Diagonse Austimus bekommen

  • Guten Morgen,


    Ich habe am Dienstag die Diagsone Austimus bekommen. Ich bin erwachse. Frage mich halt so einige sache, wieso wurde das nicht früher fest gestellt.


    Wie geht Ihr damit um? War es am anfang au schwer für euch? Wäre nett wenn ich einwenig Berichte lesen könnte.


    Weiss momentan nicht wie damit umgehen.

  • Hallo LuceDelSole


    Die Tatsache, dass du die Diagnose spät bekommen hast, scheint mir darauf hin zu weisen, dass du bisher recht gut durchs Leben gekommen bist, und dass erst eine gewisse Mangelerscheinung (vielleicht das Gefühl, dass du anders bist als die Andern) dich veranlasst hat herauszufinden, was es sein könnte.


    Ich selbst bin auch sehr spät darauf aufmerksam geworden, und zwar als ich einen Autisten in einem Ferienlager betreuen sollte. Der Lagerleiter machte eine interessante Aussage - er sagte nämlich "Wir alle sind irgendwo auf dem Spektrum!", was mich veranlasste, mal zu googeln, was es dazu gibt. Da fand ich dann den bekannten Online-Frage-Test, bei dem ich mit einer Punktezahl abschnitt, die eine Abklärung empfahl.


    Als ich später eine auf Autismus-Abklärungen spezialisierte Psychiaterin anfragte, wollte sie zuerst wissen, was ich mir denn von einer Diagnose verspräche. Meine Antwort war, ein besseres Verständnis meiner selbst und besser zu verstehen, wie andere Menschen "funktionierten". Letzteres verstehe ich immer noch nicht so genau, aber Ersteres hat mir viel gebracht, um Phasen meiner Lebensbewältigung besser einordnen zu können, vor allem meine Schwierigkeiten mit der Sozialisierung in meiner Adoleszenz.


    Ich hatte meine Schwierigkeiten bis dahin auf andere Faktoren zurückgeführt. (Ich war in ein katholisches Gymnasium gegangen, das derart zeitabsorbierende Pflichten vorschrieb, dass kaum Zeit für ein Eigenleben blieb, geschweige denn Aufbau von persönlichen Beziehungen. Ausserdem hatte ich besonders traumatisierende Erfahrungen nicht aufarbeiten können, was mich in eine zunehmende Depression und verzweifelte Sinnsuche führte. Im Rückblick bin ich froh, diese Zeit der tiefen Verzweiflung überlebt zu haben - angesichts der Tatsache, dass Schulfreunde sich ihr Leben nahmen. Mir half damals die Lektüre von Hermann Hesse und von Michel de Montaigne...)


    Wie kannst du jetzt mit deiner Diagnose umgehen? Zuallererst, nimm sie nicht so wichtig. Du hast ja gut auch ohne sie überlebt, also bist du schon mal auf dem richtigen Weg mit dir selbst.


    Meine Psychiaterin sagte mir einen wichtigen Satz: Die Diagnose nicht als Entschuldigung benutzen! Dieser Satz zeigt unterschiedliche Aspekte auf: Einerseits nicht eigene Fehler damit "entschuldigen", andererseits nicht andern gegenüber die Diagnose als Begründung von irgend was anführen! Andere verstehen dich kaum besser, nur weil du vielleicht sagst, du hättest eine Diagnose im Autismus-Spektrum. Die meisten Leute haben ein sehr diffuses Verständnis davon, was das bedeuten könnte. Das ist natürlich anders bei einem Kind, das früh eine Diagnose bekommt. Da wird es wohl wichtig sein, dass die Lehrpersonen eingeweiht sind...


    Ich frage mich manchmal auch, was ich wohl anders gemacht hätte, wenn ich das früher gewusst hätte. Ich denke, ich wäre weniger mutig gewesen, einfach Entscheidungen zu treffen und eingeschlagene Wege durchzuziehen. In diesem Sinne kann die Diagnose tatsächlich eine Behinderung sein. Vielleicht aber hätte ich auch bestimmte Fehler nicht gemacht - wer weiss? Letztlich ist es eben so, wie es ist - besser nicht daran herumkauen.


    Wichtig für dich also jetzt: Sags nicht am Arbeitsplatz, und einem/einer Intimpartner/in nur sehr vorsichtig, vielleicht zunächst als Möglichkeit formuliert. Nimm es also nicht als Definition deiner selbst, sondern als Ansicht von jemand anderem so im Vorübergehen.


    Fazit: Schau, wo es dir in deinem Selbstverständnis hilft, und wo es dir (in deinem Selbstverständnis und deinem sozialen Umfeld) eher abträglich ist!