Integration und Förderung im Kindergarten (atypischer frühkindlicher Autismus)

  • Guten Morgen liebe Community


    Bin ganz neu hier und suche aktuell etwas Unterstützung. Ich begleite einen 5 Jährigen Jungen im Kindergarten als Individualbegleitung.

    Der Kindergarten ist leider nur bedingt inklusiv und ich stehe aktuell vor einigen kleineren Problemen. Ich fang einfach mal an -


    Der Kleine ist in einer sehr jungen Gruppe, da man das Gefühl hatte, er würde dort besser rein passen. Nun soll er nächstes Jahr schon in die Schule kommen und ich sehe es nur als bedingt hiflreich, dass er wenig bis gar keinen Kontakt zu Gleichaltrigen hat. Die Begründung war, dass es in der jüngeren Gruppe ruhiger ablaufen würde, was ich so nicht bestätigen kann. Auch da ist es immer sehr laut und chaotisch. Er konzentriert sich dann auch überwiegend auf die Kleinsten (max. 3 Jahre alt) und wird von den Älteren eher ausgeschlossen.

    Er hat zwar kein großes Interesse daran, mit anderen Kindern zu spielen, jedoch sucht er dann häufig starken Körperkontakt zu den ganz Jungen, welche dann schnell überfordert sind.

    Meine Idee war jetzt ggf. einen kindgerechten Vortrag vorzubereiten um den anderen Kindern zu erklären, was genau er hat und wieso man ggf. etwas Rücksicht auf ihn nehmen sollte. Er mag besonders Züge und Autos und die anderen Kinder wollen ihm diese dann schnell abnehmen, wodurch er sehr unruhig wird.

    Da wäre meine erste Frage - wie sinnvoll ist das? Kann das vielleicht den Umgang mit ihm etwas erleichtern?


    Das zweite "Problem" ist das Mittagessen. Die Mutter wies mich bereits darauf hin, dass er nur sehr wenige Dinge isst, was ja nicht ungewöhnlich ist. Nur lehnt er auch Mahlzeiten ab, die er sonst zu Hause essen würde (bspw. Fischstäbchen, Reis oder Pizza)

    Er geht bereits mit einer kleineren Gruppe hoch in die Küche, da es dort etwas ruhiger ist und er nicht von so vielen Kindern umgeben ist. Trotzdem wirkt er dort immer sehr unruhig und lehnt wie gesagt prinzipiell jedes Essen ab. Die Mutter möchte dies auch nochmal in der Autismus-Therapie ansprechen.

    Hier nun zur zweiten Frage - wäre es sinnvoll in dem Fall mit ihm alleine zu essen? Möchte ihn aber natürlich nicht zu sehr separieren.

    Ich würde es die nächsten Tage nochmal probieren ihm das Essen anzureichen, da die Mutter meinte, das würde zu Hause auch helfen. Ich glaube, er brauch aber allgemein noch etwas Zeit da er vor meiner Begleitung kaum im Kindergarten war und sich deshalb vielleicht noch etwas an den Ablauf gewöhnen muss. Er hat oft Obst dabei, welches er auch essen würde, aber die Erzieher möchten eigentlich nicht, dass er etwas anderes isst als die anderen Kinder. Was ich etwas paradox finde, da ich letztens ein Gespräch überhört habe, bei dem über ein anderes Kind gesprochen wurde, welches einen eigenen Speiseplan erhält, da es vollständig vegan isst. Verstehe da nicht, wieso das für ihn nicht möglich ist, denn es gibt beinahe täglich Nudeln, welche er überhaupt nicht mag.


    Und nun zu meiner letzten Frage - ich suche parallel nach Praxisbüchern für die Integration von autistischen Kindern im Kindergarten mit spielerischen Förderungsmöglichkeiten - habt ihr da vielleicht persönliche Empfehlungen?


    Das war jetzt ziemlich viel Input. Falls irgendwelche Informationen fehlen, fragt gerne nach! Freue mich über jede Unterstützung, da er meine erste Begleitung mit Autismus ist.


    Vielen Dank im Voraus und euch allen noch eine schöne Woche! ♥️

  • Hallo Cliodhnah


    Ich schreibe dir als Mutter eines ASS-Jungen.


    Mich freut es sehr, dass du dich so umfassend diesem Jungen annimmst und ihn im Kindergartenalltag unterstützt. Grundsätzlich möchte ich etwas zur Integration sagen. Bei einem solchen Jungen geht es meiner Meinung nach in erster Linie darum, Teilhabe zu ermöglichen, dort wo das für den Jungen möglich ist. Integration als Gleichschaltung verstanden, bei der man einige Dinge etwas anpasst, wird dem Jungen und der Sache nicht gerecht. Ich würde auch dafür plädieren, mit wenigen und kürzeren gemeinsamen Aktivitäten beginnen und langsam mehr aufbauen, als das Kind und das System zu überfordern.


    1. Die Aufklärung der Kinder finde ich sehr wertvoll. Häufig wird dann nicht von der Diagnose gesprochen, sondern vom Anders-Sein. Ich selbst fand folgendes Video eindrücklich: Erstaunliche Dinge geschehen - - Bing video . Die Kinder können in der Regel sehr gut mit der Andersartigkeit eines Kindes umgehen, wenn sie etwas verstehen, warum sie anders reagieren und wie sie damit umgehen können. Die Einteilung in die Gruppe der älteren Kinder könnte eine gewisse Erleichterung darstellen. Bei meinem Sohn lösten jüngere Kinder Verunsicherung aus, da ihre Reaktionen weniger durchschaubar waren. Der Junge mit ASS braucht unbedingt sein Spielzeug, das ihm nicht weggenommen werden darf. Das gibt ihm Sicherheit. Wissen die anderen Kinder darüber Bescheid, ist das kein Problem mehr.


    2. Der Morgen im Kindergarten ist für ein ASS-Kind sehr anstrengend und hat schon genug sozialen Input gegeben. Es braucht anschliessend unbedingt einen ruhigen, sicheren Ort, um sich regenerieren zu können. Von daher würde ich anfangs ein Einzelsetting beim Mittagessen bevorzugen. Kann er dann noch das von zuhause Mitgebrachte essen, gibt es ihm Sicherheit. Es kann auch helfen, wenn er immer den gleichen Platz mit dem gleichen Gegenüber hat. Mit der Zeit hat er ev. so viel Sicherheit, dass er auch anfangen kann, die Speisen vor Ort zu essen. Alle Forderungen, möglichst wenig Extrawürste zu haben, bringen nur Stress und entsprechen nicht der Realität eines ASS-Kindes. Es kann sich nicht anpassen, es ist mit Überleben beschäftigt.


    3. Da kann ich nicht viel dazu sagen. Ich könnte mir vorstellen, dass das Anregen für gemeinsames Spiel bereits eine Überforderung ist. Nur schon den Kindergartenmorgen mit allen Reizen und Abläufen zu überstehen, ist Herausforderung genug. Da braucht es gar keine zusätzliche Animation, das Spiel (wenn auch monoton) mit dem bevorzugten Spielzeug reicht vollkommen.


    Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen. Ich wünsche dir viel Freude mit dem Jungen und Durchsetzungsvermögen gegen die fixen Ideen von Integration.