Mein Sohn kommt in der Schule - wie viel Information an den Klassenkameraden?

  • hallo zusammen!
    bin auch relativ neu hier und schreibe nun zum ersten mal... da ich schwedin bin ist mein deutsch nicht immer perfekt...


    unser sohn fängt im herbst die schule an. er wird die EK besuchen und wir haben ein total gutes gefühl dabei; schulleiterin, heilpädagogin, lehrerin, alle ziehen am gleichen strick und möchte alles so gut wie nur möglich machen. :-)


    jetzt müssen wir nur überlegen was wir seine schulkameraden sagen, er wird nämlich 6 std in der woche eine assistentin haben. Y weiss nicht, dass er eine diagnose hat (autismus-spektrum-störung). sicher merkt er langsam, das er nicht alles so gut kann wie die anderen aber wir erklären ihn dann immer was ER gut kann.


    meine frage an euch; wann habt ihr eure kinder "aufgeklärt" und wie? was und wie viel wollen wir seine "spänli" sagen?
    bin sehr dankbar für tips! wir möchten unseren sohn so lange wie möglich "schonen", kinder können so gemein sein.

    "Those who mind don't matter and those who matter don't mind"

  • Liebe Mie


    Genau diese Gedanken hatten wir vor fünf Jahren, als unser Sohn in die erste Klasse kam, auch. Gerne schreibe ich Dir heute etwas von unseren Erfahrungen in Sachen Kommunikation rund um die Autismusdiagnose unseres Sohnes. Allgemeingültige, richtige Vorgehensweisen gibt es leider keine, und so kann ich auch nur über meine Erkenntnisse in dieser Frage sprechen.


    Für unserem Sohn bekamen wir erst mit sieben Jahren eine Diagnose, d.h. wir hatten vorher keine Möglichkeiten, seine speziellen Eigenschaften zu erklären. So war es eine grosse Erleichterung, endlich Gründe für sein Anderssein nennen zu können.


    Da unser Sohn auch in der Schule spezielle Bedürfnisse hat, war es klar, dass wir zu diesen etwas sagen mussten. Fünf Minuten am ersten Elternabend vor Schulbeginn genügten zur Information über die Autismusdiagnose unseres Sohnes. Im weiteren boten wir an, jederzeit, auch während dem Schuljahr, aufkommende Fragen zu beantworten.


    Es ist beeindruckend, wie viel Offenheit und Akzeptanz wir von den Mitschülern unsers Sohnes und ihren Eltern erfahren durften. Heute sind Informationen an Elternabenden, wie oben beschrieben, nicht mehr nötig, da sich um die Person unseres Sohnes genügend Wissen im Umfeld angesammelt hat. Kurz gesagt - er gehört dazu, Erklärungen sind derzeit nicht nötig.


    Wenn jedoch das Umfeld die Diagnose eines Schülers mit Autismus kennt, der Betroffene jedoch keine Ahnung hat, entsteht ein Informationsgefälle, das man nicht so stehen lassen sollte. So haben wir auch unserem Sohn erklärt, wie jeder Mensch speziell ist und einige seiner Eigenschaften mit seinem Autismus erklärt. So zum Beispiel hat er besonders Freude an seinem Hobby Filme, die er nach ganz speziellen Kriterien aussucht. In der Schule braucht er eine Assistenz, da es oft sehr turbulent zu und her geht und es dann für ihn schwieriger wird, sich zurechtzufinden. Viele Schüler brauchen eine Assistenz. Das ist nichts besonderes.


    Unser Sohn hat schnell erkannt, dass er ein vollwertiger, moralisch gleichberechtigter Junge ist und der Autismus einfach eines seiner Attribute darstellt. Besonders wichtig war für ihn die Feststellung: „Ich bin aber ein ganz normaler Junge!“


    Ich persönlich finde es viel einfacher, eine Sache beim Namen zu nennen, als sie zu umschreiben. Umschreibungen können ihrerseits zu Spekulationen führen, die sehr schaden können. Eine offen kommunizierte Autismusdiagnose wird auf jeden Fall in der Schulgemeinde besprochen, bleibt jedoch nicht lange Thema. Zu sehr sind andere Schüler und Familien auch auf ihre eigenen Herausforderungen konzentriert.


    Trotzdem öffnet eine offene Kommunikation die Tür zu Verständnis und Annerkennung von besonderen Bedürfnissen in der Schule. Vielleicht kommt eine Zeit, in der solche Bedürfnisse anerkannt werden, ohne dass die Gesellschaft weiss, woraus sie sich ableiten. Auf diesen Zustand hoffe ich.


    Du schreibst, dass Kinder sehr gemein sein können. Leider musste ich dies auch schon beobachten. Wie es scheint, hat unser Sohn jedoch „besonderen Kredit“ bei seinen Mitschülern und musste bis heute wenig erdulden. Einen Mitschüler wegen seinen besonderen Bedürfnissen oder Eigenschaften blosszustellen wäre eine Diskriminierung, und das Recht, nicht diskriminiert zu werden, dürfen wir einfordern.


    Für mich ist es also richtig, offen zu sagen, weshalb mein Sohn in der Schule eine Assistenz braucht und es fällt mir heute auch nicht mehr schwer, über seine Autismusdiagnose zu sprechen. Als Resultat meiner Offenheit darf ich auf die Annerkennung der speziellen Bedürfnisse meines Sohnes hoffen. Das funktioniert sehr gut .


    Nun wünsche ich Dir alles Gute für den Schuleintritt Deines Sohnes!


    Herzliche Grüsse,


    Nicole

  • Guten Tag,
    mein Sohn kommt nun erst in den Kiga (HPS) und trotzdem habe ich mir auch schon öfters die Frage gestellt wie ich es handhaben würde wenn er dann zur Schule kommt und dann vielleicht in eine Regelklasse. Die Frage ist berechtigt da man nicht weiss wie das Kind dies haben wollte. Macht man ihm einen Gefallen damit oder halt gerade das Gegenteil. Ich denke aber auch man sollte es so offen wie möglich kommunizieren. Kinder sind weniger grausam wenn sie wissen warum jemand anders ist und auch die Eltern jener können dann zumindest versuchen zu erklären. Ausserdem kann die Akzeptanz in der Bevölkerung nur steigen wenn die Leutchen mit solchem auch in Berührung kommen. Ich tu auch heute schon jedem genau erklären was mit meinem Bub so los ist und bin damit bis heute sehr gut gefahren.
    Alles Gute und gut hast Du das Thema angeschnitten, ist sicher etwas was viele beschäftigt.
    Grüsse
    Karin :rolleyes:

  • Hallo zusammen


    Wir haben unfreiwillig beide Erfahrungen machen können. Die Diagnosen für unsere Kinder erhielten wir sehr spät im Alter von 8 und 13 Jahren. Der Jüngere war so ANDERS, dass er seine Schulkarriere nicht im Regelbereich starten konnte. Leider konnten wir das ANDERS-sein überhaupt nicht erklären, eine Diagnose hätte hier sehr viel weiter geholfen.


    Beim Älteren machten wir die Erfahrung, dass solange die Kinder in der Unterstufe sind, die Akzeptanz untereinander noch grösser ist. Jeder ist vielleicht etwas anders, der eine etwas wilder, der andere stiller und der dritte hat Konzentrationsprobleme. Aber in der Mittelstufe realisierten die Kinder immer mehr, dass unter ihnen ein Kind ist, dass doch erheblich ANDERS ist als sie selber. Sie wollten ergründen warum, unser Sohn fühlte sich immer mehr in die Ecke gedrängt, er kam sich gemobbt vor. Auch er realisierte, dass er anders tickte und er bekam Angst. Im Grunde genommen wollte er so sein wie die Anderen, oder wenigstens verstehen, was mit ihm los ist. Es gelang ihm nicht mehr seine sozialen Schwierigkeiten zu kompensieren, er wurde depressiv.


    Durch den Krankheitsverlauf kam es zur Diagnose Autismus-Spektrums-Störung für beide Jungen. Der Ältere war enorm erleichtert, als er endlich erfuhr, was er hatte. Er freute sich auch zu erfahren, dass es auch noch andere Menschen mit Autismus gab und er sich somit in guter Gesellschaft befand.
    Er startete seine Schulkarriere neu in einer Privatschule. Dort unterrichteten wir von Anfang an Lehrer, Eltern und Mitschüler über seine besondere Wahrnehmungsart. Ab da kam er gut zurecht. In seiner Klasse war er beliebt, er galt als ruhiger Mitschüler mit einem äusserst ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er wurde als Person und auch als Freund sehr geschätzt. Die Mitschüler akzeptierten, dass unser Sohn immer wieder Phasen brauchte, wo er sich zurückziehen konnte. Sie erkannten auch, dass ihm der Trubel oft zuviel wurde.


    Der Jüngere ist seit zwei Jahren Regelschüler bei uns im Dorf. Er wird fast voll begleitet. Autismus ist bei ihm keine unsichtbare Behinderung, er hat noch nicht so viele Kompensationsstrategien entwickelt, dass man dies übersehen könnte. In diesem Fall ist eine Information meiner Meinung nach zwingend nötig. Es ist für die Mitschüler und Eltern einfacher zu verstehen, warum unser Sohn auf seine Begleitung angewiesen ist. Die Begleitung half den anderen Kindern, die spezielle Wahrnehmungsart unseres Sohnes zu verstehen. Heute ist unser Sohn gut in die Klasse integriert, er gehört dazu. Die Kinder organisieren sich heute oft untereinander, sie bieten unserem Sohn ganz selbstverständlich ihre Hilfe an und schauen auf ihn, dass er bei den Zimmerwechseln mitkommt, etc. Auch auf Schulreisen ist unser Sohn immer inmitten einer kleinen Gruppe, er wird nicht alleine gelassen oder durch seine Andersartigkeit ausgegrenzt.


    Sobald mir die Diagnosen bekannt waren, haben wir unsere Söhne über ihre Behinderung aufgeklärt. Den Jüngeren interessierte dies mit damals 8 Jahren noch nicht so sehr. Heute setzt er sich sehr stark mit seiner Wahrnehmung und der Wahrnehmung von NT-Kindern auseinander. Er empfindet die Wahrnehmung von NT-Menschen genau so befremdlich und spannend wie vielleicht die NT-Menschen die autistische Wahrnehmung empfinden. Ich habe mit der Aufklärung, dass meine Söhne Autisten sind, bis heute keine schlechte Erfahrung gemacht. Ich habe es nie bereut, dies offen kommuniziert zu haben.


    Als Jugendliche sollen die Kinder selbst entscheiden, ob sie sich als Autisten outen wollen. Unser Älterer hat sich nun auch in der Berufsschule entschieden, dass er seine Mitschüler informieren will. Es war für ihn eine gute Erfahrung, er konnte seinen Mitschülern mitteilen, dass er in den sozialen Bereichen auf ihre Mithilfe angewiesen ist. Seit da klappt dies sehr gut, die Mitschüler wissen nun, dass es ihm schwer fällt den ersten Schritt zu tun. Dass es für ihn wichtig ist, dass der erste Kontakt (Telefon, E-mail, Facebook, etc,), durch sie zu initieren ist und diese machen dies heute auch.


    Liebe Grüsse, Monica

  • danke vielmals für eure ehrliche antworten :) .


    wir haben uns auch entschieden unser sohn die wahrheit zu sagen, in worten die zu einem 6-jährigen passt. ich habe in einem forum einen sehr schönen vergleich mit einem weissen tiger gelesen und das passt zu ihm und seiner grossen interesse an tieren...


    die erwachsenen in unseren umfeld wissen eigentlich schon alle bescheid und können super mit der situation umgehen und die kinder akzeptieren ihn noch so wie er halt ist.


    ich wünsche euch ein schönes wochenende und nochmals danke schön :)

    "Those who mind don't matter and those who matter don't mind"