Sozialkontakte - wie?

  • Sozialkontake: Ich kann nicht mit den Menschen -
    aber ohne diese geht es leider auch nicht.


    Die Frage nach dem WIE lässt sich von mir noch immer nicht beantworten, obwohl ich so oft all die Negativerfahrungen versucht habe zu vergessen und einen neuen Versuch zu starten. Doch es läuft meist nach demselben Schema ab und da finde ich einfach keinen Weg heraus.


    Selbst mit Outing und intensiver Aufklärung über meine speziellen Verhaltensweisen, insbesondere bezüglich Kommunikation und Freundschaftsverständnis resp. Freundschaftserleben, geschieht es immer wieder, dass Bekanntschaften (das Wort Freundschaft wage ich schon gar nicht mehr zu gebrauchen) auseinanderbrechen, weil sich die Person von mir zurückgewiesen fühlt. Es handelte sich hierbei bisher immer um NTs, die sich insbesondere aufgrund meines oft vorkommenden Rückzugsverhaltens angegriffen, beleidigt und bestraft fühlen. Nachvollziehen kann ich das Empfinden des NTs dann allerdings nicht, da ich zuvor ja immer wieder darauf hingewiesen habe, dass ich so oft über meine Grenzen hinausgehen muss im Alltagsleben, dass ich aufgrund völliger Überlastung auch nicht mehr in der Lage bin, mich immer regelmässig und aufmerksam einer Person, die mir wichtig ist, zu widmen. Das hat in dem Moment schliesslich nichts mit Desinteresse, Gleichgültigkeit oder gar Böswilligkeit (wie man mir ja immer unterstellt ;( ) zu tun, sondern vielmehr mit meiner Überforderung auf sozial-emotionalem Gebiet, was wohl hauptsächlich meine Berufstätigkeit mit sich bringt.


    So geht das Leben "an mir vorbei", ich gehe morgens zur Arbeit, versuche den Tag einigermassen gut zu überstehen, komme abends nach Hause, mache da noch Notwendiges, was ein Familienleben so mit sich bringt, und bin später kaum noch ansprechbar. Selbst Kontakte via Internet sind dann, je nachdem wie der Tag resp. die Wochen verlaufen ist/sind, kaum noch zu bewältigen. So zerbrechen nach einer gewissen Zeitspanne jegliche Kontakte, scheitern scheinbar an meiner Unfähigkeit, den Leuten glaubhaft zu signalisieren, dass sie mir auch in meinen so dringend notwendigen Rückzugsphasen wichtig sind, ich ihnen aber in dieser Phase nicht zuhören kann und mich selbst auch nicht mehr mitteilen kann, weder schriftlich und schon gar nicht mündlich.


    Ich habe stets von mir selbst behauptet, dass ich keine Menschen um mich herum brauche, dass es mir nichts ausmacht, keine Kontakte zu haben, doch das stimmt so nicht ganz. Ich glaube, ich bin doch kein Roboter, brauche tatsächlich auch mal jemanden, dem ich mich mitteilen kann. Man kann nicht immer alles nur mit sich alleine verarbeiten. Ja, auch ich muss mir eingestehen, dass es auch mal schön ist, wenn man Spass zusammen mit anderen Menschen hat.


    Somit komme ich wieder zur Ausgangsfrage: WIE ?
    Wenn eine Bekanntschaft sich überraschenderweise irgendwann entwickelt, wohl meistens entstanden über ein gemeinsames Interesse, gelingt es mir nicht, diese freundschaftliche Beziehung längerfristig zu halten aus den o. g. Gründen.
    Ausserdem wird es mir dabei oft "zu eng", "zu nah", ich fühle mich erdrückt, wenn ich permenant ansprechbar sein muss für einen Freund/eine Freundin.


    Wie gelingt es, Bekanntschaften aufzubauen und vor allem diese dann zu halten?
    Ist es tatsächlich arrogant und zu viel verlangt von mir, Verständnis von anderen Menschen zu erwarten bezüglich meiner overloadbedingten Rückzugstendenzen?
    Bedeutet dies tatsächlich, dass ich - wie man mir immer wieder vorwirft - nicht gewillt bin mich richtig anzupassen, dass ich mich doch einfach nur besser anstrengen müsste.
    Ist das wirklich nur mein eigenes selbstgemachtes Problem aufgrund Egoismus?


    Fragende Grüsse
    Annette
    (AS)

  • Hallo liebe Annette
    Erstmal finde ich es super dass Du immer wieder versuchst mit Deiner Umwelt zu kommunizieren und Du Dir Kontakte wünschst!
    Denn bekanntlich ist dies ja der wichstigste Punkt.
    Wie man das macht kann ich Dir leider nicht wirklich erklären, denn das ist sehr komplex, ja buchlängewürdig ;) und überhaupt bin ich da wohl keine wirklich gute Adresse für Erklärungen dieser Art ?(
    Was mir aber immer wieder auffällt ist, dass auch NT-Leute darüber klagen, dass sie Beziehungen nicht aufrecht erhalten können. Also liegt wohl mehr daran, als an einer reinen autistischen Wahrnehmung. Ist man jetzt noch mit einer Solchen gesegnet wird es also wohl doppelt herausfordernd.. Es bist sicher nicht einfach Du als Person, welche dazu völlig unfähig ist!! Zu einer Kommunikation und einer Beziehung braucht es doch zwei Wesen!! Unsere Welt ist allgemein viel zu überladen, die Menschen haben keine Zeit mehr und manchmal frage ich mich, wer da eigentlich mehr autistisch lebt, NT's oder Autis. Letztere sind ja nämlich oft die Leute, welche sich noch mehr bemühen und sich viele Gedanken über zwischenmenschliche Interaktion machen..Ich begegne immer wieder Leuten, welche nicht soviel hinterfragen (und vielleicht würde etwas mehr auch nicht schaden..)
    Es ist jedoch meiner Meinung nach nicht vorauszusetzen, dass NT's autistische Leute zurückstossen wollen oder sich angegriffen fühlen und deshalb Kontakte abbrechen. Das könnte auch andere Gründe haben..eben eventuell durch oben genannte Ueberforderung ihrerseits mit der Welt und den Ansprüchen welche sie erfüllen müssen/wollen. Schau mal, sie können nicht mehr abschalten und ihre Welt geniessen, sie haben keine Zeit mehr für die kleinen und einfachen Dinge dieser Welt ;( Die Menschheit überfordert sich selber- weiss Gott wo es enden wird.
    Glaub an Dich! denn Du hast schon soviel geschafft und beweist es jeden Tag aufs Neue..Wer hat denn gesagt, dass Du "Schuld" bist ?!
    Vielleicht hilft Dir etwas mehr Selbstvertrauen im Umgang mit den Menschen. Hadere nicht mit Dir und fühl Dich nicht zurückgewiesen und bestraft. Die Leute verstehn sich häufig auch nicht wenn beide NT sind.. Eventuell kannst Du mal versuchen nicht soviel verstehen zu wollen, nicht zu stark zu fokussieren auf die Worte Deines Gegenübers. Fühl Dich einfach mittendrin und angenommen von der Gesellschaft. Ich glaube sie wird es Dir danken! Danken, weil es an Komplexität wegnimmt und sie weniger fordert. Sei einfach Annette und fühl Dich gross, stark und gut!
    Ich jedenfalls find Dich klasse- auch wenn wir uns lange nicht mehr gesehen, gelesen und gehört haben..
    Ich schick Dir wieder Schokolade wenn ich ihr begegnen werde ;) :P 8o Das ist gut für die Nerven und soll einem Glücksgefühle bescheren :D
    glg
    dani

  • Hallo Dani,


    schön von dir zu lesen, stimmt, wir haben lange nichts von einander gehört/gelesen.


    Ja das stimmt, ich habe es ab und an versucht, nur mag es mir nicht wirklich gelingen. Ich versuche es zumindest im Rahmen meiner persönlichen Möglichkeiten und das ist gemessen an den Bedürfnissen sowie Erwartungen anderer Personen scheinbar nicht ausreichend.


    Es geht mir jetzt gar nicht so sehr um ein spezielles Ereignis, auch wenn eine spezielle Situation vor kurzem der Auslöser für mein Zweifeln war. Diese Angelegenheit zieht sich wie ein roter Faden durch mein gesamtes Leben und das macht mir gerade sehr zu schaffen. So sehr, dass ich tatsächlich nicht alleine damit fertig werden konnte, sonst würde ich hier nicht schreiben. ?( Da es sich ständig wiederholt, muss wohl etwas an den mir entgegen gebrachten Vorwürfen der Wahrheit entsprechen.


    Ich lese nicht zwischen den Zeilen, ich lese es so, wie es schwarz auf weiss geschrieben steht und wenn ich selbst etwas schreibe, gehe ich davon aus, dass mein Gegenüber auch wortwörtlich liest und nichts in meine Zeilen hineininterpretiert – gleiches gilt natürlich auch für direkte Gespräche. Das funktioniert aber nicht. Die Menschen lesen oftmals etwas anderes aus meinen Worten heraus oder sprechen Dinge nicht aus, die sie eigentlich sagen wollen. Das verkompliziert die ganze Angelegenheit und dadurch entstehen immer wieder Missverständnisse. Ich benötige klare Aussagen. Ich merke es auch im Laufe eines Gespräches nicht, wenn es jemandem aus welchen Gründen auch immer nicht gut geht oder derjenige Sorgen hat, ich spüre nichts von einer evtl. Überforderung meines Gegenübers und dementsprechend reagiere ich gar nicht darauf. Solange mir das niemand direkt mitteilt, kann ich keinen Bezug darauf nehmen, auch nicht helfen oder Trost spenden.


    Wenn ich dann auch noch auf kommunikativer/sozialer Ebene tagsüber so sehr gefordert bin, dass ich nicht einmal mehr mit meiner eigenen Familie sprechen kann, dann kann ich irgendwelche Andeutungen noch weniger verstehen. Ich habe oft sehr wortkarge Phasen, teile mich nicht mit, frage aber auch nicht nach anderen, nehme keinen Kontakt auf, reagiere höchstens kurz auf Ansprache. Und das ist das eigentliche Problem, denn Freunde fühlen sich in diesem Augenblick von mir – nach eigenen Aussagen - verletzt, verraten, zurückgewiesen und man meint ich habe kein Interesse an seiner/ihrer Person, sagt ich missbrauche entgegengebrachtes Vertrauen.


    Ich habe es auf unterschiedliche Art versucht, mal keinerlei Angaben zu meinen Schwierigkeiten gegeben, dann wieder sehr ausführlich erklärt, weshalb ich manchmal oder auch häufiger so reagiere. Beides endete jedoch auf dieselbe Art und Weise – ich bekomme mehrfach oben geschilderte Vorwürfe genannt, dies steigert sich bis zu Beleidigungen/verletzende Aussagen und die Bekanntschaft zerbricht natürlich daran.
    Das ist schade.


    Ich weiss, dass ich leider immer wieder so reagieren werde, da ich noch keine Lösung gefunden habe, wie ich besser mit den Anforderungen (soziale Interaktion, Kommunikation sowie Lärmempfindlichkeit) bei der Arbeit zurechtkomme. Im Umkehrschluss müsste ich wohl zu allererst versuchen, die Situation im Job in den Griff zu bekommen, damit ich überhaupt ein Privatleben führen kann, sprich Sozialkontakte suchen und pflegen kann. Klingt eigentlich logisch, denn wenn ich tagsüber nicht ständig über meine Grenzen gehen müsste, hätte ich noch ein wenig Ressourcen übrig, um private Gespräche führen zu können.


    Du meinst ich überfordere die Menschen, fordere zu viel von ihnen? - Hm, das ist mir schon öfter gesagt worden. Das tut mir leid. Eigentlich ist das nicht meine Absicht, jemanden so stark zu belasten, hat ja jeder auch so genug zu tragen.
    Darüber muss ich noch weiter nachdenken...



    Danke für deine Gedanken dazu.
    Ich wünsche dir und deinen Lieben eine gute Zeit.
    Herzliche Grüsse
    Annette

  • Hallo Anettee
    ich kann Dir nur aus der Sicht meines SOhnes und wie ich es wahrnehme berichten.
    Ich sehe wie er an KOntakten "hängt". Sich freut wenn ein Kind klingeln kommt ob er rauskommt. Aber auch dass es ihm schnell verleidet. Irgendiwe ist es dann doch nicht interessant. Oder das Gegenüber reagiert anders. Für ihn ist es wichtig dass die Kinder ihn verstehen. Das heisst, dass man über Themen die ihn interessieren reden kann. ;-). Eigentlich bewundere ich ihn für solche Sachen. Wie oft ist es so dass wir uns nicht unterhalten wollen wenn wer Smalltalk anfängt ? Und aus Anstand reden wir noch ein paar Worte. Er dreht sich aber um, sagt tschüss und geht. Ich glaube wichtig ist es es einfach das Gegenüber so zu nehmen wie es ist !

  • Hallo Annette


    Schön, wieder einmal von dir zu lesen:-)


    Wie Dani schon schrieb, auch bei NT's zerbrechen Beziehungen, mal schneller, mal langsamer. Wir haben gerade letzthin in einer Frauenrunde darüber gesprochen. Häufig scheinen wir bei Beziehungen zuviel zu erwarten. Wir möchten, dass uns dieses Beziehung glücklich macht, dass sie unsere Defizite auffüllt, dass wir uns geborgen fühlen können etc.


    Das funktioniert aber leider nie! Kein anderer Mensch kann meine Defizite auf Dauer ergänzen/auffüllen. Wenn ich mit mir selber nicht im Reinen bin, mit mir selber nicht zurecht komme, dann werde ich immer zuviel von anderen Erwarten. Und diese Erwartungen führen dann häufig zu Missverständnissen, wie du sie ja schön beschrieben hast.


    Ich denke, dass du alles schon versucht hast. Wenn jemand mit deinem Schweigen nicht zurecht kommt, dann erwartet er von dir zu viel. Dann ist das eigentlich nicht dein Problem, sondern das Problem des Anderen. Du hat ja deutlich kommuniziert, dass es dir oft zuviel wird, und dass es nicht an der Person an sich liegt.


    Meine langjährige Freundin wohnt nur ein paar Km von hier entfernt, wir sehen uns aber nur zufällig mal beim Einkaufen, oder 1-2 Mal im Jahr machen wir etwas zusammen. Trotzdem bleibt sie meine Freundin und ich hoffentlich ihre!!! Ich will damit sagen, die Menge machts doch nicht aus, oder? Freundschaften sind doch zwangsläufig mal näher, mal weniger nah...dann muss man halt auch mal warten können, bis wieder ein Kontakt entsteht.


    Ich halt auch gar nichts davon, Freudschaften zu "kündigen" oder verbal aufzulösen. Wenn ein Kontakt einschläft habe ich doch kein Recht der Welt, diesen wieder einzufordern! Ich kann höchstens die Initiative für einen Austausch ergreiffen, aber ob mein Gegenüber das annimmt, belibt doch ihm überlassen! Aber vielleicht ticke ich da auch etwas anders.... :wacko: Immer wieder öffnen sich mir neue Beziehungen, unmöglich könnte ich alle immer in derseben Intensität aufrecht erhalten.


    (hier funktioniert die Zeilenschaltung irgendwie nicht...es macht immer gleich einen Absatz, auch wenn ich nur eine neue Zeile beginnen möchte ;( )


    Du Annette bist sicher nicht Schuld, du gibst ja immer dein Bestes! Könntest du mehr Kontakt haben, dann würdest du das doch machen! Wer halt damit nicht zurecht kommt, muss erst bei sich selber schauen.


    Ich jedenfalls habe dich nicht vergessen 8) , auch wenn wir uns schon sehr lange nicht mehr gesehen haben.


    Liebe Grüsse
    Christine

    Berner Familie mit 5 Kindern, 92/95/96/98/01 Nr. 3 Asperger Junge, Nr. 5 frühkindlicher Autist

  • @ Ninchen


    Das stimmt natürlich, jeder sollte sein Gegenüber so annehmen wie es ist.
    Die Frage bleibt jedoch offen, wie weit man dabei gehen muss.


    In meinem persönlichen Fall beispielsweise würde das dann wohl bedeuten, dass ich mich auf solch enge Kontakte einlasse, auch wenn es mir zu bestimmten Zeiten kaum möglich ist, überhaupt zu kommunizieren. Ich muss also so weit gehen – weit über meine persönliche Belastungsgrenze hinausgehend -, weil ich weiss, dass mein Gegenüber mit einem lockeren Kontakt (kein Telefon, seltene persönliche Trefffen, und manchmal dann leider auch nur sporadisch Email-Kontakt, bis es dann eben wieder besser geht, es ist ja nicht immer so extrem) nicht gut zurecht kommen kann.


    Das funktioniert so nicht. Ich schaffe das zumindest nicht, auch wenn ich weiss, dass mein Gegenüber so viel Wert darauf legen würde.


    Kommunikation ist Schwerstarbeit...

  • Hallo Christine


    Ist ja nett, dass wir uns hier alle aufeinmal wieder ganz zufällig „über den Weg laufen“. Freut mich wirklich sehr.


    Ja, das stimmt, Beziehungen kommen und gehen, mal halten sie länger an, mal sind sie kurzweilig. Menschen verändern sich, ihre Interessen sowie ihre Lebensumstände und somit kann sich auch ein Kontakt verändern, verflüchtigen oder gar auflösen. Das finde ich auch nicht weiter tragisch, ich glaube, das ist eine normale Entwicklung.


    Womit ich aber nicht zurecht komme, ist die Erkenntnis, dass – zumindest bei mir, das scheint glücklicherweise nicht die Regel zu sein – eine solche Verbindung von sehr intensiv plötzlich umschlägt in beinahe schon Feindschaft. Das verstehe ich einfach nicht. Das muss ja einen Grund haben und den muss ich ja als erstes in meinem eigenen Verhalten suchen, da man mich immer mit denselben Vorwürfen konfrontiert.


    Ich kann das hier ja nicht alles erzählen, damit langeweile ich alle nur. Aber meine Freundschaften – 5 Personen aufgeteilt auf die letzten 16 Jahre mit monatelangen Unterbrüchen ohne soziale Kontakte; ich hatte parallel zu den Kontakten selten andere lockerere Bekanntschaften – endeten oftmals in einem Fiasko. Von Mobbing am Arbeitsplatz und der darauf folgenden Kündigung bis hin zu Verleumdungen am Wohnort und Schule meiner Söhne und dem darauf folgenden Mobbing meines Sohnes durch Mitschüler, Eltern, Lehrer.


    All dies aufgrund empfundener Zurückweisung.
    Von meiner Seite aus ist es keine bewusste Zurückweisung. Ich möchte eigentlich niemanden verletzen. Aber es geschieht leider immer wieder, dass man dies eben so empfindet.


    Ich denke, jeder, der dies so empfindet darf und soll das auch mitteilen. Aber warum muss dies dann mit verbalen Angriffen und Unterstellungen enden? Fühlt man sich so sehr provoziert/beleidigt/enttäuscht von mir, wenn ich zum Ausdruck bringe, dass mir ein zu enger Kontakt die Luft zum Atmen nimmt und ich einfach zwischendurch eine Auszeit benötige? Kann man das wirklich nicht nachvollziehen, warum ich so reagiere? Kann schon sein, dass ich diesbezüglich zu viel erwarte von anderen Leuten.


    Also ich glaube, ich sollte mir da keine Gedanken mehr machen, die Vergangenheit abhaken und mich auf die notwendigen beruflichen Kontakte konzentrieren. Das ist derzeit wohl wichtiger als private Sozialkontakte.


    Danke für deine ausführliche Erklärung deiner Sichtweise dazu. Du hast recht – erzwingen bringt wirklich nichts.


    Eigentlich bin ich ja ein sehr positiver Mensch mit Blick nach vorne, keine Ahnung, warum mich das kürzlich so mitgenommen hat. Ich glaube, mir geht es jetzt etwas besser. :)


    Liebe Grüsse
    Annette

  • Hallo Annette


    Zitat

    endeten oftmals in einem Fiasko. Von Mobbing am Arbeitsplatz und der darauf folgenden Kündigung bis hin zu Verleumdungen am Wohnort und Schule meiner Söhne und dem darauf folgenden Mobbing meines Sohnes durch Mitschüler, Eltern, Lehrer.


    DAS ist natürlich sehr krass!! Zum Glück musste ich sowas noch nie erleben!
    Warum es bei dir gleich mehrmals so weit kommen musste, weiss ich leider auch nicht. Vielleicht bist du dummerweise an die falschen Leute gelangt :(
    Und es ist halt schon so, dass NT's es nicht mögen, wenn jemand ehrlich sagt: "Ich brauche jetzt etwas Abstand". Da fühlen sich die meisten erstmal sehr verletzt und "schlagen" dann vielleicht viel zu stark zurück. Sie nehmen das persönlich, denken, sie seien als Person nicht wertvoll...
    Bei Oliver musste ich auch erst schmerzhaft lernen, dass seine totale Schweigsamkeit nichts mit mir zu tun hat. Er hat sich ja immer im Schrank eingeschlossen und wollte mit niemanden mehr reden. Heute kann ich seinen Rückzug viel besser ertragen, weisss, dass er dann schon wieder nach unten kommt :)


    Ich staune immer wieder, wie sehr du dich immer wieder aufrappelst und neuen Mut fasst! Ich an deiner Stelle wäre wohl schon längst an den vielfälltigen Problemen zerbrochen!


    LG Christine
    PS Oliver hat seit gestern Abend eine Lehrstelle als Polymechaniker :thumbup:

    Berner Familie mit 5 Kindern, 92/95/96/98/01 Nr. 3 Asperger Junge, Nr. 5 frühkindlicher Autist

  • PS Oliver hat seit gestern Abend eine Lehrstelle als Polymechaniker :thumbup:

    Hurra :thumbsup:
    Wie toll ist das denn, ich freu mich riesig für euch.
    Pascal hat seit einer Woche ebenfalls seine Zusage für eine KV-Lehre. :)



    Hm, ja vermutlich ist das wirklich so, dass ich da häufig zu direkt in meinen Äusserungen und im Durchsetzen meines Bedürfnisses (Rückzug) bin.
    Wie würde man es denn ansonsten lieber gesagt bekommen, wenn nicht auf die ehrliche und direkte Art?


    Und es stimmt, irgendwann kommt man dann schon wieder zurück, denn es ist absolut nichts Persönliches, sondern resultiert lediglich aus der eigenen Überforderung und ist durchaus im Sinne von Selbstschutz einzuordnen, da ich dadurch einen noch viel schlimmeren Overload verhindern kann. Das kann mal eine langandauernde Phase sein, manchmal reicht auch nur ein einziges Wochenende.
    Nur wenn ich dann mit haltlosen Vorwürfen konfrontiert werde, wird die Situation unerträglich für mich, und dann komme ich tatsächlich nicht mehr zurück. Das ist schade. Es endet ja nicht immer so krass, aber vermutlich reagiere ich aufgrund dieser Negativerfahrungen schon auf "harmlosere" Vorhaltungen zu sensibel.


    LG Annette

  • Hallo 8)


    Zitat

    Zitat von »Christine«
    PS Oliver hat seit gestern Abend eine Lehrstelle als Polymechaniker
    Hurra
    Wie toll ist das denn, ich freu mich riesig für euch.
    Pascal hat seit einer Woche ebenfalls seine Zusage für eine KV-Lehre.


    Juhui, auch ich gratuliere Beiden ganz herzlich!!


    @ Annette
    ich lass Christine Deine Frage beantworten, ich weiss Dir darauf auch keine Antwort..
    Ich persönlich bin froh wenn mir jemand so direkt sagt was er meint. Ansonsten verstehe ich ihn schlecht. Ich würde Dich dann wahrscheinlich einfach fragen ob Du wieder zurück kommst..


    lg an euch
    dani

  • @ Annette auch von mir herzlichen Glückwunsch zur Lehrstelle :)


    Ja, das mit der Ehrlichkeit ist ein ganz heikles Thema. Nt's wollen wohl lieber belogen werden, weil sie dann "unversehrt" bleiben. Wenn du bei einem Rückzug sagst, dass du mit einer Grippe im Bett liegst, also lügst, dann versteht das jeder Nt und wird dir noch gute Besserung wünschen. Es hat ja dann nicht direkt etwas mit der anderen Person zu, sondern die Grippe ist verantwortlich.
    Wenn du aber ehrlich bist, dann fühlt sich der NT schlecht, weil er denkt, dass es etwas mit ihm zu tun hat. Weil es ja eben in der NT Welt nicht üblich ist, einander immer die ungeschminkte Wahrheit zu sagen. Die NT Welt ist leider volle kleiner versteckter Lügen. Aber nicht um einander zu schaden, sondern um die Beziehungen zu sichern.


    Ich stelle es mir so vor, als wenn Menschen eben nur im Verbund überleben können und sich deshalb immer sicher sein müssen, dass der Nachbar immer noch wohlgesinnt ist. Deshalb auch die Grüsserei, der Smaltalk, das in die Augen schauen und andere solche Höflichkeitsformen. Sie bestätigen immer wieder, dass wir einander wohlgesinnt sind. (Was wir ja im Grunde genommen auch sind.) Aber der NTMensch muss sich diese Gewissheit immer wieder bestätigen lassen. Und weil alle immer auf diese Formen achten und halt die Mehrheit der Menschen NT's sind, ist es sehr ungewöhnlich, wenn jemand diese Formen nicht anwendet.


    In Amerika habe ich gehört, behält man das Messer nicht in der Hand zum essen, sondern schneidet die ganze Mahlzeit zu legt das Messer neben den Teller und isst dann nur mit der Gabel. Das habe seinen Urprung von Früher, wo das Messer als Waffe eingesetzt wurde. So signalisierte ein abgelegtes Messer, ich vertraue dir, ich lasse dich in Ruhe wärend dem Essen.
    Auch das ist eine Form von Regel, die erst beim Hinterfragen sinnvoll erscheint. Natürlich hat das Essmesser heute nicht mehr die Bedeutung wie früher ;) Und in Europa werden ja auch nicht massenweise Menschen bei Tisch ermordet ;)


    Daher haben auch unsere Höflichkeitsformen einen Ursprung, der sich uns nicht immer gleich erschliesst. Und vieles wäre heute sicher nicht mehr nötig, weil aber der Mensch nun mal alles immer gerne gleich hat, werden unsere Umgangformen nur wenig geändert.


    Es gilt also nun ein Form zu finden, wo du Annette ehrlich sein kannst, weil du nicht lügen willst/kannst und gleichzeitg den an Lügen gewohnten NT nicht zurückstösst.
    Wenn du deinen Rückzug mit körperlichen Symptomen beschreiben kannst, kann der NT das besser akzeptieren als wenn du von psychischen Symptomen sprichst.
    Beispiel " Ich habe Herzrasen, ich muss mich hinlegen", " , ich bin dermassen erschöpft, habe kaum Kraft zum stehen, ich melde mich bei dir, wenn ich wieder bei Kräften bin"
    oder so ähnliche Dinge...


    hilft das etwas??


    LG Christine

    Berner Familie mit 5 Kindern, 92/95/96/98/01 Nr. 3 Asperger Junge, Nr. 5 frühkindlicher Autist

  • Vielen Dank, Christine, für deine sehr informative und ausführliche Antwort.


    Das ist auch meine Beobachtung, dass konkrete Aussagen leider persönlich genommen werden.


    Ich kann das mit den „kleinen Lügen“ nicht nachvollziehen. Also ich verstehe schon, was du mir erklären möchtest. Aber ich kann nicht begreifen, weshalb man eben solche Not-(?)-Lügen hören möchte und dies dann auch selbst so praktiziert. Belügt man sich und andere nicht tagtäglich immer wieder aufs Neue? Ist das nicht anstrengend, ständig neue „kleine Lügen“ zu erfinden, verstrickt man sich letztlich nicht in einem „Lügengestrüpp“?


    Mir fällt das sehr schwer, das auf diese Art anzuwenden.
    Oftmals kann ich meine eigene Befindlichkeit doch selbst gar nicht beschreiben, ich merke einfach nur, dass es bei jeder weiteren Ansprache immer schlimmer wird und ich innerlich beinahe explodiere. Ich werde motorisch auffällig, indem ich nicht mehr ruhig sitzen bleiben kann, bin stark angespannt,kann mich schlecht konzentrieren, nehme Reize noch stärker wahr. Wenn ich meinem Gegenüber also sage/schreibe, dass mich Kommunikation/Kontakt derzeit extrem stresst, bezieht mein Gegenüber das auf sich selbst, obwohl ich zuvor eigentlich erklärt habe, dass es einfach in der Summe zu sehen ist und nicht in der einzelnen Situation.


    Wenn ich es doch zuvor erklärt habe, wieso kann man das nicht nachvollziehen, was ich damit meine?



    Kommunikation, insbesondere im direkten Gespräch, ist für mich wirklich sehr anstrengend, auch wenn ich das ab und an ganz gut überspielen kann (dann kommt es aber nach dem persönlichen Kontakt umso mehr hervor).
    Manchmal bin ich auch so stark fokussiert auf eine Sache, dass ich nicht mehr realisieren kann, was mein Gegenüber sagt. Ich nehme kein Wort wahr – begreife weder den Sinn des Gesagten, noch wer jetzt etwas gesagt hat. Das ist mir erst gestern bei der Arbeit wieder geschehen. Wenn dann zwei Kollegen vor mir stehen, mich ansprechen, zu einer bestimmten Sache befragen (die ich doch eigentlich weiss) und ich bin so sehr verwirrt, dass ich selbst schon nichts mehr sagen kann. Die denken dann, ich bin völlig bescheuert, weil ich gar nicht mehr reagiere, stellen dieselbe Frage zwei-/dreimal, bis ich wieder „auftauche“.


    Das kostet einfach sehr viel Kraft, dies zu verhindern und wie man sieht, gelingt es mir ja nicht wirklich. Ich weiss nicht, wie ich das verhindern kann...


    Das wirkt sich unweigerlich auf mein nachfolgendes Sozialverhalten aus, was bedeutet, dass ich es kaum ertragen kann, wenn im Zug jemand neben mir sitzt, ich beginne mit den Beinen zu wackeln etc. Oder ich laufe an Leuten vorüber, die ich zwar eigentlich „kenne“, diese aber nicht wahrnehme, somit u. U. nicht grüsse etc.
    (Wobei das Grüssen an sich ja schon von vornherein eine schwierige Angelegenheit ist, da ich Leute an nicht „passenden“ Orten nicht wiedererkennen und zuordnen kann (Prosopagnosie) und die Leute ohne Absicht durch Nichtbeachten verletze. Kommt dann noch mein persönlicher Stress bezüglich Kommunikation hinzu, erkenne ich nicht einmal mehr die Stimme von bekannten Leuten.)


    Und es wirkt sich natürlich auf die weitere Kommunikation mündlich/schriftlich aus, wobei wir wieder am Anfang meines Problems (Rückzug) wären.


    Das nervt mich ja selbst ziemlich heftig, weil ich da keine Lösung finde und mir dadurch sehr viel kaputt gemacht wird oder ich mir selbst kaputt mache... :(
    Und dass dann andere Leute von mir genervt sind - ja das verstehe ich...


    LG Annette

  • Hallo Annette


    Zitat

    Belügt man sich und andere nicht tagtäglich immer wieder aufs Neue? Ist das nicht anstrengend, ständig neue „kleine Lügen“ zu erfinden, verstrickt man sich letztlich nicht in einem „Lügengestrüpp“?


    Nein, eigentlich nicht, weil diese kleine Lügen immer denselben Charakter haben....ich will dem Gegenüber nicht weh tun. Wir Nt's haben das wohl von klein auf geübt, dass Schmeicheln und Lächeln eine bessere Atmosphäre schaffen, als immer ungeschminkt die Wahrheit zu sagen. Und deshalb fällt es Erstens gar niemanden mehr auf und ist Zweitens nicht schwierig.


    Aber ich verstehe schon, dass dir das komisch vorkommt. Du selber erträgst die nackte Wahrheit vom Gegenüber sicherlich besser als ich, ist das so? Oder fühlst du dich manchmal auch zurückgestossen, wenn du angeschnautzt wirst?
    Wie ergeht es dir, wenn du im Zug ausnahmsweise Jemanden kennst, der aber nicht auf dein Grüssen reagiert?


    Eines haben wohl alle Lebewesen gemeinsam. Jeder ist sich selbst der Nächste!


    Liebe Grüsse
    Christine
    PS sorry, wenn ich nur so kurz antworte, aber ich bin gerade sehr müde und kann meine Gedanken nicht richtig ordnen.

    Berner Familie mit 5 Kindern, 92/95/96/98/01 Nr. 3 Asperger Junge, Nr. 5 frühkindlicher Autist

  • Das ist wirklich alles sehr merkwürdig.


    Ich bekomme ja selten die direkte Wahrheit gesagt. Das ist ja mein Problem. Es wird ganz viel zwischen den Zeilen mitgeteilt. Da werden Aussagen gemacht, die gar nicht so gemeint sind, die man interpretieren soll. Das klappt bei mir aber nicht gut, ich erkenne meist nicht, was man mir dann eigentlich sagen möchte.


    Ansonsten kann jeder Kritik mir gegenüber äussern. Ich diskutiere und argumentiere aber gerne und lasse nicht so leicht von meinem Standpunkt ab. :whistling: Also muss die mir entgegengebrachte Kritik schon sehr deutlich formuliert und auch aussagekräftig sowie logisch nachvollziehbar sein. Dann kann ich mich für mein Fehlverhalten oder was auch immer kritisiert wird, entschuldigen und versuchen es zu ändern.


    Und das mit dem Grüssen im Zug ist mir tatsächlich noch nie passiert. Ich pendele tagtäglich mit dem Zug, gehe zielstrebig auf einen anfixierten Platz zu, nehme mein Buch oder schaue aus dem Fenster. Wer da ansonsten im Zug sitzt, nehme ich nicht wahr. Ich bin schon mit Leuten aus der Nachbarschaft gefahren, hab das gar nicht gemerkt, habe diese Leute erst gar nicht als meine Nachbarn erkannt, erst als die hinter mir zu den Wohnhäusern gelaufen sind.



    Ich wünsche dir gute Besserung und dass du ein bisschen Ruhe bekommen kannst.


    LG Annette