Hallo zusammen
Ich stehe vor der Abklärung und bin auf der Suche nach Fachstellen, die sich mit der Diagnose von erwachsenen Frauen auskennen. Hat jemand hier gute Erfahrungen gemacht? Ich wäre sehr dankbar für Tipps und Adressen.
Ich bin 30 Jahre alt. Nachdem ich 2020 nach meinem Burnout die Diagnose ADHS bekam, schlug mir meine Psychiaterin zudem eine Autismus-Abklärung vor. Zum Hintergrund: Ich habe auch eine Essstörung und kämpfe seit ich 10 Jahre alt war immer wieder mit Depressionen. 2019 hatte ich zudem ein Burnout, aus dem ich nie wirklich wieder rausgekommen bin.
Ich brauchte lange, um mich mit dem Gedanken "anzufreunden" und lehnte ihn zunächst ab. Ich hatte damals (wie leider viele Menschen) ein sehr eingeschränktes Wissen und Verständnis von Autismus - ich wusste nicht, dass es ein Spektrum ist, dass jede autistische Person unterschiedlich ist und sich Symptome bei unterschiedlichen Geschlechtern und im Erwachsenenalter anders zeigen. Mein Bruder ist autistisch, er bekam seine Diagnose schon als Kind. Er ist auch geistig beeinträchtigt und mir wäre nie in den Sinn gekommen, mich mit ihm zu vergleichen oder zu denken, dass ich wie er auch autistisch sein könnte.
Je mehr ich mich aber mit Autismus beschäftige, desto mehr verstanden fühle ich mich das erste Mal in meinem Leben und lerne unglaublich viel über mich selber und meine Schwierigkeiten. Das ist gut und schlecht: Je mehr ich weiss und verstehe, desto mehr kann ich für mich selbst einstehen, lerne nein zu sagen ohne grosse Scham- und Schuldgefühle und zwinge mich nicht mehr ständig zu Dingen, die mich überfordern (wo ich alles mache, damit andere sich wohlfühlen und ich nachher dafür zuhause zusammenbreche). Auf der anderen Seite ist es für meine Familie und mein Umfeld schwierig, da ich eben zum ersten Mal in meinem Leben meine Bedürfnisse vor oder zumindest auf die gleiche Ebene wie diejenigen der anderen stelle. Ich liebe meine Familie, aber es muss zumindest nach aussen immer alles perfekt sein und wenn das nicht der Fall ist, ist es falsch, muss verbessert werden oder braucht einen Grund. Ich glaube, eine Diagnose würde (auch) ihnen helfen. Ich sehe das bei meinem Bruder - er bekam die Diagnose Autismus als Kind und er wird akzeptiert, so wie er ist. Sein Verhalten hat ja einen Grund.
Meine Psychiaterin würde mich direkt für die Abklärung anmelden, wenn ich mich dafür entscheide. Ich bin jetzt eigentlich so weit dass ich das machen möchte / weiss, dass ich muss. Ich brauche unbedingt Hilfe, ich stecke fest in meinem Leben und kämpfe immer noch mit meinem Burnout. Ich hatte mehrere kleine Jobs seither aber konnte sie nie lange halten. Ich lebe in einer Wolke von überwältigenden Schamgefühlen und Überforderung bei grossen aber auch kleinen und alltäglichen Dingen und merke einfach immer mehr, dass ich einfach nicht das leisten kann, was andere können. Obwohl ich z.B. einen hohen IQ habe und mich in der Vergangenheit sogar durch ein Studium gebissen habe.
Ich zögere aber trotzdem noch, obwohl ich mir das Warten eigentlich überhaupt nicht leisten kann. Ich habe einfach Schiss, an jemanden zu geraten, der keine Erfahrung mit der Diagnostik von Erwachsenen hat.
Ein Bekannter machte erst vor ein paar Jahren die Erfahrung, dass er als Erwachsener (24) bei seiner kantonalen Anlaufstelle schon direkt beim Eintrittsgespräch abgewiesen wurde, weil er der Fachperson in die Augen schauen konnte und sagte, dass er Menschen in seinem Leben hat, die er als Freunde bezeichnen würde. Er erklärte, dass es ihm zwar unangenehm ist, jemandem in die Augen zu schauen und er Schwierigkeiten hat zu merken, wann er wieder wegschauen soll, wohin genau er schauen soll, dass er nicht prozessieren kann was die Person sagt, während er ihr in die Augen schaut und vor allem auch, dass er Augenkontakt mit der Zeit eben gelernt hat, um nicht negativ aufzufallen usw... aber es blieb dabei. Er kann keinen Autismus haben, weil er Freunde hat und Menschen in die Augen schauen kann. Punkt.
Ich frage mich dann einfach, wie nach dieser Logik überhaupt eine Person im Erwachsenenalter diagnostiziert werden kann. Jemand der anderen Menschen NIE in die Augen schaut und NIE Freunde hat usw. würde doch sicher schon früher auffallen. Trotzdem bekommen viele Menschen erst spät eine Diagnose. Diese müssen ja irgendwie gelernt haben, wie sie ihre Symptome bewusst oder unbewusst "verstecken" oder eben maskieren und sich anpassen können, bis es dann an einem Punkt eben nicht mehr geht. Dann erst sieht man von aussen, dass etwas anders ist und falls man Glück hat, werden die richtigen Schlüsse daraus gezogen.
Mist, dieser Beitrag ist so lange geworden, tut mir leid!!
Eigentlich wollte ich nur fragen, wie die Abklärung bei euch (Erwachsenen) lief und ob ihr das Gefühl hattet, in guten Händen zu sein.
Wenn ja, wo hat euch eure Ärztin / Psychiater angemeldet? Habt ihr selbst nach Diagnostik-Fachpersonen gesucht?
Hatte die Person Erfahrung mit der Diagnostik von erwachsenen Frauen?
Ich wäre extrem froh um Tipps und Adressen! Ich lebe im Kanton GR, bin aber bereit dafür auch weiter zu fahren. Leider habe ich habe vom Spital Chur und der KJP Graubünden eher wenig Gutes gehört... Hat jemand da andere Erfahrungen gemacht?
Vielen Dank für eure Zeit und Antworten!
Petra
PS:
Ich habe mir den Beitrag nochmals durchgelesen und denke, es könnte so rüberkommen, als wäre ich mir 100% sicher dass ich Autistin bin und wolle ich unbedingt eine Autismus-Diagnose bekommen (was ja Erwachsenen leider oft so vorgeworfen wird). Das stimmt so nicht!
Beim Thema Autismus fand ich Antworten, die Schwierigkeiten in meinem Leben besser beschreiben, als ich das jemals selbst konnte. Wenn mir eine Fachperson der ich vertraue aber erklärt, dass ich nicht autistisch bin und mir sagen kann, woher meine Schwierigkeiten sonst kommen könnten, nehme ich dies natürlich an!
Was ich im besten Fall möchte, ist eine Fachperson, die sich in meinem spezifischem Fall gut auskennt (Autismus bei erwachsenen Frauen). Bei einem Herzinfarkt gehe ich auch nicht zu meinem Gynäkologen oder zur Kinderärztin, obwohl alles Ärzte und damit Fachpersonen für Medizin sind. Gut, der Vergleich hinkt vielleicht ein bisschen aber ich hoffe ihr wisst, was ich meine. Ich glaube ich könnte einer Fachperson, die 95% Jungen bis 10 Jahre abklärt, in meinem Fall einfach nicht richtig vertrauen...