Adoleszenz bewegt!


  • Adoleszenz ein Zeitalter in dem der junge Mensch aufwacht für ganz andere Entwicklungsprozesse als die, welche ihn in seinem bisherigen Leben bestimmt und geprägt haben. Aufbruch in ein selbstbestimmteres Leben, losgelöst von den vergangenen nicht mehr tragfähigen Systemen und auf der Suche nach der eigenen Identität.
    Adoleszenz, eine Suche nach dem "echten" Gegenüber, der zuhören will und den Raum bietet, in der sich diese Individualität entfalten und entwickeln kann! Suche nach Circle of supports, nach unterstützender Begleitung die eine solch bewegende Situation mit gestalten wollen!
    Wie erleben (und wurde erlebt) Selbstbetroffene und Angehörige dieses Zeitalter der Aufbruchstimmung bei Menschen des autistischen Formenkreises; wo sind natürliche und unnatürliche Grenzen in dieser Entfaltung zu einem selbstbestimmteren Leben!
    Ich als Geschäftsleiter von autismuslink freue mich über Beiträge aus eigener Erfahrung und Erlebnissen und einen lebendigen Austausch in dieser Thematik!


    Thomas van der Stad

  • Hallo zusammen


    Beim Älteren wurde seine Jugendzeit durch eine Depression überschattet. Dadurch waren wir in Abklärungen und erhielten darauf die Diagnose HFA. Wenn Eltern neurotypischer Kinder klönten, wie frech und renitent ihre Kinder waren, konnten wir dazu nichts beisteuern. Unser Sohn war eher das Gegenteil. Er war äusserst verschlossen. Er zog sich vollständig von uns, in sich selbst zurück. Er war überbrav und wich allen Konfrontationen aus.
    Dabei wirkte er immer einsamer, unzufriedener und unglücklicher. In der Zwischenzeit ist er 18 Jahre. Heute wirkt er zufriedener und glücklicher. Dank seinem politischen Sonderinteresse gelingt es ihm jetzt langsam einen gleichgesinnten Kollegen- und Freundeskreis aufzubauen. Unter seiner mangelnden Kontaktfähigkeit hatte er gelitten, obwohl wir und auch er dies erkannt hatten, gelang ihm lange kein Weg hinaus.


    Nun zum Jüngeren. Der steckt momentan mitten in der Pubertät. Zum Glück zeigt er kein Anzeichen einer Depression. Zuhause ist auch er sehr brav und selten frech. Zwischendurch, wenn er sich durch seine Eltern etwas genervt fühlt, äfft er uns nach. Das alles bewegt sich im Rahmen des Normalen. Was uns auffällt ist sein vermehrter Wunsch nach Kontakten mit Gleichaltrigen. Dies wiederum gestaltet sich als sehr schwierig, wenn er abmachen will, muss er es organisieren. Die Gleichaltrigen gehen nicht von selbst auf ihn zu, um mit ihm abzumachen. Vielleicht erkennt er aber auch nicht die Anzeichen, und die anderen Kinder ziehen sich zurück, weil sie ihn nicht verstehen können und glauben, dass er lieber alleine ist. Erschwerend kommt sein Verhalten dazu, wenn die Anderen in Gruppen zusammenstehen und über Irgendetwas tratschen, kann er nicht nachvollziehen, warum es geht, oder er gibt falsche Kommentare ab.
    Mit diesem Problem wird er nicht alleine gelassen, wenn er mit jemandem abmachen will, wird er von seiner Heilpädagogin und auch durch uns unterstützt.


    Was mir weiter auffällt ist, dass er mit seinen Gefühlen momentan nur schlecht zurecht kommt. Sein Körper entwickelt sich zum Jugendlichen, in seiner Gefühlswelt ist er aber noch Kind. In der letzten Zeit häuften sich Auffälligkeiten wie, Autoaggressionen, Handlungsblockaden und Weinen (er konnte nicht benennen, warum er weint, ob er traurig ist, ob er wütend ist, es scheint momentan für ihn nicht steuerbar zu sein). Die Autoaggressionen machen vorallem unbeteiligten Zuschauern Angst, im nachhinein tun ihm seine Ausraster leid, sie zu vermeiden gelingt ihm momentan nicht so gut. Die Handlungsblockaden kommen durch Überforderungssituationen, in denen er seine Selbständigkeit üben sollte (alleine eine kleine Besorgung machen, etc.).


    Autistische Verhaltensweisen verstärken sich, habe ich wenigstens den Eindruck. Flexibilität und Regelverstösse machen ihm vermehrt mehr Mühe. Am glücklichsten ist er, wenn der Schultag gemäss Stundenplan abläuft. Momentan, durch die Vorbereitungen auf die Schulschlussfeste, sind Abweichungen vom Stundenplan schon fast normal. Auch hier unterscheidet sich seine Wahrnehmung massiv von seinen Schulkameraden. Diese lieben das - MEGA COOL, SUPER kein Math, Test NMM fällt aus, etc., dafür etwas für eine Vorführung üben, Kulissen basteln ... , ER HASST ES (und tut es auch laut kund, und macht sich damit nicht beliebter!)!


    Wie erlebt ihr die Pubertät bei euren Kindern? Wie begleitet ihr sie durch diese Zeit? Was hilft euch miteinander im Gespräch zu bleiben und einander zu verstehen?


    Ich freue mich von euren Erfahrungen zu lesen.


    Liebe Grüsse, monica

  • Jugendalter - eine Herausforderung für den Jugendlichen selbst, aber auch für seine Umwelt


    Mein 17-jähriger Sohn (AS) durchlief unterschiedlichste Phasen seit Beginn der Pubertät. Einerseits hochexplosiv, aggressiv bis hin zu depressiv, zeitweise autoaggressiv und leider auch in den schlimmsten Zeiten suizidal, all dies begleitet von körperlicher Erschöpfbarkeit.


    Die Aggressionen richteten sich noch vor drei Jahren vorwiegend gegen die Umwelt. Er boykottierte alles und jeden, legte sich mit jedermann an, ob nun Lehrer, Mitschüler, Nachbarn oder fremde Leute, die sich von ihm aufgrund seiner Anwesenheit gestört gefühlt hatten. Dabei wurde er verbal ausfällig und beleidigend. Diese Aggressionen hatten allerdings immer einen Auslöser, so fühlte er sich beispielsweise provoziert, blossgestellt, ausgegrenzt. Er wurde in der Schule von Schülern und Lehrern gleichermassen gemobbt und hatte für sich keine andere Möglichkeit mehr als über diese aggressive Art mit dem hochgradigen Frust und der brodelnden Wut fertig zu werden.
    Seit ca. 2,5 Jahren ist diese Fremdaggressivität nur noch latent vorhanden - er geht nicht mehr nach draussen... Nur noch Pflichtwege sind akzeptabel für ihn, d.h. er lebt eigentlich nur noch in seiner Innenwelt.
    Aggressiv ist er unterschwellig noch immer. In Zeiten starker Anspannung, Stress, Frustration etc. bricht es nach wie vor aus ihm heraus, dann gegen die Familie gerichtet in Form von Beleidigungen, Herumschreien, Randalieren.


    Schulbesuch war in dieser Zeit (immerhin über 4 Schuljahre !) kaum noch möglich, er fehlte sehr häufig. War er dann zur Schule gegangen, war er wohl eher nur körperlich anwesend, als dass er viel vom Unterricht mitbekommen hätte. Die Lehre wurde abgebrochen nach einem halben Jahr, was jedoch nicht nur an ihm respektive an seiner aspergerbedingten Kommunikations- und Interaktionsproblematik sowie Handlungsblockaden lag. Nun scheint er sich mit den neuen beruflichen Massnahmen zu stabilisieren, denn diese entsprechen vollumfänglich seinem Spezialinteresse, im Gegensatz zum vorigen Ausbildungsberuf.


    Kontakt zu Gleichaltrigen hat er überhaupt keinen mehr. Den letzten Besuch eines Kollegen hatte er vor 2 Jahren und dies auch in sehr grossen zeitlichen Abständen. Nun chattet er immerhin via Internet immer bezogen auf sein Spezialinteresse, das ist die einzige Kommunikationsquelle, die ihm wohl derzeit möglich ist. Ob er persönliche Kontakte vermisst....? Die Antwort bleibt in seinem Innersten verschlossen.


    Wie auch Monica schreibt, so kann ich auch bei meinem Sohn von einer Verstärkung der autismusspezifischen Symptome/Verhaltensweisen berichten. Offensichtlich waren diese schon immer, manches hatte sich aber zwischendurch wesentlich verbessert und trat dann wieder ab Eintritt in die Pubertät verstärkt auf, wie beispielsweise Beharren auf starren Routinen, sehr eingeschränktes Essverhalten, Unflexibilität, Hyperfokussierung auf sein Spezialinteresse, ist für nichts anderes mehr zugänglich, etc.


    Die Jugendzeit ist turbulent, aber das war es doch eigentlich von Beginn an - chaotisch, anstrengend, aber dennoch - oder gerade deswegen - bereichernd und lehrreich. Mein Sohn hat neben all seinen Schwierigkeiten doch sehr viele positive Eigenschaften, er überzeugt mit seiner unverblümten Direktheit, seiner enormen Willensstärke und der starken Zielstrebigkeit, sein Spezialinteresse zu seinem Beruf machen zu können trotz all der Widrigkeiten, die ihm anfangs in die Quere gekommen sind. Er hat nicht aufgegeben und das ist eigentlich die herausragendste Eigenschaft, die seine Persönlichkeit ausmacht.


    Dennoch wünsche ich mir für meinen Sohn, aber auch für uns Eltern, dass das Leben allmählich etwas ruhiger und stabiler wird. 17 Jahre voller Power, mit wenigen Höhen, permanent gefolgt von lang andauerenden Tiefen, schlimmen Abstürzen, Gedanken an Perspektivenlosigkeit, immer wieder Enttäuschungen, aber auch neu aufkeimenden Hoffnungsschimmern, ein ewiges Hin und Her zwischen positivem Denken und erneutem Bangen. All das kostet enorm viel Kraft und Energie und es wird von Jahr zu Jahr schwieriger neben den eigenen - ebenfalls autismusbedingten Schwierigkeiten - diese Kräfte immer wieder neu mobilisieren zu müssen, wenn keine Möglichkeit zum Auftanken gegeben ist.


    Ich habe - von den gelegentlichen Ausrastern, die neben dem Autismus vorwiegend in der Pubertät begründet sind - ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Sohn. Er spricht nicht viel. Aber wenn er in Not ist, gelingt es ihm inzwischen mir davon zu erzählen. Für dieses grosse Vertrauen bin ich ihm sehr dankbar.

  • Wir erleben die Pubertät zum Teil ähnlich bei unserem Sohn wie Annette. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Pubertät bei uns am ersten Lebenstag unseres Sohnes begonnen hat, sich mit jedem Jahr gesteigert hat und im Moment auf dem Höhepunkt ist. Wir sind bei unserem Asperger-Sohn immer voll dran und auch ich habe den Eindruck, dass sich die autistischen Züge in der letzten Zeit eher verstärkt haben. Sein Spezialinteresse ist zur Zeit der E-Bass. Seit einigen Monaten geht er am Konservatorium in die E-Bass-Stunde. Der junge Musiklehrer scheint anscheinend genau der Richtige zu sein für unseren Sohn. Gestern abend, ging er nach viel Geschrei und Vorwürfen an uns in die E-Bass-Stunde. Nach 2 Stunden kam er völlig entspannt und gutgelaunt nach Hause. Die Stunden bis er ins Bett ging, hielt die gute Laune an. Solche entspannte Stunden sind bei uns eine Seltenheit, man kann sagen eine Kostbarkeit und es gibt sie nur nach den Musikstunden.


    Bei mir selber merke ich nach all den Jahren des Kampfes grosse Ermüdungserscheinungen, das Gefühl, dass ich es manchmal nur noch mit grosser Anstrengung schaffe über die Runden zu kommen. Obwohl ich eigentlich ein positiver Mensch bin, merke ich, dass sich bei mir in der letzten Zeit manchmal Hoffnungslosigkeit auf eine Besserung der Umstände eingestellt hat. Mit dabei ist auch immer die Sorge, wie es denn weitergehen wird. Unsere Welt ist dummerweise nicht so, dass da auf Menschen mit einer Besonderheit viel Rücksicht genommen wird.