als Erwachsener bei sich eine Autismusdiagnostik durchführen, wenn ein Leidensdruck vorhanden ist. Sprich, wenn man im Alltag immer wieder auf die gleichen autismustypischen Probleme stösst (klischeehaft: kein Smalltalk können, sich nicht in einer Menschenmasse bewegen können, Mimik des Gegenübers nicht entziffern können, nicht in die Augen des Gegenübers sehen können, sich nicht in die Person gegenüber hineinversetzen können, soziale Interaktionen als sehr anstrengend empfinden, auf Sinnesreize sehr intensiv oder sehr schwach reagieren, sich öfters komplett überfordert bei der Reizwahrnehmung fühlen, Vermeidungstendenzen entwickeln usw usw usw - nicht alles davon muss bei einem zutreffen).


    Erklärung an einem Beispiel wegen des Leidendrucks:
    Viele Menschen finden es nicht toll, sich in einer Menschenmasse (morgens im Zug stehend eng zusammengepfercht) aufzuhalten. Das ist eine für sie unschöne Empfindung.
    Autisten können daran verzweifeln, denn die Wahrnehmung aller Reize (Bewegungen, Geräusche, Berührungen, Anrempeln, viele Gesichter in denen man nicht lesen kann, Gerüche usw usw) in der Menschenmasse können einen sehr starken Leidensdruck erzeugen. Eine Reizüberflutung, eine Fluchtreaktion und die spätere Entwicklung von Vermeidungsstrategien, um solche Situationen nochmals zu erleben können die Folge sein.


    Das war es fürs Erste denke ich.


    Gruss

  • Liebe Annie


    Hoffentlich hat Dir dein Hausarzt weitergeholfen die ersten Schritte in die Wege zu leiten zur Diagnosestellung.
    Bei mir, als Frau, war es wichtig eine Psychiaterin zu finden die sich tatsächlich sehr gut mit Autismus auskennt.
    Denn eine Person, die sich nur einer Diagnostik anhand Protokolle und Tests widmet ohne sich an die wesentlichen Kernpunkte zu widmen, kann zur falschen oder auch ungenauen Diagnose leiten.
    Falls Du (noch) keine Spezialistin gefunden hast, kann ich Dir gerne eine sehr gute Person empfehlen. Es kann sein, dass Du einige Zeit warten musst, bis sie wieder freie Termine hat. Lohnt sich aber, und in dieser Zeit, kannst Du dich mehr einlesen in die Materie mittels (Fach-)Bücher.
    Ich selber musste ca. 6 Monate warten bis zum ersten Termin. Insgesamt sind es 5 Termine. Letztens habe die offizielle Diagnose von ihr erhalten und nächste Woche, beim letzen Termin, geht es um das Bürokratische und die Hilfeleistungen die die Schweiz zu bieten hat.


    Alles Gute!
    DeJaAir