Meltdowns: Langfristiger Umgang als Eltern

  • Hallo zusammen,

    Als Frage an Eltern mit Kindern im ASS-Spektrum: Habt ihr Ratschläge, wie ihr längerfristig gesehen einen Umgang mit Meltdowns finden konntet?

    Ich bin Vater eines 5,5-jährigen Sohnes, welcher gerade mit ASS diagnostiziert wurde. Die Symptome wie Wutausbrüche in Begleitung mit heftigem Schlagen und Beschimpfen traten nach seinem 3. Geburtstag auf. Grundsätzlich bin ich mir bewusst, dass er sich in diesen Momenten nicht kontrollieren kann und ich dies nicht persönlich nehmen soll. Seinerseits haben wir nun auch die therapeutische Arbeit mit einem Kinderpsychiater begonnen, damit er hier einen anderen Umgang mit seinen Emotionen finden kann.

    In letzter Zeit stelle ich bei mir selbst vermehrt fest, dass dies nicht spurlos an mir vorbei geht. Nach 2,5 Jahren täglich gehauen und beschimpft zu werden geht dies mir zunehmend nahe. Auch fühle ich eine permanente Anspannung, immer in Erwartung des nächsten Ausbruchs. Dies kann auf Dauer kein gesunder Zustand sein.

    Habt ihr Ratschläge und Erfahrungen, wie ihr damit umgegangen seid? Welche Wege habt ihr gefunden, langfristig emotional damit umzugehen? Was hat euch geholfen, einen gelassenen Gesamtzustand zu finden?

    Vielen Dank & Grüsse

  • Hallo

    Unsere Tochter im AS ist genau gleich alt.

    Wir haben die Erfahrung gemacht das sich Meltdowns reduzieren, wenn wir unser Kind anders führen. Weniger Aktivitäten, bewusste "angeortnete" Pausen oder das steuern von Medien. Damit meine ich, gezielt Dinge anbieten die nicht aufwühlen, Spannung erzeugen oder ähnliches. Sondern eher etwas beruhigendes. Auch ganz wichtig ist die Umgebung im KIGA. Ist die Begleitung liebevoll, achtsam und kann sich unsere Tochter genügend zurückziehen und entspannen, kommt sie weniger in einen Meltdown. Dazu gehört auch das sie ein reduziertes Pensum hat das erst aufgestockt wird, wenn dies für sie möglich ist und zu keiner destabilisierung Zuhause führt.

    Auch die Ampel hat uns geholfen.

    Grün: gutes Verhalten, tolle Leistung usw

    Orange: Achtung, was du machst ist nicht ok. Machst du weiter ist es Rot

    Rot: Dieses Verhalten ist nicht tolerierbar

    Dies hat dazu geführt das sie verschiedene Verhalten einordnen und benennen kann. So erkennt sie auch schlechtes Verhalten als solches. Ich weiss nicht ob ich dies jetzt genügend erklärt habe. Jedoch hilft es ihr irgendwie, schneller aus Rot oder Orange, auf Grün zu wechseln.

    Etwas anderes was wir machen in diesen Momenten, ist sie einfach in den Arm zu nehmen und fest zu halten. Auch dies hilft manchmal. Aber wir haben gemerkt das kreativität gefragt ist. Was das letzte mal funktioniert hat, muss meim nächsten mal nicht auch funktionieren. Das macht es nicht gerade einfacher.

    Viel helfen uns die kostenlosen Betratungsgespräche bei der Nathalie Stiftung. Diese bieten sie für Betroffene und Familienangehörige an. Das kann ich allen wärmstes empfehlen. Die Kosten werden durch Spenden und die Stiftung getragen.

    Ich hoffe das dir das eine oder andere weiterhilft.

    Viel Kraft, Geduld, gute Leute um euch rum und Kreativität wünsch ich dir.

  • Meine Tochter (16) hat die Diagnose erst gerade bekommen. Sie hat Kindergarten und Primarschule unerkannt in der Regelschule mit gemacht - die Meisterin im maskieren. Das stille Kind das immer dabei ist, gute Noten schreibt und mündlich nicht so toll ist. Kein Grund für irgendwelche Abklärungen. Die Oberstufe ist dann zur Katastrophe geworden.

    Wir haben ohne es zu wissen Strategien entwickelt die helfen können einen Meltdown gar nicht erst entstehen zu lassen. Grundstäzlich gilt es Stress zu vermeiden. Bei meiner Tochter ist Stress = Kopfschmerzen = nichts geht mehr. Tönt einfach, hat aber bei pubertierenden Mädchen so seine Tücken. Ein Meltdown äussert sich bei ihr durch schreien, Türe zu knallen und ins Zimmer verschwinden wo sie dann das Kopfkissen malträtiert. In dieser Situation lässt sie niemand an sich heran. Ich lasse sie dann eIne Weile in Ruhe, mache dann aber das Angebot mit ihr zu reden wenn sie möchte. In der Vergangenheit hat sie auch schon mal Plüschtiere herum geworfen - und sich danach bei ihnen entschuldigt. Versucht für den Anfang mal heraus zu finden was Stress auslöst der dann zu einem Meltdown führen könnte. Oft lässt sich der Auslöser dann vermeiden und einen Meltdown damit gar nicht erst entstehen.

    Meine Tochter hat auch eigene Strategien entwickelt. Unterwegs hört sie immer mit ihren Kopfhöhrern (noise canceling) Musik. Sie hat eine eigene Playlist auf dem Handy. Nun ja, daheim muss manchmal die ganze Familie mit hören - in voller Lautstärke natürlich. Zum Glück hat sie keinen besonders speziellen Musikstil und ist damit für uns erträglich. In der Regel macht sie aber nach einer Weile leiser und dann geht es gut. Vielleicht hilft es deinem Sohn ja auch wenn er seine Lieblingsmusik hören kann.

    Was Medien angeht ist meine Tochter kürzlich zu mir gekommen: "Mami, ich brauche Puzzle. Weisst du, dann bin ich nicht so lange am Tablet." Sie hat eine eine alte Leidenschaft neu entdeckt. Also haben wir die ganze Wohnung nach Puzzle abgesucht die ihr gefallen. Da wir nicht das richtige gefunden haben durfte sie Puzzle auswählen und kaufen. Selbstverständlich müssen es 1000er sein. Wir haben jetzt eine Art Puzzle-Treffpunkt wo, wenn sie möchte, auch mal ihr kleiner Bruder oder ich mit helfen. Manchmal sind wir auch zu dritt dran. Meine Tochter teilt dann jedem eine Aufgabe zu damit es kein Durcheinander gibt. Sie hat da ihre eigene Strategie die von den anderen eingehalten werden muss. Schliesslich gehört das Puzzle ihr. Es kann für alle sehr entspannend sein.

    Vielleicht gefällt deinem Sohn auch etwas mit dem die anderen Kinder nichts anfangen können. Solche Sachen können frustrierend sein und ebenfalls zu einem Meltdown führen. Versucht doch mal heraus zu finden ob das so ist und was es sein könnte.

    Als Vorbereitung auf die Schule: Von Anfang an mit den Lehrpersonen Kontakt aufnehmen und informieren. Viele können mit der Diagnose ASS nichts anfangen oder haben veraltete Vorstellungen davon. Hier könnt ihr Hilfe dafür bekommen: http://www.asperger-kids.ch Sie macht auch Seminare und kommt falls gewünscht in die Klasse um die Mitschüler direkt zu informieren und Fragen zu beantworten. Hilft das alles nicht, macht ein Standortgespräch wo allenfalls auch die Schulleitung und jemand von der Schulbehörde dabei ist. So könnt ihr gemeinsam heraus finden welche Möglichkeiten ausser der Regelschule oder integrativ bestehen. Das geht von Schulhauswechsel über Kleinklasse bis zu Sonderschulen. Holt rechtzeitig Hilfe wenn ihr nicht weiter kommt. Das kann das kjz sein, der Schulpsychologische Dienst, unter Umständen auch die KESB. Bei der KESB kannst du dich auch einfach so melden ohne, dass es eine Gefährdungsmeldung gibt. Sie sind dazu verpflichtet euch zu helfen. Behörden haben einen anderen Zugang und mehr Möglichkeiten als wir Eltern oder die Schulbehörde. Mit dem Kinder Psychiater habt ihr schon einen guten Anfang gemacht.

    Hat dein Sohn einen Freund? Falls ja, kann er eine grosse Hilfe sein. Einfach nur weil sie gut miteinander auskommen und auch Sachen besprechen können die mit den Eltern "nicht gehen". Wichtig ist hier die Eltern vom Freund gut zu informieren und zusammen zu arbeiten. Freundschaften können sich ja auch später noch entwickeln. Glaub mir, das ist Gold wert.

    In letzter Zeit stelle ich bei mir selbst vermehrt fest, dass dies nicht spurlos an mir vorbei geht. Nach 2,5 Jahren täglich gehauen und beschimpft zu werden geht dies mir zunehmend nahe. Auch fühle ich eine permanente Anspannung, immer in Erwartung des nächsten Ausbruchs. Dies kann auf Dauer kein gesunder Zustand sein.

    Wir Eltern sind auch nur Menschen! Sorgt für eine regelmässige Auszeit. Das kann ein Abendessen sein, ein verlängertes Wochenende oder auch vielleicht wieder mal in den Ausgang gehen. "Wenn es mir gut geht, geht es dir auch gut." wird dein Sohn sicher verstehen. Wichtig ist hier, dass ihr eine Vertrauensperson für euren Sohn habt bei der er sich wohl fühlt.