Gefühlswahrnehmung

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    Kapitel 1


    Dank dem Beitrag Fernseh-/Kinospot für mehr Verständnis für Autismus


    ist mir schlagartig bewusst geworden, wie unterschiedlich Menschen wahrnehmen
    und es tatsächlich äusserst schwierig sein muss, Autismus zu begreifen, genau so,
    wie es für Autisten schwer ist, Nicht-Autisten immer zu begreifen und zu verstehen.


    Im Moment versuche ich diese Information zu verarbeiten und bin etwas verwirrt.
    So klar und deutlich wurde mir dies noch nie vermittelt und bewusst gemacht.


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    Ich lade sowohl Autisten wie auch Nicht-Autisten dazu ein, zu beschreiben,
    wie sie Gefühle wahrnehmen. z.B.: Welche Kanäle benützt ihr dazu?


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  • Ich hab noch nie so wirklich darüber nachgedacht.
    Eigentlich hab ich es immer als etwas natürliches und selbstvertändliches gsehen, habe mich noch nie gefragt wie das eigentlich funktioniert.
    Es ist komisch und fehlt mir richtig schwer. Wie erklärt man das? Vorallem woher weiss ich eigentlich das andere wenn sie traurig oder glücklich sind
    das gleiche empfinden als ich?
    Das einzige was mir dazu einfällt, was ich irgendwie erkären kann ist meine Nervosität, welche sich körperlich bemerkbar macht.
    Dann hab ich oft Schüttelfrost und Magenschmerzen.
    Ansonsten hab ich keine Ahnung. Find ich aber ein sehr gutes thema.
    Werde mich wohl eine weile damit beschäftigen und mir denn Kopf zerbrechen.

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    Kapitel 2


    Meine Gefühlswelt ist einfach zu beschreiben:


    Freude, Traurigkeit, Liebe, Hass, Hoffnung,
    Enttäuschung, Wut, Verständnislosigkeit,
    Verwirrung, Hilflosigkeit, Angst, Schmerz,
    Einsamkeit, Sehnsucht, Zufriedenheit, Geduld


    Ich bin der introvertierte Typ.
    Meine Gefühle richten sich gegen innen u. kommen selten nach aussen.
    Wenn sie nach aussen kommen, dann explosiv u. schmerzhaft für mich.


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    Am liebsten mag ich das Gefühl der Zufriedenheit. Es ist ruhig und entspannt.
    Dieses Gefühl kenne ich nicht im Zusammensein mit Menschen. Es ist für mich
    alleine. Dann wenn ich z.B. fotografiere u. mich auf nichts anderes konzentriere.
    Ich warte auf das Bild und klicke auf den Auslöser. Nur das Bild, ich höre nichts,
    ich sehe nichts, nur das Bild durch die Kamera, nur diesen Ausschnitt der Welt,
    alles andere existiert nicht mehr. Ich bin entspannt, konzentriert und warte. Oder
    beim Tauchen. Die Sicht ist eingeschränkt, fokussiert auf den Ausschnitt, keine
    Geräusche, nur dieser Ausschnitt der Bildwahrnehmung, Ruhe u. Entspannung.


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  • Zitat von Karen katherina
    Was meinst du mit intuitiv?


    Intuitiv, so etwas:
    Subjektive Wahrnehmung u. Stimmigkeit eine Entscheidungen zu
    treffen, ohne bewussten Gebrauch des Verstandes. Eine kreative
    Möglichkeit der Umsetzung von "Eingebungen".


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  • Etwas wie eine spontane Handlung?
    Ich weiss nicht ich hab oft auch schwierigkeiten meine gefühle auszudrücken, aber ich glaube es liegt mehr daran dass ich keine Schwäche zeigen möchte. Dabei ist das eine meiner grössten. Wie sollen aussenstehende bgreifen das es mir z.b nicht gut geht wenn ich das absichtlich verberge.
    Auch die wut und die frustration verstecke ich gerne, dass problem ist das ich das dann nach längerer zeit nicht mehr verstecken kann und dann passiert mir ähnliches wie dir eine kleine explosion nach aussen, weil es dann für viele unerwartet kommt sind sie meist etwas schockiert.

  • Zitat von Karen katherina
    ich hab oft auch schwierigkeiten meine gefühle auszudrücken, aber ich
    glaube es liegt mehr daran dass ich keine Schwäche zeigen möchte.


    Das ist interessant für mich. Du vernetzt Gefühle mit Sozialverhalten.


    Danke, Du hast eine wichtige von meinen Fragen beantwortet.


    Gruss Nic


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  • (Lach) du hast recht ist mir gar nicht aufgefallen das macht es wiederum auch für mich interessant. Das heisst so etwas machst du nicht?
    Ich glaube ich tue das weil uns das schon als Kind so vermittelt wird. Vielleicht mal ein Beispiel dazu damit du mich verstehst.
    Ein Kind weint weil es traurig ist, weil seine Mutter für eine weile geschäftlich reisen geht.
    Der Vater sieht das Kind weinen und sagt ihm: hör auf zu weinen sonst wird die Mama auch traurig.
    Das Kind reisst sich zusammen weil es nicht möchte das seine mama seinetwegen traurig wird,
    Es hört auf zu weinen versucht zu lächeln, aber innerlich bleibt die traurigkeit trotzdem.


    Ich hoffe das beispiel ist etwas hilfreich?

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    Kapitel 3

    Schlussfolgerung 1


    Da sich die Gefühlswahrnehmung unterscheidet,
    unterscheidet sich oft auch das Sozialverhalten.


    Im Endeffekt ist die Frage nach
    der Gefühlswahrnehmung wichtiger,
    als die Frage nach der Gefühlswelt.


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  • Zitat von Karen katherina
    Das Kind reisst sich zusammen weil es nicht
    möchte das seine mama seinetwegen traurig wird,


    Gelernte Empathie führt zu einem verbesserten Umgang mit den
    eigenen Gefühlen und den Gefühlen der Mitmenschen. Womit ein
    angenehmeres Miteinander entsteht: Ein gelerntes Sozialverhalten,
    das auf Rücksicht und Verständnis beruht.


    Was aber passiert, wenn der Vater abwesend ist
    und die Gefühlswahrnehmung sich unterscheidet?
    Im Sinne, dass keine Tränen sichtbar sind?


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  • Gute Frage
    Kommt wahrscheinlich auf die situation darauf an, je nachdem merkt die Mutter das mit dem Kind etwas nicht in ordnung ist das er sich bedrückt fühlt. Weil er ruihger ist als sonst oder vielleicht anhänglicher. Fragt was los ist. Vielleicht tröstet sie das Kind und sagt ihm es soll nicht traurig sein. Sie würde bald zurückkommen.
    Könnte aber auch anderst ablaufen vermutlich.

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    Kapitel 4


    Gefühle wahrnehmen,
    sowohl die eigenen, wie auch die der Mitmenschen.


    Mit Gefühlen umgehen können
    bedingt: Gefühle bewusst wahrnehmen, verarbeiten und
    einschätzen können, was man mitteilen kann, darf, muss.


    Sozialverhalten
    Wer sich seiner eigenen Gefühle bewusst ist, kann auch die Gefühle
    der Mitmenschen besser verstehen und darauf Rücksicht nehmen.


    Soweit logisch und verständlich für mich.


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    Die entscheidende Frage ist:
    Wie teilen sich die Menschen ihre Gefühle mit?


    Meine Wahrnehmung der Gefühle der Mitmenschen läuft nicht auf der Ebene ab,
    welche im Film-Beispiel aufgezeigt wurde (Link erster Beitrag).
    Etwas fehlt mir, wie wird die Kompensation gelöst?


    Oder anders gefragt:
    Worauf muss mein Gegenüber achten, damit er mir seine Gefühle mitteilen kann?
    Oder anders gefragt:
    Wie nehme ich die Gefühle meiner Mitmenschen wahr? Ich frage nach dem Kanal.


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  • Mir ist gar nicht bewusst wie sebstverständlich das bei uns ablauft und bei anderen gar nicht. Das muss unglaublich schwierig sein.
    Aus meiner sicht: durch das Benehmen der anderen Person, durch die mimik ( gesitsausdruck), Körpersprache, aber auch durch die Stimme.
    Hilft dir das?


    Gruss Karen


  • Ich lade sowohl Autisten wie auch Nicht-Autisten dazu ein, zu beschreiben,
    wie sie Gefühle wahrnehmen. z.B.: Welche Kanäle benützt ihr dazu?

    Hallo Nic,

    Das ist ein spannendes und schwieriges Thema. Ich versuche so gut es geht zu beschreiben wie das bei mir funktioniert.

    Ich habe viele Gefühle, manchmal mehrere gleichzeitig. Was ich sehr schlecht kann: Gefühle mit Worten beschreiben. Darum antworte ich z.B. auf die banale Frage "Wie geht es dir?" mit "Danke, gut.". Das ist nicht immer ehrlich aber diese Antwort schützt mich davor in einen Dialog verwickelt zu werden der mich überfordert.

    Gefühle sind einfach da, sowohl meine wie auch jene, die ich glaube bei anderen erkennen zu können. Wobei ich bei der Wahrnehmung von Gefühlen anderer oft falsch liege, sogar bei meiner Frau die ich nun schon seit 15 Jahren kenne. Oft verwechsle ich z.B. "müde" mit "hässig" ,"nachdenklich" oder "traurig".

    Welche Kanäle nutze ich zur Wahrnehmung?
    Sicher mal der Gesichtsausdruck und die gesamte Körperhaltung. Die Stimme ist auch sehr wichtig. Von den Augen kann ich selten was erkennen weil ich Blickkontakt nicht aushalte und meide.

    Mir wurde, ähnlich wie bei dir Nic, beim Betrachten des Fernseh-/Kinospots bewusst, wie viele Gefühle und Emotionen in so einer kurzen Szene vorkommen können. Einige wenige habe ich erkannt, die meisten nicht, auch weil es zu schnell geht.


    Frage an Nicht-Autisten: Ist für euch das Erkennen von Gefühlen und Emotionen einfach oder auch eher schwierig?


    qd5



  • Zitat von qd5
    Gefühle sind einfach da, sowohl meine wie auch jene,
    die ich glaube bei anderen erkennen zu können.


    Dieser Satz gefällt mir und er hat enorme Auswirkung,
    wenn man ehrlich darüber nachdenkt. Wer behauptet,
    dass er sich seiner Gefühle immer bewusst ist und sie
    absolut kontrollieren kann, muss mir bitte erklären, wie
    er das zustande bringt.
    Mir gefällt auch, dass die Idee, immer zu wissen, was
    andere fühlen, wahrheitsgemäss in Frage gestellt wird.


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  • Zitat von qd5
    Was ich sehr schlecht kann: Gefühle mit Worten beschreiben.


    Gefühle ohne Zusammenhang gibt es m.E. nicht.


    Wie soll man Freude beschreiben?
    Automatisch wird das Geschehen, das Erlebnis beigezogen.


    Wenn nun jemand fragt: "Wie geht es Dir?" Gibt es keine absolute Antwort, nur der
    Moment ist gefragt und da ich mich im Moment am Beginn eines Gesprächs befinde,
    ist da nichts, was ich mit Gefühl 'gut' oder 'schlecht' oder sonst etwas definieren
    könnte, am ehesten würde zutreffen: "Wird sich weisen müssen, je nachdem wie das
    Gespräch verlaufen wird, wird es mir gut oder schlecht gehen."
    Aber das zu sagen,
    macht keinen Sinn, weil mein Gegenüber eine ehrliche Antwort nicht erwartet und
    das zu wissen, nennt man Sozialkompetenz.


    Gruss Nic


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