Angebot und Finanzierung der Fördermassnahmen und Therapien

  • Die Eltern beklagten sich in unseren Interviews oft über das, ihrer Meinung nach, sehr kleine Angebot an spezifischer Förderung für Kinder mit Autismus. Es gibt nur wenige Therapieplätze und Fachpersonen im Bereich Autismus, die vermittelt werden können. Oftmals sind überhaupt keine Plätze frei und den Eltern bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die Warteliste setzen zu lassen und zu warten, bis ein Platz frei wird. Für die Eltern ist es eine grosse Belastung, diese Zeit ohne Hilfe und Therapie für ihr Kind zu überbrücken, weil sie schnellst möglich ihrem Kind helfen möchten, durch die Wartefristen aber viel Zeit für die Förderung des Kindes verloren geht.Aus diesem Grund machten sich Eltern oftmals selbst daran, sich über Fördermassnahmen und Therapien zu informieren und versuchten die Massnahmen alleine oder teilweise auch mit Hilfe von Fachpersonen, die sich im Bereich Autismus auskennen, durchzuführen. Personen, die dann mit dem Kind arbeiten, mussten oftmals selber ausgebildet werden.


    Ein Vater berichtete:


    „Also die grösste Herausforderung ist eigentlich, man müsste mit dem Kind viel mehr machen, aber… es ist eine Frage der Mittel und eine Frage der Zeit, oder. Also wir haben zu wenig Menschen, die mit ihr ABA machen wollen. Auf Grund der mangelnden Therapie- und Unterstützungs- und Beratungsangebote, sind die Eltern oft gezwungen, die Förderung ihres Kindes in die eigene Hand zu nehmen oder Leute auszubilden, die mit ihren Kindern arbeiten können.“


    Und eine Mutter meinte zum Angebot an Therapieplätzen und Fachkräften:


    „Aber es gibt einfach nichts, viel zu wenige Stellen, viel zu wenige Leute, die diese Therapie machen könnten. Es gibt ja nichts. Warum müssen wir drei Studenten noch selber schulen.“


    Die Förderung des eigenen Kindes in die Hand zu nehmen, kann für Eltern sehr belastend und auch schwierig sein. Die Verantwortung für die Entwicklung des Kindes wird vollständig den Eltern zugeschoben. Wenn sich ein Kind nicht so entwickelt, wie man sich das wünschen würde, wird die Schuld oft auf die Eltern zugeschoben, sie hätten die Förderung ihres Kindes vernachlässigt. Gegen diesen Vorwurf wehrte sich eine Mutter und betonte den Mangel an Therapeuten/innen, die für das Kind da sind. Für sie ist es nicht akzeptabel, dass diese Verantwortung der Förderung vollständig auf den Eltern lastet:


    „Du bist wie der Therapeut von deinem Kind, oder, das ist auch… Ja es ist eben schon auch eine Last, wenn es heisst, du bist selber verantwortlich und das kann ich nicht akzeptieren, oder. […] Man gibt ja alles was man kann… Und manchmal auch noch mehr, zeitweise, aber... da kann man nicht sagen, wenn es nicht klappt, du warst zuwenig Therapeut für dein Kind, also, ja, da muss ich mich also wehren. oder…“


    Eine weitere Herausforderung stellte sich für die Eltern, wenn es um die Finanzierung der Förderung ihres Kindes geht. Möchte man sein Kind intensiv fördern, müssen Eltern einen grossen finanziellen Aufwand leisten. Therapien und Fördermassnahmen für Kinder mit Autismus sind von der Invalidenversicherung (IV) nicht anerkannt. Kinder, deren Eltern die nötigen finanziellen Mittel nicht aufbringen können, werden so von der intensiven Förderung ausgeschlossen.


    Eine Mutter zur Problematik mit der IV:


    „IV, oh mein Gott, die wollten das ABA nicht anerkennen. Und ja eine solche Therapie können sich sonst nicht alle leisten, denke ich. So eine intensive Therapie kostet sehr viel. Mit der IV bin ich nicht zufrieden.“


    Eine andere Mutter meinte, dass sie nicht versteht, warum in anderen Bereichen grosse Beträge ausgegeben werden, für Kinder mit Autismus aber nichts bereitgestellt wird:


    „Und dann wird es halt schon pervers. Also wenn man sich das dann überlegt, wenn man sich dann überlegt wie viele Millionen gehen in die Entwicklung von einem Medikament und die IV bezahlt Verbal Behavior nicht. Bezahlt RDI nicht. Bezahlt TEACCH nicht. Nichts.“


    Auch ein Vater beklagte, dass er alles selber organisieren und finanzieren muss und dass die finanziellen Mittel eben auch beschränkt sind, obwohl man mehr für die Förderung des Kindes ausgeben möchte:


    „Autismus ist in der Schweiz auf ganz schwachen Füssen, also dort ist alles Selbsthilfe. Entweder man hat nichts oder man holt sich eine Organisation oder eine Diagnose- und Beratungsstelle. […] Aber die machen nur etwas gegen Einwurf von Münzen, oder. Also das heisst, irgendwo sind die Mittel dann fertig. Man müsste eigentlich viel mehr machen, aber man kann nicht, ja. Heute muss ich sagen, das ganze Beratungsangebot… eben nur gegen Einwurf von Münzen. […] Also es geht alles über das Geld oder. Knall hart muss ich das feststellen. Frustriert bin ich eigentlich wegen dem, denn es wird alles über das Geld regiert, oder.“


    Eine Mutter fügte zudem an, dass es besonders schwierig ist für Eltern, wenn sie sehen, dass es Therapien und Förderungsmöglichkeiten für ihr Kind geben würde, diese aber auf Grund finanzieller Engpässe oder auch fehlender Plätze, nicht realisierbar ist.


    Diese Handlungsunfähigkeit und Machtlosigkeit ist für Eltern eine grosse Belastung. Finanzielle Unterstützung müssen sich die Eltern selber beschaffen. Eine Mutter berichtet davon, dass sie diverse Stiftungen angefragt und auch von einigen Stiftungen einen einmaligen Beitrag erhalten haben. Viele Stiftungen unterstützen die Eltern aber nicht und ausreichend sind die erhaltenen Beiträge keinesfalls. Die Finanzielle Belastung für Therapien und Fördermethoden beschreiben alle Eltern als sehr gross. Je mehr Förderung die Eltern dem Kind ermöglichen wollen, umso grösser wird der finanzielle Aufwand.


    Eine Mutter, deren Ehemann wie auch sie selber 100 Prozent arbeiten, berichtete sogar:


    „Also wir haben finanziell einen grossen Aufwand, den wir leisten müssen. Einer von uns beiden, arbeitet für unsere Tochter.“


    Wegen des Mangels an Therapieplätzen und Angeboten bleibt den Eltern oftmals nichts anderes übrig, als die von den Behörden angebotene, minimale Unterstützung anzunehmen. Diese beinhaltet allerdings nur ein bis zwei Stunden zusätzliche Förderung pro Woche. Eine Mutter meinte dazu:


    „Ich bin sehr wütend, dass wir keine andere Unterstützung erhalten und die eine Beratungsstelle, eine Stunde pro Woche, das ist lächerlich. Und die denken das ist eine Hilfe. Und deswegen empfindet man auch Wut. Und dann schicken sie einen nach Hause und sagen, mach etwas mit ihm, du kannst machen was du willst und es interessiert mich eigentlich nicht. Sie sagen nicht, dass sie nicht interessiert sind, aber sie machen nichts dagegen. Also es scheint so als würde es sie nicht interessieren.“


    Auch eine andere Mutter klagte über die fehlende Unterstützung seitens der Behörden:„Wir haben uns das ganze restliche Umfeld selber geschaffen. Wir haben nirgendwo, in keiner Behörde Unterstützung bekommen.“

  • Ich kann da Vielem zustimmen!


    Wir bemühen uns bis ans Ende unserer Kräfte und finanziellen Mitteln und bekommen von der IV nicht mehr Unterstützung, als wenn wir nichts Fördern würden.
    Und schlussendlich profitiert die IV dann, wenn unser Sohn mit 18 vielleicht etwas gruppenfähiger geworden ist und keine 1:1 Betreuung mehr braucht. Wir sparen durch unser selbstfinanziertes ABA/VB-Programm der IV Tausende von Franken!


    Wäre Philipp in einem Internat, würde er über 90'000 Franken pro Jahr mehr kosten, als er es jetzt dank unserem Einsatz kostet. Bekämen wir nur 10% dessen für die ABA/VB-Therapie, müssten wir nicht mehr dauernd jeden Franken zwei Mal umdrehen.


    Wir haben bei Pro Infirmis um Unterstützung angefragt, bekommen auch etwas, aber es war ein Riesenaufwand und für mich sehr demütigend:-(


    LG Christine

    Berner Familie mit 5 Kindern, 92/95/96/98/01 Nr. 3 Asperger Junge, Nr. 5 frühkindlicher Autist