Radio-Interview natürlich zur Thematik ‚Autismus‘

  • Wir, die Teilnehmenden der ‚autismusgruppe winterthur‘, eine stets aktive Selbsthilfegruppe für erwachsene autistische Menschen, haben ein Interview beim Winterthurer Lokalsender ‚Radio Stadtfilter‘ zu diesem ganzen Spektrum geführt.

    Anbei der Link zum entsprechenden YouTube-Video:



    Hier eine schriftliche Zusammenfassung dieses Interviews so in etwa:


    Warum leiten sie eine Autismus-Asperger-Gruppe und was hat sie dazu bewogen ???

    Antwort: Daniel

    Ich bin selber Angehöriger, Vatern einer erwachsenen autistischen Tochter.

    Das Thema geht der Familie sehr nah.

    Ich habe in Winterthur eine Angehörigen-Selbsthilfegruppe gegründet zudem habe ich in Wil SG eine Betroffene-Gruppe gegründet.

    Und dann bin ich vom damaligen Coach (Paul Heisch) angefragt worden auch die ‚autismusgruppe winterthur‘ zu übernehmen.



    Wie lebt man mit einer Autismus Spektrums Störung (ASS) ???

    Antwort: Fritz

    Ja, das ist in einer Welt die voll von Normen, Verhaltenskodexe und Konventionen ist nicht so einfach. Man wird oftmals missverstanden, zudem ist Autismus halt ein sehr breites, mannigfaltiges und umfassendes Spektrum.

    Ich muss offen sagen, das ‚Störungsbegriff‘ kann für einige betroffene Leute despektierlich klingen, medizinisch zwar korrekt aber wenn ich umgekehrt beispielsweise von 08/15spreche, tönt es ja auch mindestens als unanständig.

    Man versteht den Autismus hier in der Schweiz zu wenig im Gegensatz etwa zu Schweden oder Kanada.

    Ich habe, nicht zuletzt deshalb, im Januar 2015 die ‚autismusgruppe winterthur‘ gegründet und es war zweifellos ein Badarf hierfür vorhanden.

    Vor allem am Arbeitsplatz werden autistische Menschen gemobbt und ausgegrenzt, werden beispielsweise als ‚Träumer‘ bezichtigt, bloss weil sie manchmal als nachdenklich erscheinen.

    Viele Nichtautisten haben Angst vor unserer Andersartigkeit und Angst ist selten positiv.



    Wie wirkt sich so eine Beeinträchtigung auf euer Leben aus ???

    Antwort: Fritz

    Wir autistischen Menschen, mich natürlich eingeschlossen, empfinden ‚Autismus‘ als andersartiges Dasein auf dieser Welt.

    Oftmals müssen autistische Menschen, wohl oder übel, einen Job annehmen und verrichten, weit unter ihren kognitiven und intellektuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Auch für die Wirtschaft ist es letztendlich nicht rentabel, wenn autistische Menschen einfachste Arbeiten halt so verrichten müssen. Die Ressourcen und Kapazitäten autistischen Menschen werden hier zu Lande zu oftmals nicht wirklich ausgereizt, was den Sozialversicherungen obendrein noch teurer zu stehen kommt.

    Ich bin überzeugt, wenn man autistische Kinder besser früherfassen könnte, würde es beispielsweise der IV letztendlich weniger kosten.

    Gerade jetzt in der Corona-Lockdown-Zeit sind die fehlenden sozialen Kontakte ein Riesenproblem. Um die sozialen Kontakte wieder herzustellen, so gut es halt geht, wurde im Sommer 2020 eine Autismus-Wandergruppe ins Leben gerufen, eben gerade deshalb, dass die Decke den betroffenen Menschen nicht auf den Kopf fällt. Diese Gruppe wird rege benutzt, weil gerade auch autistische Menschen den so wichtigen Kontakt untereinander suchen.



    Was zeichnen solche Menschen besonders aus und von welchen Gaben sind sie fasziniert ???

    Antwort: Daniel

    Aus meinen Erfahrungen geht man in der sorg- und achtsam miteinander um. Gerade diese Tatsachen zeichnen unsere Gruppe so ganz besonders aus. Wir sind unglaublich sorgfältig und sozial.

    Mich fasziniert wie gerne viele in die Gruppe kommen. Das Zusammensein von Gleichgesinnten mit ähnlichen Eigenschaften und möglicherweise auch Vorlieben ist da entscheidend.

    Autistische Menschen sind klar Experten in der eigenen Sache - sie wissen worum es geht.

    Autistische Menschen sind grundehrlich und lügen nicht, haben einen grossen und ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ertragen Unordnungen kaum, haben Mühe mit unlogischen Massnahmen und Regeln, insbesondre im Lockdown-Regime.

    Viele autistische Menschen haben ausgeprägte Spezialinteressen, sind oftmals in einem Gebiet sackstark, kann durchaus für andere faszinierend sein.

    Beispielsweise sind bei unseren Leuten Spezialinteressen in der Fledermauskunde, in der Botanik, in der Geografie und in der Astronomie zu finden.



    Was möchten sie unserer Hörer mit auf den Weg geben in Bezug Asperger-Autismus ???

    Antwort: Fritz

    Wichtig ist einfach, dass man den autistisch auftretende Mensch mit Toleranz und Würde begegnet und NICHT, vorurteilbehaftet, mal defizitorientiert über ihn denkt.

    Insbesondere geht es gar nicht an, einen autistischen Menschen der im Kopfrechnen und in der Mathematik sehr gut ist, mal, arrogant abwertend, beispielsweise als einen ‚Kalenderidioten‘ zu bezichtigen.

    Gerade jetzt in der Corona-Krise zeigt es sich ganz besonders, mit einem Miteinander kommt man weiter.

    Daniel meint, Asperger-Autisten haben oftmals sehr feine Antennen und ein besonderes Sensorium für Ungereimtheiten, dies kann auch dazu führen, dass sie ein Zuviel aufnehmen und dies zu einer Reizüberflutung, zu einem Overload führen kann.