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QuoteDisplay MoreHeute schreibe ich zum letzten Mal etwas zum Thema „Autismus und Alter“ ins Tagebuch. Das Thema hat mich zwei Jahre lang verfolgt, beruhigt und wieder erregt. Ich habe nun Klarheit, wie mein Alter aussehen könnte. Und ich habe vorgesorgt. Wer wissen möchte, was ich will und welche Vorstellungen ich habe, kann das in meinem Buch nachlesen.
Ich bin Ich. Ich habe eigenständige Gedanken und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Das soll mir niemand absprechen, wenn meine Eltern mich nicht mehr vertreten können.
Ich habe schon als junger Mensch die Erfahrung gemacht, dass ich unterschätzt wurde und dass man mich nicht für vollwertig ansah. Solche Erfahrungen müssen viele alte Menschen machen, wenn sie hilflos werden oder u. U. nicht mehr verständlich sprechen können.
Ich habe diese Erfahrung alten Menschen voraus. Ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn man Hilfen bei den intimsten Verrichtungen in Anspruch nehmen muss. Meine Menschenwürde wird dadurch aber nicht angetastet.
Ich bleibe Ich mit meinem besonderen Schicksal, meiner besonderen Geschichte und meinen besonderen Fähigkeiten, die manche Menschen gar nicht erkennen können.
Ich habe in meinem Leben viel Liebe und Wertschätzung erfahren. Das zählt und wird mir im Alter die Kraft geben, auch Menschen auszuhalten, die mit mir nichts anfangen können.
Auch das Sterben ist in meinem Bewusstsein. Es ist mir wichtig, dass die Menschen, die dann Verantwortung für mich tragen, meinen niedergelegten Willen ernst nehmen. Ich will diese Welt verlassen, wenn es Zeit ist zu gehen. Man soll mein Leben nicht künstlich verlängern.
Mein Leben hätte schon nach wenigen Monaten zu Ende sein können. Aber ich sollte leben und überlebte gegen alle ärztlichen Prognosen.
Nun bin ich dankbar für mein Leben, das trotz aller Einschränkungen viel Schönes und Gutes für mich bereithält.
Zöller, Dietmar (Hrsg), (2006), Autismus und Alter, S. 38-39.