Rauswurf aus Grundschule

  • Guten Tag
    Hat jemand Erfahrung bezüglich Rauswurf aus der Grundschule, 4. Klasse. Sohn, Aspi, ist zu Intelligent. Lehrkräfte denken er ist geistig behindert und behandeln ihn auch so. Seit gestern wissen wir, dass wir unerwünscht sind.


    Wir suchen Infos über folgende Aspekte:
    Alternativen
    Rechtliche Situation
    Finanzielle Situation


    Wir könnens einfach nicht fassen.
    Danke für Inputs
    Svalbard

  • Hi Svalbard,


    Jedes Kind hat Anspruch auf eine, seinen Fähigkeiten entsprechende, unentgeltliche Beschulung. Das ist ein verfassungsmässiges Recht. Eine geeignete Lösung zu finden, ist Aufgabe der Schule. So und jetzt wird es kompliziert, was ist geeignet. Aufgrund der „sozialen Behinderung“ sind Kinder mit einer ASS m.E. in der Regelschule begleitet zu integrieren. Den Bedürfnissen der autistischen Wahrnehmung ist im Rahmen der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen.


    Vor den Schulbehörden wirst Du ohne fachlichen (ärztlichen und wahrscheinlich auch juristischen) Beistand nicht auskommen. Ein Arzt/Psychologe, der die schulische Eignung bestätigt und die dafür geeigneten Massnahmen (Begleitung, Rückzug etc.) festlegt. Juristisch hilft hier procap aber sicher auch pro infirmis, die haben sich spezialisiert auf schulische Integration von Behinderten (was auch immer unter diese unglückliche Bezeichnung fällt).


    Integration kommt vor Separation. Wenn die Situation verfahren ist, ist es ev. nicht schlecht die Schule zu wechseln. Welche,(öffentliche oder private) Schule das schlägt die Schulgemeinde (hoffentlich nach Anhörung der Autismus-Fachstellen!) vor. Da muss man die Schulen ev. zur Anhörung zwingen. Die seitens Schule vorgeschlagene Lösung kannst Du immer noch ablehnen.


    Was die Finanzen betrifft gilt, Anspruch auf eine geeignete, unentgeltliche Beschulung. Die Kosten trägt die Schulgemeinde. Ich nehme an, die haben schon
    eine Lösung vorgeschlagen, weil nur Rausschmeissen ohne Anschulsslösung wäre verfassungswidrig.


    Mein Rat: Fachliche Hilfe organisieren über autistische Fachstellen/Ärzte, die bestimmen, was in Eurem Fall geeignet ist. Der Schulpsychologe ist in der Regel hierfür weder ausgebildet noch geeignet. Und dann würde ich mich an pro infirmis (ev. procap) wenden und die Leute dort mit der Schule verhandeln lassen. Als Eltern findet man gegenüber einer unfähigen Schule nicht unbedingt den hilfreichen, moderaten und v.a. zum Ziel führenden Ton.


    Und wie gesagt, die geeignete Lösung zu finden ist Sache der Schule. Du kannst dann immer noch sagen, weshalb die von der Schule vorgeschlagene Lösung Deiner Meinung nach nicht geeignet ist. Allerdings spielt hier auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. M.a.W. kann eine Lösung zwar äusserst geeignet aber unverhältnismässig (sprich zu teuer) sein. Dann muss man entweder eine weniger (aber doch noch eine) geeignete Lösung oder aber Kompromisse finden, indem man z.B. als Familie einen Teil der Schulungskosten für eine Privatschule selber trägt.


    Viel Erfolg!


    Herzlich, Lynn

  • Hallo Lynn
    Vielen Dank für Deine Ausführungen. Sie helfen mir sicher weiter.


    Wir sind noch nicht ganz weg. Aber uns wird gezeigt, dass wir nicht erwünscht sind. Sohn wird mit dem Namen Integration im Nebenraum gehütet. Schulstoff bekommt er immer noch in homöopathischen Dosen. Französisch lernt er praktisch vollständig zu Hause. Im Math hatte er bis jetzt noch keine schriftliche Rechnung in Division und Multiplikation. Er beherrschte dies bereits vor einem Jahr. Aber das interessiert die LPs nicht. Sie wollen ihn sozialisieren. Er darf erst in die Klasse, wenn er so funktioniert wie die andern. Da die Zusatzlehrerin nur zwei Tage in unsere Schule kommen kann, kann unser Sohn auch nur zwei Tage bzw total 4 Lektionen zur Schule. Da der Hütedienst sonst nicht kann.
    Wir dürfen nicht nach schulischen und sozialen Zielen fragen.


    Ich muss Schulmaterial kaufen oder im Internet suchen, damit er die Ziele der Klasse erreichen kann. Sie sagten mal, dass der SL gesagt hat, dass sie das Schulische weglassen können und sich voll aufs Soziale konzentrieren können.


    Unser Sohn schreit aber nach Wissen und Schulstoff. Wenn er genug Hirnfutter hat, lässt er sich führen. Aber das wollen sie in der Schule nicht wissen. Für sie gilt unser Sohn als ein Vorzeigekind das aufzeigt, wie überfordert die Eltern mit der Erziehung sind.


    Auf dieser Basis sollen wir jetzt unsere Unterschrift geben, dass sie für das nächste Schuljahr das Geld von Bern holen können. Wir wissen nicht, auf was wir uns einlassen, was die Schule uns bietet. Der Bericht, der die Schule im Zusammenhang mit der Integration am 31. Januar abgeben muss, steht heute, 21. März immer noch aus. Zudem will die Schule eine schriftliche Vereinbarung mit uns machen, damit unser Sohn die obligatorische Schule besuchen darf. So eine Art Disziplinarmassnahmen gegen die Eltern, weil wir unser Kind schützen und nicht mehr voll hinter der Schule stehen.


    Svalbard

  • Hi Svalbard,


    Integration “ante portas“ ist für autistische Schüler, die überdies Hirnnahrung brauchen und diese nicht bekommen, m.E. keine geeignete Beschulung. Alles andere müsste die Schule begründen können, zu welchem Zweck eine solche Konstellation für Euren Sohn gut sein soll.


    Vielleicht habt Ihr Psychologen/Ärzte zur Seite, die die Ungeeignetheit für Euren Fall bestätigen können. Ihr habt überdies Anspruch auf Einsicht in die
    (hoffentlich vorhandene) Förderplanung. Schüler mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen benötigen eine auf ihre Entwicklung angepasste Förderung. Die Förderplanung ist ein Instrument, mit dessen Hilfe die pädagogische, therapeutische und sozial(pädagogische) Arbeit koordiniert, zielgerichtet geplant, gesteuert und kritisch reflektiert werden kann. Auf jeden Fall müssen in der Förderplanung die Ziele und die entsprechenden Massnahmen für die Förderung Eures Sohnes festgehalten sein, sodass überprüft werden kann, ob man mit den vorgesehenen Massnahmen auf dem richtigen Weg ist. Wenn man das Ziel hat, sozial zu integrieren muss aufgezeigt sein, wie das mit welchen Massnahmen erreicht werden soll. M.a.W. es muss schriftlich aufgezeichnet sein, wie und in welchen Schritten das soziale Lernen geplant ist, und warum das in Eurem Fall gut sein soll, wenn das ohne Klassenkameraden, sprich allein im "Hütedienst" geschieht. Ausserdem braucht es eine ebenfalls schriftlich abgefasste Begründung, weshalb bei Eurem Sohn offenbar auf Notengebung und das Erreichen des Klassenziels verzichtet wird. Also gerade auf den Ausbau der Fähigkeiten, worauf ein jedes Kind Anspruch hat.


    Habt Ihr eine Heilpädagogin, die versteht, wie die autistische Wahrnehmung bei Eurem Sohn funktioniert? Wer macht bei Euch die Förderplanung? Gibt es eine Begründung, weshalb Euer Sohn die Klasse ausschliesslich in Begleitung der Zusatzlehrerin besuchen kann? (Dann hat er sowieso zu wenig Begleitung?!) Warum geht der „Hütedienst“ nicht mit in die Klasse? Warum unterrichtet der „Hütedienst“ keinen Lernstoff in der Weise, dass Euer Sohn der Klasse eher einen Schritt voraus ist, damit er in der Klasse genügend Kapazität hat, sich dem Schulstoff zu widmen?


    Auf eine Antwort solcher Fragen habt Ihr von Gesetz wegen Anspruch. Wenn die Antworten aus der Förderplanung nicht ersichtlich sein sollten (was ich bei Euch vermute), ist die Förderplanung - sofern überhaupt vorhanden - mangelhaft. Stellt diese Fragen dann schriftlich, per E-Mail an die Lehrperson, Schulleitung, den schulpsychologischen Dienst sowie die Zusatzlehrerin und den Hütedienst (der muss auch wissen, wie er soziales Lernen in Eurem Fall vermittelt), bei fünffacher Anfrage kann keiner sagen, er hätte sie nicht bekommen.


    Organisier‘ Dir unbedingt jemanden vom Fach, der einen Schulbesuch macht (selber würde ich mir das eher nicht antun); am besten einen Psychologen. Ev. weiss der KJPD bei Euch eine geeignete Person, falls ihr selber keine habt?


    Und vergiss nicht abzuklären, wie es Deinem Sohn in der Schule geht, wie fühlt er sich? Was profitiert er? Wie geht es ihm dabei? Ein Spannungsverhältnis zwischen Elternhaus und Schule ist für ihn sehr ungünstig, auch von daher muss die Schule Hand bieten, dass dieses Uneins sein möglichst rasch, im Interesse des Kindes behoben wird. Verlangt ein schulisches Standortgespräch mit Teilnahme von Fachleuten, die von der autistischen Wahrnehmung Eures Sohnes eine Ahnung haben und versucht die Diskrepanzen zwischen Euch Eltern und der Schule zum Wohl Eures Kindes auszuräumen.


    Kopf hoch, die Schulen sind nicht wirklich "böse" nur unwissend und dadurch hilflos (und leider oftmals unbelehrbar, wenn die Eltern was sagen, es müssen teuer bezahlte Spezialisten sein, erst dann wird es was wert und die Schule hört hin; das ist so, weil eine grosse Angst vor Gesichtsverlust besteht). Es lohnt sich aber für sein Kind und alle anderen betroffenen Kinder sowie für in der Zukunft Nachkommenden da dran zu bleiben. In Eurem Fall scheint die Schule zwar überfordert, aber immerhin will sie integrieren. Sie braucht aber dringend fachliche Hilfe, um die Integrationsaufgabe in geeigneter Weise wahrnehmen zu können. Wendet Euch unbedingt an eine kompetente, ausserschulische Fachstelle und signalisiert der Schule gegenüber Goodwill, vorhandene Unstimmigkeiten zum Wohl Eures Kindes lösen zu wollen, was aber ohne klar definierte Ziele und Massnahmen gar nicht möglich ist. Ihr könnt nichts rechtsgültig unterschreiben, wenn Ihr die wesentlichen (rechtlich notwendigen) Vertragspunkte (sprich die Förderplanung Zielsetzung plus Massnahmen) nicht kennt.


    Viel Kraft und gute Gedanken!


    Herzlich, Lynn

  • Hallo Lynn
    Vielen Dank für deine Hilfe. Wir sind seit gestern einen Meilenstein weiter gekommen. Wir hatten ein Gespräch in der Schule mit 2 Fachleuten. Sie konnten die Schule überzeugen, dass mit Integration nicht Separation gemeint ist. So wurde nun bereits fünf Jahre falsch "integriert". Die Schule meinte nur, dass sie das nicht gewusst hätten. Nun haben wir ziemlich forsch gefordert, dass Sohn ab nächstem Schuljahr alle Fächer besuchen wird. Im Protokoll steht, dass wegen Überforderung nur mit einem kleinen Pensum begonnen wird. Aber da ich das Protokoll nicht lesen kann, habe ich das gerade übersehen. Sohn geht dann einfach zur Schule. Der ist nicht überfordert, der ist allen weit voraus. Aber das wollen sie nicht wahrhaben. Sie sprechen immer noch über Finken, die er nicht immer anzieht und übers Türen zuknallen. Wir sprechen vom Gymer. Dank deiner Hilfe konnte ich mich gut vorbereiten. Eigentlich wars zum gröhlen. Wollte mir die Schule doch verbieten, persönlich Notizen zu machen und aufzubewahren. Sohn liest alle Schreiben von der Schule mit. Als ich dies sagte, dachte ich, dass ich gleich den Defibrillator holen muss. Es ging dann doch ohne.
    Liebe Grüsse
    Svalbard

  • Hallo Svalbard,


    es freut mich sehr, wen ich weiterhelfen konnte. Allerdings lässt mich aufhorchen, dass Du das Sitzungsprotokoll nicht lesen kannst. Das lässt nicht auf ein besonders gutes Klima schliessen. Du hast Anspruch auf eine Kopie dieses Protokolls. Es ist so, dass dieses von allen Sitzungsteilnehmenden unterschrieben wird; die darin festgehaltenen Ziele und Massnahmen sind „vertragsähnlich“ und Du kannst Dich darauf berufen, wenn etwas, was darin steht, nicht umgesetzt werden sollte. Bitte schriftlich um eine Kopie des Sitzungsprotokolls, damit Du wüsstest, was nun gelte und mit der Aufforderung, eine allfällig abschlägige Antwort zu begründen. Soweit wird es die Schule nicht kommen lassen, da bin ich fast ganz sicher.


    Oftmals ist es so, dass Aspergerkids keine Mühe mit dem Schulstoff haben, aber z.T. mit der Art, wie dieser Stoff vermittelt wird. Werkstattunterricht, Gruppenarbeiten oder gar Mehrjahrgansklassen sind eine grosse Herausforderung, je nachdem können aber auch der Sitzplatz oder die Lautstärke in der Klasse etc. ungünstig für den Lernerfolg sein. Von daher rate ich Dir, Dich gut mit der Schule zu stellen, und v.a. zu Beginn niemanden zu überfordern und deshalb vielleicht lieber doch mit einem kleinerenn Pensum anzufangen und dann dieses langsam zu steigern. Noch weisst Du ja nicht, wie sich Dein Sohn nach drei/vier Wochen Vollzeit-Schule fühlen wird. Am besten machst Du der Schule den Vorschlag, dass die Fachpersonen, die an der Sitzung anwesend waren Deinen Sohn, die Lehrpersonen und die Mitschüler in der Schule (wenigstens am Anfang) unterstützen werden. Fachliches Knowhow scheint an Eurer Schule dringend nötig. Damit sind die Probleme zu Beginn neutralisiert, und im neuen Schuljahr erlebt niemand eine unangenehme Überraschung. Leider ist es nämlich so, dass wenn der Lehrperson jemand nicht passt, dann ist v.a. der Jemand der Leidtragende und nicht die Lehrperson, das gilt es unbedingt zu vermeiden.


    Dranneblibe, drannebliebe! Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es ein stetiges Auf und Ab ist, und es äusserst hilfreich ist, wenn das Umfeld sprich die Schule kooperativ ist und mithilft (anstatt häufig auch aus Unwissenheit und Bequemlichkeit einem Steine in den Weg legt). Aber Super, Du hast schon sehr viel erreicht, gratuliere :thumbsup: !


    Herzliche Grüsse, Lynn.

  • Hallo Lynn
    Danke für deine immer aufmunternde Worte.
    Ich habe mich vorhin falsch ausgedrückt. Wir haben das Protokoll erhalten. Aber an der Sitzung wurde uns vorgeworfen, dass wir Geschriebenes nicht richtig interpretieren können. Wir sollten einen Vertrag unterschreiben dass unser Sohn in die obligatorische Schule darf. Darin stand, dass die Kommunikation ausschliesslich mündlich stattfindet. Es werde in einem persönlichen Gespräch einem Elternteil die Infos gegeben. Wir haben danach Beschwerde eingereicht. So hiess es an der Sitzung, wir hätten dies falsch interpretiert. Es seien immer beide Elternteile gemeint gewesen. Wenn ich schon so falsch interpretieren kann, lese ich das Protokoll so, dass ich nur Vorteile für mich sehe, den Rest, den ich nicht sehen will, sehe ich nicht.


    Wir wollen mit dem vollen Pensum einsteigen, weil wir bereits fünf Jahre so hingehalten wurden. Es hiess jedesmal, wir starten mit einem kleinen Pensum und werden dann erhöhen, was aber nie geschah. Im ersten Jahr hat die LP das Pensum eigenmächtig vor dem Start gekürzt und dies am offiziellen Elternabend so kommuniziert. Wir wurden nie persönlich informiert. Da wir solche Spielchen satt haben, nehmen wir alles. Sohn schafft das, wenn sie ihn in Ruhe lassen.


    Wir machen so weiter.
    Liebe Grüsse
    Svalbard