Fasziniert davon, Dinge kaputt zu machen

  • Hallo alle zusammen,


    hat jemand praktische (pädagogische) Tipps bzgl. der Problematik, dass ein Kind aus dem Autismus-Spektrum gerne Dinge kaputt macht? Konkretes Beispiel im Falle des von mir geförderten - ich bin Einzelfallhelfer sowie in der Beratung u.a. von Eltern tätig - 5-jährigen Jungen: macht zum Beispiel gerne auf Spielplätzen Sandburgen anderer Kinder kaputt. Hieraus entstehen natürlich soziale Konflikte. Insofern würde ich die Verhaltensweise als herausfordernd beschreiben. Ich werde mit der Zeit also Lösungsansätze entwickeln müssen.


    Kurz dazu, wie ich die Sachlage einschätze, am Beispiel der Sandburgen:


    Es geht dem Jungen NICHT darum, einem anderen Kind durch das Zerstören der Sandburgen zu schaden. (Dies könnte höchstens sekundär eine Rolle spielen, dann aber auch nicht im Sinne von „Schaden Wollen“, sondern vermutlich insofern, dass der Junge mit der Zeit eine gewisse Faszination für die durch sein Handeln ausgelöste Reaktion der anderen Kinder entwickelt. Hier wäre die Funktion des Verhaltens also: interessante Reaktionen Auslösen.) Primär handelt es sich meiner Ansicht nach aber um stereotypes bzw. repetitives Verhalten, das sich für den Jungen gut und evtl. beruhigend anfühlt, da kontrollierbar, vorhersehbar etc. Auch muss das Gefühl des Kaputtgehens sich einfach befriedigend anfühlen. (Dies kann ich persönlich sogar nachempfinden ;) Wer mag schon nicht zusammenstürzende Kartenhäuser usw.) Mit der Zeit verfestigt sich die Verhaltensweise dann immer mehr, wird zunehmend zur Routine (und dann immer schwerer abzubauen). Hinzu kommt vermutlich die von mir schon häufig bei autistischen Kindern beobachtete Schwierigkeit, dass wenn das Kind sich eine Handlungsweise in den Kopf gesetzt hat, diese Handlung gewissermaßen „zwanghaft“ ausgeführt werden muss. Sobald der Impuls da ist beim Anblick einer errichteten Sandburg, wird die Handlungskette vermutlich losgetreten.


    Bzgl. Lösungsideen wäre es meiner Einschätzung nach aktuell noch zu früh, am Verständnis für die soziale Perspektive der anderen Kinder – "traurig und wütend über zerstörte Sandburg" etc – zu arbeiten. Grundsätzlich sollte hieran flankierend natürlich gearbeitet werden. Als Lösungswege fallen mir aktuell daher spontan Dinge ein wie:


    -Herausnehmen aus der Situation, Ablenken (und damit die angesprochene Handlungskette zu durchbrechen versuchen);


    -Eine sozial verträgliche Alternative zum Kaputtmachen anbieten, d.h. irgendwas was mitgetragen und immer wieder zusammengesetzt und kaputtgemacht werden kann, um das Bedürfnis zu befriedigen


    -Evtl. materiell Belohnen der erwünschten alternativen Verhaltensweise. Ein Tokensystem würde ich aktuell noch als zu abstrakt einschätzen, daher vielleicht lieber eine kleine direkte Belohnung. Zum Beispiel mag das Kind gerne Obst. Eine direkte Belohnung könnte daher zum Beispiel eine Weintraube sein. Alles natürlich flankiert von sozialer Zuwendung, mündlichem Lob etc.


    -Vorausschauend handeln, d.h. das Bedürfnis des Kaputtmachens (mithilfe der angebotenen verträglichen Alternative) im Vornherein befriedigen.


    -Erwartungen an Verhalten gegenüber dem Kind visuell unterstützt vermitteln, beispielsweise in Form einer kleinen Alternativendarstellung („Sandburgkaputtmachen“ durchgestrichen und in rot, erwünschte Verhaltensalternative offen und in grün). Ist aktuell aber noch zu früh, denke ich. Zugang zum Visuellen erst ab demnächst, nachdem mit Talker angefangen wurde.


    -Wie wäre es mit einer direkt erfolgenden negativen (und gewissermaßen natürlich-logischen) Konsequenz bei Zeigen der unerwünschten Verhaltensweise? Sprich: man verlässt den Spielplatz. Eine solche Maßnahme wohlgemerkt erst, nachdem alle positiven Maßnahmen eingeführt und halbwegs etabliert sind.




    Bisschen was habe ich mir also selbst schon erarbeiten können. Hat jemand aber eventuell noch zusätzliche Erfahrungen und Tipps? Oder auch Bekräftigung meiner Punkte bzw. eine andere Sicht auf einzelne Punkte?



    Schon einmal vielen Dank!



    Manuel Glüer

  • Grüezi Herr Glüer


    Ich habe Ihren Beitrag erst heute gesehen, darum meine späte Antwort. Leider habe ich, wieder einmal, keine Patentantwort für Sie. Was mir durch den Kopf ging: Könnte es auch sein, dass der Junge versucht, Kontakt mit dem anderen Kind aufzunehmen und mit ihm zu spielen, aber nicht weiss, wie er das anstellen soll? Der nächste Gedanke: Sandburgen kaputtmachen ist ein Verhalten bei Kleinkindern. Ist der Junge allenfalls emotional in solchen Situationen im Kleinkindalter (Stichwort: Entwicklungsverzögerung)? Was natürlich schwierig wäre, dem anderen Kind zu vermitteln. Es hätte vielleicht Verständnis dafür, wenn ein einjähriges Kleinkind die Sandburg kaputtmacht, aber zu erklären, dass ein Fünfjähriger das macht... Zumal man ja im Beisein des Fünfjährigen genau abwägen sollte, was man sagt, denn man möchte dem Kind ja nicht vermitteln, dass mit ihm etwas nicht stimmt.

    Ich würde darum erst einmal versuchen, solche Situationen vorauszusehen und das Kind abzulenken, wenn das möglich ist. Falls sich eine Gelegenheit bietet, das Kind anleiten, wie es konstruktiv mit dem anderen Kind spielen kann. Sofern das andere Kind das mitmacht und sich darauf einlässt.

  • Hallo Omega,


    kein Problem! (Das mit der fehlenden Patentantwort. Die gibt es ja in der Tat nie). Insgesamt fühle ich mich grundsätzlich bestärkt, den oben beschriebenen Weg zu gehen. Gleichzeitig bringen Sie hier noch interessante Aspekte mit rein, die ich von nun an auch berücksichtigen werde. Ich denke nämlich, Sie haben Recht damit, dass es darum gehen muss, dem Kind Wege zu zeigen, wie es denn überhaupt gut und schön sozial mit den anderen Kindern umgehen kann. Denn diesen Wunsch hat es in der Tat, das spüre ich hier und da ganz klar bei ihm. Andersrum interessanter Einwand, dass man auch bei den anderen Kindern versuchen sollte, für Verständnis zu sorgen. All dies spielt sich vor allem übrigens im Kita-Rahmen ab. Insofern gibt es da einen klar strukturierten sozialen Rahmen, sodass man die ganzen Kinder gut briefen kann sowie einzelne Spielsituationen gezielt zusammen trainieren kann.

    Inzwischen hatten wir übrigens mal ne Situation, wo das Kind ganz einfach neben die Burg eines Kindes toll eine eigene Burg gebaut hat (und diese dann natürlich kaputtmachen durfte). Und dann hätte man natürlich eine sehr akzeptable positive Alternative. Meiner Meinung nach schimmerte da auch schon auch ein Gefühl für das Konzept von meins/deins (ohne Verständnis für Begrifflichkeit vermutlich) durch bzw. es wird gleichzeitig trainiert. Gleichzeitig hat die Szene meiner Meinung nach aber auch ein bestimmtes Maß an Impulskontrollfähigkeit gezeigt, sodass man diese bei entsprechender Unterstützung mit der Zeit auch immer mehr erwarten wird können.


    Danke mal wieder für die Antwort und einen schönen Tag noch!


    MG