Wie sehr werden Geschwister durch ein Asperger-Kind beeinflusst oder beschränkt?

  • Ihr Lieben,


    ich bin 45 Jahre alt und seit ich eine Jugendliche war, kam mir mein Bruder immer sehr sehr komisch vor. Seit zwei Jahren weiß ich, dass dieses Komisch-Sein einen Namen hat – ehemals Asperger, nun Autismus-Spektrum-Störung, wobei ich mir mit dem Begriff Asperger noch einfacher tue.


    Mein Bruder, er ist knapp 50 Jahre alt, ist nicht in der Lage, unserer alten Mutter ihr Schmerzpflaster zu wechseln; er hängt eine verschwitzte, stinkende Jacke in einen engen Schrank, wo saubere Kleidung aufbewahrt wird; im Sommer bei über 30 Grad liegt er am Abend bei geschlossenem Fenster mit einer Decke auf der Couch; wenn er gut drauf ist, wiederholt er einzelne Sätze bis zum Umfallen, wenn er schlecht drauf ist, ist er aggressiv – vor allem unserer 85-jährigen Mutter gegenüber. Ich hätte mich schon viel mehr vom Elternhaus gelöst, kann es aber nicht, da er und meine Mutter alleine hier wohnen (mein Vater ist vor elf Jahren gestorben und auch zu ihm war er äußerst aggressiv). Weil er so mit ihr umgeht (kleiner Exkurs: Als ich vor einigen Jahren eine Woche verreiste, weinte sie, weil sie mit ihm alleine bleiben musste) – also weil er so mit ihr umgeht, bin ich viel öfter hier als ich es eigentlich wollte. Ich kann sagen: Er, aber auch meine Mutter, die eine Angststörung hat, haben mein Leben sehr beeinflusst (oder ich habe mich beeinflussen lassen).


    Als ich davon erfuhr, dass mein Bruder Asperger ist, konnte ich ihn viel besser akzeptieren und sah auch viel mehr Gutes in ihm. Zurzeit gelingt es mir leider nicht, viel Gutes zu sehen und ich empfinde das Leben mit ihm vor allem als anstrengend und einschränkend.


    Was für mich auch schwierig ist: Ich bin zwar in einer Angehörigen-Gruppe, aber dort sind nur Eltern von recht jungen Kindern im Spektrum. Ich habe auch schon Geschwister-Berichte gefunden, aber diese Geschwister sind noch so jung, maximal 13 Jahre alt. Ich suche also Austausch mit erwachsenen Geschwistern. Es würde mich interessieren, ob ihr Leben auch so sehr durch das ASS-Geschwisterkind beeinflusst wurde, wie meines.


    Liebe Grüße von der kleinen Schwester


    P.S.: Es gibt bei uns auch noch eine ältere Schwester, aber erstens lebt sie seit vielen Jahren weit weg im Ausland und zweitens hat auch sie ein großes Päckchen: Sie ist trockene Alkoholikerin.