Der fanatische Fundamentalist ist gestört und NICHT der autistische Mensch

  • In aller Selbstverständlichkeit wird im 21. Jahrhundert immer noch vom ‚Störungsbegriff‘ Autismus gesprochen. Autismus wird immer noch grundsätzlich als eine Problematik statt Thematik angesehen. Leistungen autistischer Menschen werden leider zu oftmals ins Despektierliche gezogen (zB. ‚Kalenderidiot‘).
    Wer gibt den ‚Mainstream-Menschen‘ überhaupt das ‚Recht‘ so über etwas andersartigen Menschen herzuziehen ???
    Eine Arroganz zum Kotzen finde ich.
    Die gleichen Zeitgenossen plädieren aber für eine ‚Toleranz‘ für andere Lebensweisen, selbst wenn ein Weib schwere Einkaufstachen 10m zurückgesetz und zurückgestuft dem stolzen Herr hinterher schleppen muss..
    (Zitat Alice Schwarzer)
    Für den Ausdruck ‚Weib‘ entschuldige ich mich persönlich aber in diesen Kreisen wird nun halt eine Dame als ‚Weib‘ bezeichnet.
    Die Frage stellt sich da ganz banal, was ist wirklich ‚gestörter‘ etwas autistische zu sein oder Frauen derartige und freilich systematisch zu unterdrücken ??? . . .
    Ist nur eine Frage. . .

  • Hallo Fritz


    Ich versuche es aus meiner Sicht zu erklären, weshalb es diese Denk- und Handlungsweise gibt.


    Menschen "ticken" immer noch im Neandertaler-Modus. Wir mögen uns technisch und auch gesellschaftlich / sozial stark weiterentwickelt haben, aber dies vielleicht auch viel zu schnell um auch wirklich mit dieser Entwicklung mitzuwachsen um unsere alten Neandertaler-Zöpfe wirklich ablegen zu können.
    Dieses Gruppendenken, das Ausschliessen von Andersartigem mag zu Zeiten des Neandertalers eine wichtige Funktion gehabt haben... Bildlich gesprochen: wenn eine Gruppe Neandertaler mit Masern rumlief, dann distanzierte sich eine andere Gruppe von dieser Maserngruppe. Sie wusste vielleicht nicht warum sie die Maserngruppe ablehnte, aber diese Distanz half, um nicht selbst an Masern zu erkranken.
    Dieser Mechanismus des Gruppendenkens ist auch heute noch anzutreffen.
    Tony Attwood beschreibt im Buch "Ein Leben mit dem Asperger-Syndrom", wie ein junges Kind von vielleicht 3-4 Jahren dieses Gruppendenken noch nicht anwendet, aber mit 5-6 Jahren durch die Entwicklung dieses Gruppendenken beginnt anzuwenden.
    Ich hatte lange Zeit gedacht, das dieses Gruppendenken durch die Sozialisierung übernommen wird, aber durch Attwood und andere bin ich zur Überzeugung gelangt, das die Sozialisierung wenn dann nur eine untergeordnete Rolle einnimmt und das Gruppendenken mehr in der Genetik verankert ist.
    Interessanterweise haben praktisch alle, mit denen ich mich im Internet längere Zeit über Asperger austausche und die auch von Asperger betroffen sind, kein stark ausgebildetes Gruppendenken.


    Ein weiterer Punkt beim Gruppendenken ist die Pflege, Aufrechterhaltung und den Ausbau von Feindbildern.
    Ein Gruppendenken mag in gewissen Bereichen sogar sinnvoll sein (Fussballmannschaft A spielt gegen Fussballmannschaft B), aber auch schon dort will man sich von der anderen Gruppe abheben, wenn auch nur in sportliche Art, die gerne auch mal in einem Feindbild enden kann.
    Manchmal will jemand Macht haben und um diese zu bekommen, muss er eine Gruppe hinter sich scharen, die ihn unterstützt und durch die Menge der Unterstützer auch Macht verleiht.
    Oft werden dazu die niederen Instinkte angesprochen und dabei ist ein Feindbild die erste Wahl, um Menschen hinter sich scharen zu können. Dabei geht es nicht darum, ob man mit Fakten, Halbwahrheiten oder gar Lügen hantiert, es geht nur darum, die Menschen, die man hinter sich scharen will von einer Ideologie (dem Feindbild) zu überzeugen bei gleichzeitigem "wir sind besser/schöner/die Guten/was auch immer".


    Manche Menschen definieren sich durch eine Vorstellung... Manche wollen schön sein, andere reich und wieder andere einfach besser als alle anderen. Nicht jeder hat die Chance reich, schön oder besser als andere sein zu können und auch hier findet dann eine Abgrenzung bei gleichzeitiger Überhöhung des eigenen Seins statt.
    Man will besser/reicher/schöner als andere sein und das wird man selbst (so meint man) auch dadurch, wenn man einen anderen Menschen herabsetzt, um ihn unter sich selbst zu sehen.
    Auch in diesem Bereich können sich dadurch irgendwann Gruppen bilden, welche dann so agieren wie sie nun mal agieren.


    Heute ist dieses Gruppendenken und die Pflege von Feindbildern eigentlich nur noch bedingt hilfreich... Wer z.B. hustet oder niest, auf den geht man auf Abstand, um nicht angesteckt zu werden. Das ist auch heute noch sinnvoll und je mehr Menschen es werden, umso näher rücken sie aufeinander auf und umso wichtiger wird es darauf zu achten, das sich Krankheiten durch die Nähe zueinander nicht ausbreiten.
    Andere Dinge wie Gruppenbildung nach Geschlecht, Ethnie, Religion, sexuelle Orientierung, körperliche, psychische oder sonstige Beeinträchtungen oder auch nur eine plumpe Meinung sollten heute in einer aufgeklärten und entwickelten Gesellschaft eigentlich nicht mehr so präsent und so stark ausgelebt werden.
    Leider scheint in den letzten Jahren ein gegenläufiger Trend eingesetzt haben, der die Entwicklung im gesellschaftlich/sozialen Bereich immer mehr angreift und zurückdrängen will.


    Auf der anderen Seite gibt es einige mit dem Asperger-Syndrom, die sich durch ihre Art des Seins quasi selbst als "Mensch 2.0" definieren und sehen. Also etwas besseres als andere ("normale") Menschen sein wollen.
    Vor solchen Denkweisen kann ich nur warnen, denn sie kann sehr schnell dazu führen, das sich der Graben zwischen "normalen" und "wir sind die besseren"-Menschen und vorallem allen Menschen die von Autismus betroffen sind vertiefen.


    Jeder Mensch hat Stärken und Fähigkeiten und jeder Mensch hat Schwächen. Diese Stärken sollte man fördern und auch nutzen und die Schwächen als gegeben ansehen, aber nicht über sie urteilen.