Schwierige Diagnose Mädchen 9 Jahre

  • Hallo zusammen,


    Ich bin Mutter von 4 Kindern im Alter von 9,10,11 und knapp 13 Jahren. Unser Junge (11) hat eine Asperger-Diagnose, wir wissen es seit etwa 3 Jahren.
    Wie für viele andere, war für mich die Diagnose ein Segen. Bis dahin hatte ich oft das Gefühl als Mutter versagt zu haben. Mittlerweile ist sein Umfeld sehr gut auf ihn eingestellt (auch die Schule), er macht sich sehr gut :-)
    Aktuell macht unsere jüngste Probleme. Sie war schon immer ein "besonderes" Mädchen und seit etwa einem Jahr tickt sie regelmässig aus.
    Vieles kenne ich schon von unserem Jungen. Neue Situationen, die falschen Kleider, das falsche Essen....zuwenig deutlich formulierte Hausaufgaben, zuwenig perfekte Buchstaben, overloads etc.... Jederzeit kann sie etwas zum Ausrasten bringen. Wenn es soweit ist, kann ich sie kaum beruhigen und jede Berührung scheint ihr Schmerzen zu bereiten. Bis ich nachgebe....was ich aber nicht immer tue (sie MUSS ja zur Schule oder Schuhe anziehen usw). Sie überträgt zB. ihre Sprach-Ticks auf mich, in dem sie mich dazu zwingt auf ganz spezielle Art auf ihre Fragen zu antworten. Echt crazy!
    Das treibt mich oft fast in den Wahnsinn... (sie ist ja nicht die einzige die mich so beansprucht)...


    Ich bin mir, wie auch schon beim Junior, nicht sicher ob sie das absichtlich macht oder nicht. Schwierig finde ich vorallem dass ich diese Situationen nachträglich nicht mit ihr besprechen kann. Mit meinem Sohn war es möglich den Streit zu besprechen und zusammen eine Strategie oder ähnlich zu finden, sich zu entschuldigen, es verarbeiten.
    Meine Tochter "verleugnet" jeden Streit. Es sei ja gar nichts passiert, sie hätte nicht gestritten. Sie kann sich selbst nicht reflektieren.
    Da ich auch bei ihr einen Asperger-Verdacht habe, haben wir sie abklären lassen (kjpd tg). Herausgekommen ist eine Hochbegabung (was ich eh schon vermutet habe), aber kein Asperger. Uns wurde lediglich gesagt dass sie vermutlich eine "emotionale Blockade" hätte, wir sollen eine Spieltherapie mit ihr machen.
    Dazu sagen muss ich noch dass sie in der Schule absolut unauffällig ist!!! Anderen gegenüber ist sie wohl extrem zurückhaltend, aber in der Abklärung hat sie brav das "Minimum" mitgemacht. Zuhause allerdings ist sie wie ein Vulkan. Jederzeit zum Ausbruch bereit.


    Seit ich mich intensiv mit dem Thema befasst habe sehe ich überall Asperger-Symptome.
    Mein Mann ist (seiner eigenen Meinung nach) ebenfalls betroffen. Und ich würde behaupten auch meine Älteste schlägt in diese Richtung (hochbegabt, introvertiert, extrem zickig, weiss alles besser, ständig neue ticks).


    Aber vielleicht hat unser kleiner Vulkan halt einfach einen sehr starken Willen und ich muss mit ihr noch konsequenter sein?
    Gibt es hier Mamis die Asperger Mädels haben? Wie schwierig war die Diagnose?


    Eure MamaC

  • Ich habe gehört, dass gerade bei Mädchen eine Diagnose schwieriger ist als bei den Jungs, weil die Diagnosemittel zum Einen für frühkindlichen Autismus entwickelt wurde und sich an Buben orientieren, da als sie entwickelt wurden, Autismus als vorwiegend männliches Phänomen betrachtet wurde. Bei Mädchen, auch wenn sie im Spektrum sind, äussert sich gerade Asperger oft anders als bei den Jungs, da sie besser dazu in der Lage sind, sich anzupassen. Die fallen bei der Diagnose oft durch alle Raster (sprichwörtlich), auch wenn sie eigentlich im Spektrum sind. Hab dazu grad einen interessanten Vortrag gesehen von Tony Attwood. Falls du Englisch gut verstehst, such mal auf YouTube "Tony Attwood - Aspergers in girls." Du findest auf YouTube auch zahlreiche Erfahrungsberichte von betroffenen Mädchen. Wir haben zum Glück die Diagnose bei unserem Mädchen schon mit 2.5 Jahren erhalten.

  • @bigMaMa
    Hochsensitivität liegt sicher auch im Bereich der Möglichkeiten. Im Fritz+Fränzi war gerade ein sehr guter Artikel dazu. Ich konnte aber so aus dem Bauch heraus nicht mehr "Symptome" herauslesen als für ASS.


    @Sunflower
    Habe gerade zwei Bücher zum Thema bestellt. Das Youtube Video werde ich mir bei Gelegenheit ebenfalls anschauen.


    Ich bleibe an allen Ecken dran.
    Vielen Dank!
    MamaC

  • Lieber Pinguin,


    Danke für das interessante Video. Die Diskussion um das Thema geht in die Richtung die ich zu Hause ebenfalls einschlage. Ich versuche meine Kinder da abzuholen wo sie Hilfe brauchen und jedem das Geben was es braucht.
    Was mir aber leider nicht immer reibungslos gelingt. So hat täglich mind. einer von uns einen Ausraster, auch ich.
    Aber ich habe mittlerweile ein dickes Fell und dank den gesammelten Erfahrung und einer grossen Portion Empathie meinerseits meistern wir den Alltag sehr gut. Gerade heute hat mich die Kleine wieder verschmitzt und glücklich angelächelt (nach gefühlt 1000 Fragen über das "Leben").


    Mir geht es in erster Linie nicht um DIE Diagnose. Ich will ihr keinen Stempel aufdrücken. Es geht mir eher darum zu verstehen weshalb sie so ist, damit wir ihr geben können was sie braucht.


    Auch dir alles Gute!

  • Eine Diagnose, falls sie gebraucht wird oder erklärend sein könnte, bei Mädchen ist definitiv schwieriger als bei Jungen. Und wie wir selber erfahren mussten, stellt dies sogar anerkannte Fachleute vor viele Fragen, leider.
    Unterdessen habe ich recht viel Erfahrung (in meiner Familie, eigene und aus meiner Arbeit) mit Mädchen und Frauen gewinnen können. Hochsensibel und hochbegabt sind mögliche Hinweise auf ein ASS. Und das beschriebene Verhalten deiner Tochter könnte durchaus auch in die Richtung gehen, besonders auch, wie du ihr Verhalten in der Schule und danach wieder zu Hause erwähnst. Nicht unüblich!


    In der Fachliteratur wird u.a. auch beschrieben, dass betroffene Mädchen, die schon früh auffallen, stärker betroffen sind - die autistischen Merkmale viel deutlicher erscheinen - als bei Jungen mit einem ähnlichen Funktionsniveau. Ein Erklärungsansatz für das verneinende Verhalten deiner Tochter, dass sie nicht gestritten habe, könnte sein, dass sie zwar gelernt hat mit Worten umzugehen und um deren Wirkung weiss, jedoch emotional und sozial noch nicht ganz so weit entwickelt ist wie das Sprachniveau vermuten lassen würde. Es könnte also durchaus sein, dass deine Tochter wirklich noch nicht weiss, was sie macht / bewirkt und wieso, einfach weil sie da noch viel jünger ist, möglicherweis sogar sehr viel jünger. Gerade Kinder von vier / fünf Jahren entdecken die Macht der Worte, provozieren lustvoll damit und merken, dass sie eine verbale Stärke entdeckt haben. Dahinter ist nicht eine böse Absicht sondern eher ein nötiger und natürlicher Entwicklungsschritt auf verschiedenen Ebenen. Könnte es sein, dass deine Tochter in diesem "Alter" steckt (vielleicht kennst du das ja noch von deinen anderen Kindern)?
    Wenn dem vielleicht so sein sollte, dann wäre es für sie unterstützend, wenn du / ihr ihrem emotionalen und sozialen Entwicklungsalter entsprechend "abholen" könntet. Je älter ein Kind aber ist, umso schwerer fällt es einem, es wie ein jüngeres zu behandeln. Da entstehen dann häufig auf beiden Seiten Spannungen... Eine Gratwanderung.
    Ich wünsche euch viel, viel Kraft auf eurem Weg - und möchte dir auch gratulieren, dass du so umsichtig dich um deine Kinder kümmern kannst!

  • @Moira


    Ich habe mich inzwischen in das Thema "Frauen und Asperger" eingelesen. Dabei stosse ich immer wieder auf Symptome die unsere Tochter ganz klar zeigt. Für mich persönlich (und auch für meinen Mann) ist darum eindeutig dass sie betroffen ist. Da sie "extern" und "intern" so unterschiedlich auf ihre Umgebung reagiert und die Abklärung nur eine Momentaufnahme ist, kann ich die unklare Diagnose nachvollziehen.
    Mein Plan ist, sie weiterhin dort abzuholen wo sie gerade steht, vorallem emotional (sie benimmt sich tatsächlich oft wie ein Vorschulkind). Das braucht unheimlich viel Geduld, aber ich bin sicher der Einsatz lohnt sich. Zudem konnte ich eine Ergotherapie durchboxen. Diese "Strategie" hat auch bei unserem Sohn gut geholfen.
    Ich bin zuversichtlich, dass sich die Situation in den nächsten 6 Monaten (oder spätestens in 1-2 Jahren) wieder etwas entspannen wird. Irgendwann wird sich die emotionale/soziale Reife ihrem viel zu weit entwickelten Intellekt wieder annähern. Dann wird sie auch selber wieder ausgeglichener sein.


    Mir wurde zudem empfohlen in einem Jahr nochmals eine Abklärung zu machen. Mal schauen wie es dann aussieht.


    Vielen Dank für die Unterstützung hier im Forum und allen viel Kraft!
    MamaC

  • Hallo MamaC


    Was Du beschreibst, kann ein Hinweis auf PDA sein. Das ist eine Subkategorie von Autismus, aber mit einer extremen Verweigerung von fast allem, sobald ein Mensch die Anforderung stellt. Diese Menschen zeigen oft ein angepasstes Verhalten in der Schule und agieren nur zu Hause aus. Und sie sind oberflächlich gesehen sehr „sozial“ haben aber wenig Plan, von dem was sie tun.

    Wenn Dich dieses Thema interessiert, so gehe auf die Website http://www.schlesinger-beratungen.ch unter Downloads findest Du einen Aufsatz zum Thema. Leider gibt es fast niemanden in der deutschsprachigen Fachwelt, der sich dafür ernsthaft interessiert. Es macht aber einen Unterschied ob PDA oder Asperger! Aber Vorsicht, es ist keine anerkannte Diagnose (nur in England), es würde dann bei Asperger oder atypischem Autismus bleiben. Aber für Dich ist es entscheidend im Umgang mit Deiner Tochter.

    MirSchl

  • Hallo Mama C. Ich habe nun nicht alle Antworten gelesen.... unsere Geschichte kommt mir sehr ähnlich vor: wir haben auch eine 9 Jährige Tochter, die, wie du beschreibst sehr anspruchsvoll ist: Kleider und Schuhe und Socken sind ein ständiges Thema, Essen ist schwierig, Wutausbrüche erleben wir täglich, ein Nachbesprechen ist meist auch nicht möglich, sie erträgt absolut keine Kritik, sie ist oft ungerecht zu ihren älteren beiden Schwestern, sie macht praktisch nie Hausaufgaben, übernimmt keine Ämtlis in der Familie, bei fast jedem Essen gibt es Streit, weil ein falscher Blick, ein falsches Wort oder so gesprochen wurde oder das falsche Essen auf dem Tisch steht, und und und es ist ein "Eiertanz" um sie herum.... aber: in der Schule ist sie auch total unauffällig! Sie hat wenige, aber gute Freundinnen. Es gibt aber Mädchen mit denen geht es absolut nicht, ich musste auch schon Kinder zu ihrem Schutz nach Hause schicken, weil meine Tochter total dominant wurde.

    Ich habe schon früh vermutet, dass unsere Tochter eine Autismusspektrums-Störung haben könnte. Mit fünf Jahren wurde sie abgeklärt und man wusste auch nicht genau, was los ist. Mit sieben Jahren waren wir bei einem anderen Psychiater, der ein ADHS vermutete, aber auch nicht sicher war. Und nun waren wir beim KJPP bei der Abteilung Autismus und da gab es nun die Diagnose. Ich bin extrem erleichtert, da auch ich immer das Gefühl des "Versagens" hatte. Zum Glück haben wir zwei ältere Kinder, bei denen alles einigermassen gut läuft, sonst wäre mein Selbstvertrauen noch schlechter geworden...ich habe in den letzten Jahren viel über Mädchen und Asperger gelesen und dass es sich bei Mädchen ganz anders äussert als bei Jungs. Auch das Spezialinteresse fehlt, ausser dass sie die ganze Zeit Hörspiele hört....und Globi-Bücher anschaut.

    Wo habt ihr die Abklärungen machen lassen? Vor allem wenn ihr ja in der Familie bereits ein Kind mit ASS habt, liegt doch die Vermutung nah, dass auch ein anderes Kind diese Diagnose haben könnte? Ich wünsche dir viel Kraft! Ich weiss, es zerreisst einem, wenn man sich so oft immer um das gleiche Kind kümmern muss und die anderen viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen....

    Lieber Gruss, O