Autismus HFA und das Asperger Syndrom. Das Gleiche oder doch völllig verschieden?

  • Diese Frage beschäftigt mich schon lange. Liest man in der Literatur, so könnte man glauben, dass sich mit den Jahren die Unterschiede auswachsen. Das heisst, das beide Diagnosen nicht mehr klar von einander unterschieden werden können. In Zukunft wird man vom Autismus Spektrum sprechen, trotzdem denke ich wird eine Einteilung in der Ausprägung der Symptome bleiben.


    Nun - wenn ich meinen Älteren vor mir sehe, erlebe ich ihn nach wie vor nicht als Asperger Autist. Seine Sprachprobleme sind immer noch da, die haben sich keinesfalls in Luft aufgelöst. Wirklich schade! Der Zugang zu den Fremdsprachen ist schwierig bis fast nicht möglich. Im Vergleich der Asperger Autist, ein Grossteil davon hat eine ausgesprochene Begabung für Sprachen. Dieses Problem ist mit dem Nachteilausgleich nicht zu lösen. Fremdsprachenkenntnisse werden in den meisten Berufen vorausgesetzt und so kann der Zugang zu den meisten Berufen, mangels Englisch- oder Französischkenntisse für immer verschlossen bleiben.


    Wenn ich die Probleme meiner Kinder sehe, frage ich mich manchmal schon, wo sind die anderen frühkindlichen Autisten. Wie haben sie den Einstieg in die Berufswelt geschafft, wie sind sie mit ihren Sprachproblemen klar gekommen. Oder stimmt die Aussage am Schluss doch, dass sie ihre Sprachprobleme in der Mutter- und Fremdsprache vollständig kompensieren konnten?
    Oder - finden wir sie nicht in der Berufswelt, weil ihre mangelhaften Sprachkenntnisse ihnen den Weg dazu verwehrt haben. Aber, wo leben diese anderen HFA Autisten. Zu Hause, bei den Eltern, in Heimen ... Wenn dem so wäre, ist hier noch viel zu tun. Viele Autisten sind nicht geistig behindert, sie haben nur Mühe sich auszudrücken, und wir - die Wirtschaft verschwenden dieses Potential und nützen ihre Begabung nicht?


    Tony Atwood sagte anlässlich der Tagung dieses Monats ein Unterschied der HFA zu den Asperger Autisten ist: Der Asperger Autist vergleicht sich immer mit seinen neurotypischen Kollegen, während ein HFA sich immer nur mit anderen Autisten aus dem Spektrum vergleicht. Diese Aussage brachte mich ins Grübeln. Wenn ich nun meine beiden Söhne vor mir sehe. Der Ältere zwar HFA, aber sehr nah beim Asperger Autismus und der Jüngere auch HFA, aber viel tiefer im Spektrum.


    Es ist tatsächlich so, dass der Ältere immer wieder Phasen mit depressiven Verstimmungen hat, weil er sich mit seinen Kollegen vergleicht, die studieren, denen es scheinbar so leicht gelingt, Freundschaften und Beziehungen zu pflegen. Im Vergleich zu ihnen, sieht er seine Probleme noch grösser werden, seine Qualitäten und Talente scheinen ihm in diesen Momenten nichts wert zu sein. Der dauernde Vergleich mit den Neurotypischen kann in einer Depression münden.
    Unserem Jüngeren ist es noch nie in den Sinn gekommen, sich mit seinen neurotypischen Schulkameraden zu vergleichen oder ihnen nachzueifern. Er hat nur einen Massstab und das ist er selbst oder vielleicht höchstens andere Autisten.



    Fallen euch andere Gemeinsamkeiten oder Unterschiede vom HFA zum Asperger Autismus ein?


    Liebe Grüsse
    Monica


  • Liebe Monica


    Vielleicht hilft Dir folgender Link weiter: http://www.youtube.com/watch?v…6A&feature=endscreen&NR=1


    Sagt Dir der Name Donna Williams etwas? Sie ist Schriftstellerin und selber HFA. Auf ihrer Webside könntest Du allenfalls auch noch Antworten auf Deine Frage finden.


    So wie an beiden Orten erklärt wird, scheint HFA (abgesehen vom verzögerten Spracherwerb) etwas tiefer im autistischen Spekturm zu liegen, also noch Detail fokusierter, die Wahrnehmung noch fragmentarischer, noch mehr in der eigenen Welt lebend bzw. noch weiter von der NT Welt entfernt und vielleicht - das ist aber nur eine Vermutung meinerseits - daher weniger "leidend" und Depressions gefährdet als Aspis.


    Danke übrigens noch für Deine Antwort auf meine Frage nach Tomatis. Ich habe es mir in der Zwischenzeit vor Ort angeschaut und bin etwas skeptisch. Übrigens habe ich auch Tony Attwood nach einem ihm bekannten Nutzen dieser Therapieform gefragt, worauf er dies sofort verneinte.. Was nicht alles aber doch etwas sagt.


    Hoffentlich konnte ich Dir etwas weiterhelfen.


    Herzlich, Lynn

  • Danke Lynn


    Leider sind meine Englischkenntnisse nur bescheiden. Sie reichen nicht aus, um aus dem Film von YouTube Nutzen ziehen zu können.


    Was bedeutet es mit HFA zu leben? Verglichen wird man mit dem Asperger Syndrom. Glaubt man dem, was in den Büchern steht, wächst sich der Unterschied sowieso aus. Was, wenn das nun alle glauben? Eltern, Lehrer, Coatch, zukünftige Arbeitgeber, etc...,


    Viele Lehrer machten in der Zwischenzeit Erfahrungen mit Integrationen von Aspergern. Nun sagen sie auch ja zur Integration eines HFA und stehen vor einem neuen Problem. Sämtliche Weisungen, die für Asperger vereinheitlicht worden sind, können nicht so für HFA übernommen werden. Ihre Schwierigkeiten sind, da sie tiefer im Spektrum stecken, gross. Aber auch diese Menschen haben ein Recht auf Bildung und später auf eine Arbeit, die sie erfüllt und ihnen ihren Lebensunterhalt sichert. Warum liest und hört man so wenig wie sich hochfunktionale Autisten entwickelt haben? Aus ihren Lebensgeschichten könnte viel gelernt werden, welche Unterstützung sie benötigen, woran sie evt. gescheitert sind. Ein HFA schrieb mir, dass er vermute, dass Eltern nicht darüber schreiben, weil es nichts Positives zu berichten gäbe. Diese Aussage stimmte mich sehr traurig! Sie zeigt mir aber auch, dass wir nicht nur für unsere Kinder, sondern auch für andere Menschen, die im Spektrum sind, kämpfen müssen.


    Was kann man sonst noch tun?


    Das Wichtigste überhaupt ist, dass jedes Kind (egal, ob behindert, krank oder gesund) sich von seinen Eltern geliebt und akzeptiert fühlt. Im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit. Leider scheint dies nicht jeder Autist für sich so zu erleben. Wer sich als Kind, Jugendlicher und später auch als Erwachsener ungeliebt und in seiner Art nicht akzeptiert fühlt, hat es sehr schwer ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln.


    Darum, liebe Eltern, liebt eure Kinder kompromisslos. Sie schätzen es sehr, wenn sie sich geliebt fühlen.


    Liebe Grüsse
    Monica

  • Hallo,


    ich hoffe ich verwirre hier niemanden.


    Also, so habe ich das bei meinen eigenen Recherchen gelernt, dröselt sich das wie folgt auf:


    Unterschied zwischen Asperger und frühkindlichem Autismus/Kanner: Die Sprachentwicklung. Beides schliesst sich gegeneinander aus, das war es dann eigentlich auch schon. Ist die Sprachentwicklung normal kann es kein Kanner sein => ergo beim Vorliegen anderer Symptome => Asperger. Und eben umgekehrt.
    Über den Schweregrad, wie viele denken, sagt die Diagnose nichts aus!


    HFA (also hochfunktional) oder LFA (Niedrigfunktional) sind dann, streng genommen, keine Diagnosen sondern Schweregradeinschätzungen. LFA entspricht dann, ich bediene mich mal eines Stereotyps, das was die meisten wohl unter Autismus verstehen. Also die wirklich besonders "schwere" Ausprägung.


    Viele Grüße


    Aleksander