Kontrolle behalten über Spezialinteressen

  • Hallo allerseits.


    Ich bin neu hier im Forum und freue mich schon sehr auf den Austausch mit euch.


    Ich bin verheiratet und habe zwei Söhne im Alter von 6 und 4. Der grosse hat seit letzten Herbst die Diagnose Asperger. Der kleine und ich sind neurotypisch. Da uns schon seit Jahren auffällt, dass unser grosser extrem viele Ähnlichkeiten in Bezug auf Verhalten und Denkweise hat mit meinem Mann, ist er auch in Abklärung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er die Diagnose erhalten wird. Viele Symptome sind bei ihm viel stärker ausgeprägt als bei unserem Sohn. Dementsprechend gehe ich einfach mal davon aus, dass er Asperger ist. Das Wissen um die andere Wahrnehmung meiner Jungs erleichtert im Familienleben schon sehr viel. Insbesondere unser Sohn ist grad richtig gut unterwegs und wir haben da auch recht gute Beratung. Ein Thema, was mich im Moment beschäftigt ist das Spezialinteresse meines Mannes: Schnäppchen! Dies hat definitiv Vorteile, da er ein unglaubliches Talent dafür hat Sachen die wir brauchen, für sehr wenig Geld zu finden. Der Nachteil ist allerdings, dass er auch sehr viele Schnäppchen kauft, die wir nicht brauchen. Da er auch kaum etwas weggeben geschweige denn entsorgen mag wird es langsam aber sicher nicht nur zum finanziellen Problem sondern auch zu einem Platzproblem. Vor- und Nachteile haben sich lange Zeit die Waage gehalten. Im Verlauf des letzten Jahres traten seine autistischen Verhaltensweisen immer stärker hervor. Wir vermuten, dass dies daran liegt, dass er keine Energie mehr aufbringen kann um sich anzupassen, da er sehr starke chonische Schmerzen und Schlafstörungen hat. Nun da diese Verhaltensweisen stärker auftreten scheint ihm auch mehr und mehr die Kontrolle über die Schnäppchenjägerei zu entgleiten. Er ist durchaus gewillt etwas daran zu ändern, wir wissen aber beide nicht so recht wie. Hat evtl jemand von euch Ideen dazu? Evtl auch allgemein, wie man die Kontrolle über Spezialinteressen behalten kann.


    Herzliche Grüsse, bscmom

  • Liebe bscmom


    Wir hatten ähnliche Probleme puncto Finanzen. Mein Partner, vermutlich ebenfalls ein Asperger, hat immer wieder zu viel Geld ausgegeben. Jetzt haben wir eine Beistandschaft für die Finanzen. Sie verwaltet sein Einkommen. Da er auch psychische Probleme hat und wir noch einen Sohn (6) mit Asperger und ADHS haben, bin ich froh, ihn nicht auch noch ständig 'auf die Finger gucken' zu müssen. Zudem haben wir unsere Konten getrennt und er hat keine. Zugang zu meinem Konto. Ich gebe ihm bewusst auch keine Karte. Könntet ja ein 'Sackgeld' abmachen über welches er frei verfügen darf und du kontrolliert das Haushaltbudget auf eben diesem separaten Konto, auf welches er nicht zugreifen kann. Tönt vielleicht krass, weil wir erwachsen sind, doch aufgrund der Erkrankung entgleiten auch meinem Partner zusehends Kompetenzen, die er früher durchaus besass. Er ist froh und entlastet, muss er sich nicht mehr alleine um alles kümmern.


    LG Mam

  • Liebe bscmom


    Ich finde es gut, dass Du so ein heikles Thema anspricht, das wahrscheinlich in vielen Familien vorkommt.

    Bei meinem Vater war es genau gleich, es war allerdings zu der Zeit ein Tabuthema. In der Familie konnten wir es nicht in den Griff bekommen. Es führte auch zu Konflikten. Es wurde immer mehr gekauft, viele Dinge brauchten wir gar nicht, bzw. Lebensmittel konnten wir nicht immer rechtzeitig essen. Weggeben wollte er kaum etwas. Sobald im Familienleben die nötigen Anschaffungen getätigt sind, wurde es eher zu einer Belastung. Auch, da nach der Pensionierung mehr Zeit zur Verfügung steht, Günstiges und Reduziertes zu suchen. Das Kaufverhalten ging nicht "von selbst weg", wurde eher mehr. Später habe ich gelesen, dass es eine Verbindung zwischen Autismus und Messie-Syndrom gibt. Ich habe auch gelesen, dass jeder Sache, die man kauft, eine tiefere Sehnsucht zugrunde liegt. Z.B. wer viele Schreibwaren, Glückwunschkarten usw. kauft, wünscht sich Kontakte, Briefe zu erhalten, bedeutsam zu sein. Käufe für die Familie sind vielleicht auf dem Wunsch gegründet, für die Familie zu sorgen. Die tiefere Bedeutung ist wohl für jeden anders. Wie schön, dass Dein Mann bereit ist, etwas zu verändern. Das ist schon so viel. Vielleicht hilft es, zu schauen, ob hauptsächlich bestimmte Gegenstände gekauft werden. Wenn man die Bedeutung erkannt ist, kann man einen Weg suchen, die Sehnsucht anders als durch Käufe zu erfüllen. Rückblickend würde ich doch empfehlen, die eigenen Grenzen zu definieren (Platz und Geld). Wenn der Leidensdruck zu gross wird oder ihr selbst nicht weiterkommt, gibt es vielleicht geeignete fachliche Unterstützung. Ich wünsche euch auf jeden Fall, dass Ihr einen guten Umgang mit der Schnäppchenjägerei finden könnt.


    Herzliche Grüsse, Lilie