Nachteilsausgleich bei Berufs-, Fachprüfungen und an Hochschulen

  • Im Forum wurde die Frage gestellt, ob der Nachteilsausgleich auch in der beruflichen Grundausbildung und im Studium gilt. Grundsätzlich kann diese Frage mit Ja beantwortet werden. Der verfassungsmässige Anspruch gilt für alle Menschen mit Behinderung und zwar unabhängig von der Ausbildungsstätte, die besucht wird. Ich habe in meinem Bericht in der Tat den Fokus auf die Volksschule und die Mittelschulen gesetzt, weil ich dazu den grössten Bezug habe. Da ich selber aber auf dem ersten Bildungsweg eine kaufmännische Lehre absolviert habe, ist mir die Thematik einer Fachprüfung nicht unbekannt. Bei Berufs- und höheren Fachprüfungen hat es sich durchgesetzt, dass für Menschen mit Behinderung ein Antrag für einen Nachteilsausgleich gestellt werden kann. Dabei ist es wichtig, dass die Behinderung nachgewiesen wird. Dieser Nachweis wird i.d.R. mit einem oder mehreren Berichten von Fachpersonen mit klaren Empfehlungen erbracht. Auch Arbeitgeber können Anträge stellen und Empfehlungen abgeben.


    Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) hat dazu ein lesenswertes Merkblatt erlassen, welches diesem Beitrag beiliegt. In diesem Merkblatt wird der Anspruch anerkannt und es werden mögliche Prüfungsmöglichkeiten erwähnt (z.B. Organisation der Prüfung, Zeitzuschlag, Hilfsmittel), die Massnahmen sind im Einzelfall zu bestimmen. Das Merkblatt versucht auch die Grenzen des Nachteilsausgleichs zu umschreiben, wobei es dabei hauptsächlich um eine Abwägung geht. Das Bundesamt versteht den Nachteilsausgleich nur als "technische und organisatorische Massnahme" und überlässt den jeweiligen Entscheid den Prüfungskommissionen. Wird ein angemessen begründetes Begehren abgelehnt, ist dies nur mit einer ausreichenden Begründung möglich.


    Das BBT hat zudem einen Leitfaden für die individuelle Begleitung von Lernenden in der beruflichen Grundausbildung publiziert. Diese individuelle Begleitung ist für Jugendliche mit unterschiedlichen Schwierigkeiten gedacht und fokussiert die berufliche Grundausbildung.


    Für Studierende ist i.d.R. ebenfalls ein Nachteilsausgleich vorgesehen. Dieser ist meist in einem Reglement festgelegt. So sieht z.B. die Ordnung für das Bachelorstudium Rechtswissenschaft der Juristischen Fakultät der Universität Basel in § 31 Abs. 2 vor, dass bei Vorliegen besonderer Umstände, insbesondere bei Behinderung, die Studiendekanin bzw. der Studiendekan zum Nachteilsausgleich auch den Prüfungsmodus ändern "kann". Die Umsetzung obliegt sodann den zuständigen Stellen.

  • Sehr geehrter Herr Bellofatto


    Vielen Dank für Ihre Ausführungen auch bezüglich des Nachteilsausgleich auf universitärer Ausbildungsstufe. Ich danke auch für die Merkblätter. Ich hoffe ich kann somit einen Nachteilsausgleich bei den Prüfungen an der Uni erwirken.

  • Ich freue mich, wenn Betroffene den Bericht als Anlass nehmen, den zustehenden Nachteilsausgleich einzufordern.


    Der Nachteilsausgleich ist den Universitäten i.d.R. nicht fremd aber es ist wichtig, dass man Gutachten/Berichte mit klaren Empfehlungen einem gut begründeten und vollständigem Gesuch beilegen kann. Damit erreicht man, dass sich die angefragte Stelle mit allen Punkten auseinandersetzen muss und eine Ablehnung u.U. schwieriger wird, bzw. ebenfalls gut begründet werden müsste. Die entscheidende Stelle müsste zudem die verfassungsmässigen Grundsätze, wie Verhältnismässigkeit, Notwendigkeit und gesetzliche Grundlage in den Entscheid miteinbeziehen.



    Wenn man zudem darauf hinweist, dass im Falle einer Ablehnung auf einen anfechtbaren Beschluss bestanden wird, könnte das helfen aufzuzeigen, dass man bereit wäre, auch rechtliche Schritte zu überlegen.