Gefühlswahrnehmung

  • Hallo Nic,

    Vielen Dank für deine Antworten und Gedanken.

    Du schreibst:
    "Wer behauptet, dass er sich seiner Gefühle immer bewusst ist und sie
    absolut kontrollieren kann, muss mir bitte erklären, wie er das zustande bringt.
    "


    Ja, das muss man mir auch erklären. Ich bin sehr interessiert daran, mehr darüber zu erfahren.

    qd5

  • Auch die wut und die frustration verstecke ich gerne, dass problem ist das ich das dann nach längerer zeit nicht mehr verstecken kann und dann passiert mir ähnliches wie dir eine kleine explosion nach aussen, weil es dann für viele unerwartet kommt sind sie meist etwas schockiert.

    Hallo Karen Katherina

    Ich merke immer viel zu spät, was mit mir los ist. Auch bei Wut, Ärger und Enttäuschung warte ich zu lange bis ich reagiere. Entweder kann ich dann nicht schlafen oder ich reagiere zu stark mit einem für die anderen völlig unerwarteten Wutausbruch. Für die anderen gelte ich immer als neutral und ausgeglichen, auch in schwierigen Situationen.

    Oft habe ich starke Gefühle brauche aber ein paar Stunden oder Tage bis ich verstehe was sie bedeuten.

    qd5

  • Bei dem Film habe ich die Emotionen wahrnehmen können, aber nicht ganz so abgestuft eingeteilt, wie es beschrieben wurde. Ich denke ich konnte wahrnehmen, ob es positive oder negative Emotionen waren.


    Zu Beginn wird die Traurigkeit dargestellt. Für mich war das kein perfektes Beispiel für 'traurig sein'. Ich hätte es mit 'nachdenklich sein' beschrieben.

  • Zitat

    Welche Kanäle nutze ich zur Wahrnehmung?


    Ich nehme die Gefühle anderer auch durch ihre Mimik, Körperhaltung war. Aber oft vergesse ich darau zu schauen und merke z.B. nicht, dass die Person die ich anspreche, eigentlich angedeutet hat, dass sie in Ruhe gelassen werden will.


    Was ich schon bemerkt habe ist, dass die Leute ihre Mimik etc. manchmal unbewusst und manchmal bewusst anwenden. Das man auf Mimik etc. schauen kann, weiss ich eigentlich gar noch nicht so lange.


    Ich bin manchmal dankbar, wenn Leute mir sagen, wie es ihnen geht, dann kann ich mich besser darauf einstellen.

  • Frage an Nicht-Autisten: Ist für euch das Erkennen von Gefühlen und Emotionen einfach oder auch eher schwierig?


    Hallo qd5
    Für mich ist es einfacher Gefühle und Emotionen an Menschen die ich gut kenne zu erkennen. Da ich weiss wie sie sich normalerweise benehmen. Bei fremden Menschen fällt mir das manchmal schon schwieriger weil man diesen vorher (normalerweise) nacher (je nach Gefühl) Effekt nicht hat. Wie gesagt bei mir funktioniert das eher automatisch ich muss mich also nicht speziell auf die Mimik konzentrieren. Ich würde auch behaupten das liegt daran das ich mich in die Lage der anderen versetzen kann. Ein Beispiel dazu: Wenn ich mir im Kino einen traurigen Film anschaue muss ich weinen und fühle mich traurig, obwohl mir selber nichts trauriges passiert ist. Ich weiss nicht ob das Autisten auch können?
    Ich kann nur ganz ehrlich sagen das auch wir nicht Autisten die Emotionen der anderen richtig einschätzen und einordnen können, weshalb es ja sehr oft zu Konflikten führt.
    Wie gesagt es sind meine Behauptungen, Erfahrungen und Gedanken dazu ich will nicht sagen, dass das auf jeden zutrifft.
    Grüsse Karen

  • ----------


    Der Zeitfaktor spielt für mich eine grosse Rolle. Bis ich alles erfasst,
    analysiert und verarbeitet habe, ist meist alles schon längst vorbei.


    Gefühlswahrnehmung, Gefühlsverarbeitung, Sozialverhalten


    Alles steht in Verbindung und meist scheine ich nicht dazu zu passen, insb.
    in Gruppen entstehen oft Schwierigkeiten, die meist in einem Chaos enden.


    In Dialogen zu zweit, falle ich für viele weniger auf. Allerdings ist es wichtig,
    wen ich mir gegenüber habe und in welcher Situation wir uns befinden.
    Umgebung, Erwartungshaltungen, Zielsetzungen, Umgangsformen etc.


    Ich ermüde relativ schnell und mein Kopf braucht dann Ruhe und ich möchte
    nur noch alleine sein, mich zurückziehen können, nach Hause gehen. Mein
    Hund ist für mich eine Stütze, die ich heute ganz bewusst u. gerne annehme.


    Gefühlswahrnehmung ist weit mehr als Mimik und Körpersprache


    Beispiel:


    Wenn man Zynismus nicht erkennt, kann man die Gefühle,
    welche die Situation prägen, ebenfalls nicht erkennen.


    ---

  • Hallo Heidi

    Vielen Dank für die Infos. Ich denke darüber nach. Ich glaube, es gibt noch etwas,
    das bei mir anders verläuft, selbst wenn mir mein Gegenüber seine Gefühle
    sprachlich direkt mitteilt, sind meine Reaktionen offenbar auch nicht immer
    verständlich. Ich muss das gut überlegen. Es sind gerade sehr viele Infos, die ich
    erhalten habe und mir fällt das verknüpfen ziemlich schwer, was ich jetzt wohin
    mitnehmen kann und wo zuordnen muss. Was wann wie gemeint ist, meine ich,
    weil sich ständig wieder etwas Neues dazu ergibt aber offenbar nicht neu sein soll.
    Sehr verwirrend und umfangreich dieses Thema.

    Gruss Nic


    ---

  • Zitat von Heidi
    hängender Kopf


    Hallo Heidi


    Das erklärt mir, warum mich manche Menschen als depressiv wahrnehmen und
    ich keine Ahnung hatte, warum. Ich laufe mit dem Kopf nach unten, damit ich
    meinen nächsten Schritt sehe, wo ich hintrete. Wenn Kopf unten also hängender
    Kopf Traurigkeit bedeutet, dann muss ich auf andere einen wirklich traurigen
    Eindruck machen, weil ich meinen Kopf meist so halte aber das hat bei mir
    nichts mit Traurigkeit zu tun, sondern mit Konzentration.


    Du hast mir etwas wirklich wichtiges mitgeteilt,
    auch die Körperhaltung kann zu
    Fehlinterpretationen und Missverständnissen führen.


    Gruss Nic


    ---

  • Hallo Nic


    Es freut mich, dass Du eine für Dich so wichtige Erkenntnis herausfiltern konntest.


    Deine Beschreibungen helfen mir im Gegenzug sehr, unseren Sohn, respektive seine Wahrnehmungsart besser kennen-und verstehen zu lernen, was mir/ uns im allgemeinen Alltag hilft.


    Dafür möchte ich mich gerne bei Dir bedanken
    lieber Gruss Heidi

  • Hallo Karen Katherina


    Bitte entschuldige meine späte Antwort, die Tage sind wieder so schnell vorbei gegangen.


    Ich finde, die bist sehr überlegt und differenziert, das schätze ich sehr!

    Für mich ist es einfacher Gefühle und Emotionen an Menschen die ich gut kenne zu erkennen. Da ich weiss wie sie sich normalerweise benehmen. Bei fremden Menschen fällt mir das manchmal schon schwieriger weil man diesen vorher (normalerweise) nacher (je nach Gefühl) Effekt nicht hat.

    Das gilt teilweise auch für mich. Bei Menschen die ich gut kenne kann ich eher deren Gefühle wahrnehmen. Aber selbst bei meiner Frau, die nun schon seit 14 Jahren kenne, habe ich immer wieder Mühe damit. Wenn ich es schaffe und merke, dass meine Wahrnehmung unsicher ist, dann frage ich ganz direkt nach, z.B.: "Was ist los, bist du wütend?". Bei fremden Menschen ist das ganz schwierig, da habe ich auch Mühe Humor und Ironie zu verstehen. Aber je mehr ich mit einem Menschen zu tun habe und ihn besser kennen lerne, desto eher kann ich die feinen Unterschiede in den Emotionen erkennen. Das ist bei mir mehr ein denkender Vorgang als intuitive Wahrnehmung.


    Wie gesagt bei mir funktioniert das eher automatisch ich muss mich also nicht speziell auf die Mimik konzentrieren.

    Das ist sehr interessant! Ich versuche manchmal verzweifelt aus der Mimik bei anderen schlau zu werden und scheitere oft. Vielleicht konzentriere ich mich dabei zu stark auf Details und sollte mich mehr auf den Gesamteindruck konzentrieren.


    Ein Beispiel dazu: Wenn ich mir im Kino einen traurigen Film anschaue muss ich weinen und fühle mich traurig, obwohl mir selber nichts trauriges passiert ist. Ich weiss nicht ob das Autisten auch können?

    Ja, das ist mir auch schon passiert. Weinen kommt wirklich sehr selten vor, aber ich kann mich traurig fühlen während eines Filmes. Vielleicht auch darum, weil das ein Gefühl ist, das mich während der Kindheit oft begleitet hat.


    Ich kann nur ganz ehrlich sagen das auch wir nicht Autisten die Emotionen der anderen richtig einschätzen und einordnen können, weshalb es ja sehr oft zu Konflikten führt.

    Das ist sehr ehrlich von dir! Genau das glaube ich auch. Emotionen erkennen, verstehen, benennen und passend darauf reagieren können ist meiner Meinung nach für alle schwierig, egal ob man eine Form von Autismus hat oder nicht. Für Menschen mit Autismus ist das aber viel schwieriger.


    Wie gesagt es sind meine Behauptungen, Erfahrungen und Gedanken dazu ich will nicht sagen, dass das auf jeden zutrifft.

    Auch hier kann ich nur zustimmen. Meine Wahrnehmung ist eine andere als diejenige der anderen Menschen. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung. Dessen sind sich Viele gar nicht bewusst.


    qd5

  • Hallo Heidi


    Was ich jetzt schreibe, sind nicht Fakten,
    sondern Vermutungen,
    über die ich mir selber noch nicht wirklich im Klaren bin.


    These


    Ich nehme Gefühle meiner Mitmenschen wahr,
    nicht auf die gleiche Weise wie Nicht-Autisten,
    nicht in dieser Differenziertheit und nicht in diesem Tempo.


    Welche Kanäle ich benütze sind offenbar
    gänzlich unterschiedlich von Nicht-Autisten.


    Diese Kanäle zu beschreiben, fällt mir schwer, da ist bestimmt die Akustik
    aber noch etwas anderes, eine Form
    von Sinneswahrnehmung oder Bewusstsein
    des Gehirns, die noch zu wenig erforscht ist.


    Wie ich mit Gefühlen umgehe, das scheint mir ein grosser Unterschied
    zu sein, ganz besonders im sozialen Umgang. Und hier sehe ich ein
    besonderes Merkmal von Autismus, wie dieser sich bei mir auswirkt und
    oft zu Unklarheiten, Missverständnissen und auch Konflikten führen kann.


    Ich muss das überdenken. Marco schreibt, dass er die Aura sehen kann, er hat also
    eine Wahrnehmung seiner Mitmenschen, die über einen Kanal läuft, der nicht allen
    Menschen gegeben ist. Offenbar habe ich eine Wahrnehmung, die auch nicht allen
    Menschen gegeben ist und nur funktioniert, wenn ich dem Menschen real begegne.


    Was genau nehme ich wahr? Die Gefühle? Die Grund-Charaktere?
    Hierzu muss ich sagen, dass ich fast immer überfordert bin in
    Anwesenheit von Menschen. Das erschwert die differenzierte
    Zuordnung, was ich wann wie wahrnehme und wie damit umgehe.


    Gruss Nic


    ---

  • Hallo Heidi


    Was ich mit absoluter Sicherheit sagen kann:


    Ich nehme die Absichten meines Gegenübers nicht wahr.


    Das hat Folgen, die oft zu Überraschungen führen, die beidseitig
    zu Irritationen führen kann und für alle nicht immer angenehm sind.


    Und hier liegen wahrscheinlich ebenso mögliche
    Ursachen für ein unterschiedliches Sozialverhalten.


    Gruss Nic


    ---

  • Schlussfolgerung 2


    Nichts kann man einzeln betrachten - Die Kombination ist wichtig


    Gefühlswahrnehmung, Umgang mit Gefühlen, Sinneswahrnehmung,
    Grund-Charaktere, Umgangsformen, Körpersprache, Sprachanwendung,
    Absichten erkennen - erst alles Zusammen führt zum Sozialverhalten


    ---

  • Ein Beispiel aus meinem Leben.


    Zur Zeit gehe ich gerne in den Zoo und fotografiere. Wenn ich fotografiere,
    bin ich voll und ganz auf die optische Bildwahrnehmung konzentriert.


    Gestern sprach mich ein Mann an: "Spiegelt das nicht im Glas?" Es brauchte eine
    Weile, bis ich die Worte aufnahm, zuordnen konnte und schlussendlich reagierte.
    Ich hatte keine Worte, ich wusste nicht, was ich sagen soll. Also schaltete ich das
    Display ein und hielt ihm das Foto hin. "Oh, das ist ein gutes Foto." Ich nickte, mehr
    fiel mir dazu nicht ein. Der Mann "Das ist sicher ein gutes Objektiv." Ich sah auf seine
    Hände - leer - er hatte keine Kamera dabei. Ich wusste nicht, was ich sagen soll. Ich
    zeigte ihm auf dem Objektiv die Angaben der Lichtstärke. Er: "Ja, das ist sicher gut."
    Dann ging er und sagte zu seiner Begleiterin: "Der redet nicht mit Fremden aber ist
    nett." Ich stand da und dachte nach, was da gerade passiert ist und kann es mir nicht
    erklären. Und mein Nicht-Erklären-Können ist vielfältig. Zuerst, es war keine unan-
    genehme Situation, dennoch fühlte ich mich verunsichert, weil mir die Worte fehlten,
    das wiederum schien aber auf Toleranz zu stossen, weiter kam ich nicht …


    ---


    Das war das Foto, das ich gerade machte,
    ein Frosch, der mit seiner Umwelt verschmilzt.


    [Blockierte Grafik: http://www.planet-terra.ch/fotograf1/Forum/Frosch/Frosch-braun.jpg]


    ---

  • Zitat

    ...mehr fiel mir dazu nicht ein


    Mir geht es ähnlich. Mir fällt einfach in diesem Moment nicht ein was ich sagen könnte, und denke nachher, warum hast du nicht mehr gesagt?


    Wenn mir etwas einfällt, merke ich auch dass plötzlich etwas nicht mehr gut läuft und die Leute gehen. Aber was dieses etwas ist, weiss ich auch nicht.


    Mir wird der Kontakt schnell unangenehm, weil...?


    Ich habe lieber begrenzte Kontakte, z.B. fragen mich Leute nach dem Weg. Das macht mir nichts aus, ausser dass es schwierig sein kann, zu erklären.


  • (...) Und mein Nicht-Erklären-Können ist vielfältig. Zuerst, es war keine unan-
    genehme Situation, dennoch fühlte ich mich verunsichert, weil mir die Worte fehlten, (...)

    Hallo Nic,

    Du beschreibst das gut.


    Es gibt diese Momente wo man angesprochen wird und man weiss nicht was man sagen soll.


    Manchmal möchte ich nicht angesprochen werden. Wenn es trotzdem passiert bin ich genervt. Vor ein paar Tagen war ich in einem Elektronikfachgeschäft und schaute mich um. Ein Verkäufer kam auf mich zu und fragte: "Suchen Sie etwas?". Das mag ich nicht. Für solche Situationen habe ein Repetoir an Standardsätzen wie: "Nein, ich schaue nur." oder "Danke, aber mache das lieber selber". Wenn ich nicht reden kann sage ich einfach "Nein" und gehe weg.


    Deine Fotos sind sehr schön. Klare Farben und gestochen scharf. Ich nehme an, dass du dir viel Zeit nimmst bis du auf den Auslöser drückst.


    qd5