Neue Wege nach einem Abbruch der integrativen Beschulung?

  • Liebe Alle


    In letzter Zeit gab es mehrere Postings mit missglückter Integration in der Regelschule bei Jugendlichen. Warum ist das so? Was kann man tun? Welche Hilfen gibt es? Wer unterstützt uns, unsere Kinder und die Lehrer?


    Die Pubertät ist für alle Jugendlichen schwierig. Sie sind auf der Suche nach sich, nach ihrer Gruppe. Ein Jugendlicher mit autistischer Wahrnehmung fühlt sich jetzt in seiner Gruppe wahrscheinlich noch fremder als zuvor. Seine Kollegen, seine Freunde verändern sich, das Wichtigste für sie ist die Peergruppe. Wie kann man da als Autist mithalten? Einige schaffen es, sie können sich soweit anpassen, dass sie nicht als Aussenseiter ausgegrenzt werden. Andere schaffen es nicht, sie empfinden das Gehabe der Anderen als "affig" und sagen es ihnen leider auch.


    Vielleicht hat unser Autist Glück und er findet auch in dieser Altersgruppe einen Freund, der zu ihm hält und mit ihm einen Teil seiner Freizeit verbringt. Öfters ist es so, dass ein Jugendlicher in dieser Gruppe niemanden mehr findet, plötzlich ist er alleine. Es kommen keine Freunde mehr zum Spielen. Er vereinsamt.


    Ich habe dies bei beiden meiner Jungs erlebt. Der Ältere hat in der Privatschule Freunde gefunden, die auch "speziell" waren. So konnten sie einander Stütze sein, sie zeigten sich gegenseitig ihre Wertschätzung. Dadurch klappte dann auch die Schule wieder.


    Der Jüngere musste sich in der Mittelstufe einer grösseren Operation unterziehen. Dann folgten mehrere Monate Reha. Die Reintegration in die 7. Klasse klappte nicht mehr. Er hätte sich auf einen neuen Klassenlehrer und auf eine neue Schulklasse einlassen sollen. Diesen Wechsel hat unser Sohn nicht verkraftet, er hatte keine Energiereserven mehr. Er hat die neue Klassensituation nicht mehr ertragen.


    Die Schule trat an uns heran und legte offen, dass für das nächste Schuljahr neue Lösungswege gesucht werden müssen. Das neue Oberstufenzentrum mit wechselnden Lehrern, grossen Klassen und immer wieder anderen Schulzimmern, zeigte sich nicht Autisten freundlich. So wäre für unseren Sohn kein Lernen und somit keine Fortschritte mehr möglich gewesen.


    War somit die Integration gescheitert?
    Nein, während der Zeit, die unser Sohn integriert beschult worden ist, hat er grosse Fortschritte machen können. Er kennt die Kinder und Jugendlichen in unserem Dorf. Wenn er Lust hat, kann er sich mit zwei, drei Freunden zum Spielen verabreden. Man kennt ihn, unser Dorf kann sich heute unter Autismus etwas vorstellen.
    Vom Schulstoff her, ist er heute sehr viel weiter, als wenn er in einer HPS-ähnlichen Schule verblieben wäre.


    Für die Anschlusslösung sind wir von der EB begleitet und unterstützt worden. Der Erstkontakt mit Schulinstitutionen kam aus unserer Initiative. Ich liess mir dann jeweils von den Schulleitungen weitere Adressen geben. Wenn wir in unserem Kanton keine geeignete Schule hätten finden können, hätten wir das Recht gehabt unsere Suche auf die ganze Schweiz auszudehnen.


    Wie bekannt ist, gibt es für Autisten keine spezialisierten Schulen. Sehr geeignet sind jedoch Schulen für wahrnehmungsbehinderte Kinder und Jugendliche, Schulen für Körperbehinderte mit normaler Intelligenz und Sprachheilschulen.
    Weniger geeignet sind Schulen für stark verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche.
    Wie weit die HPS für Kinder und Jugendliche mit Autismus bei normaler Intelligenz geeignet ist, sehe ich etwas kritisch. Wenn bei guter Begabung Regelschulstoff vermittelt wird, dann wäre dies sicher eine gute Lösung. Unsere HPS bieten keinen Regelschulstoff an.
    Die Privatschule kann eine gute Alternative sein, wenn das Kind nicht auf eine Schulbegleitung angewiesen ist. Die Schulbegleitung wird nur für öffentliche Schulen finanziert.


    Unser Sohn wird nun neu gemeinsam mit körperbehinderten Jugendlichen unterrichtet. Er fühlt sich dort sehr wohl, er gehört dazu und ist zum ersten Mal kein Aussenseiter mehr. Er wirkt wieder ruhig, in sich gefestigt und ist zufrieden.


    Liebe Grüsse
    Monica

  • Liebe Monica


    Ja, es ist ein leides Thema. Unser Sohn hat keine Freunde, will aber auch keine (zumindest scheint es so). Ich denke, die grosse Schwierigkeit ist, dass alle Eltern erst einmal in dem Dschungel klar kommen müssen aus Anforderungen von allen Seiten, Abklärungen, Gesprächen da und dort, Erfahrungen, was alles möglich ist und was nicht und all den Dingen, mit denen man konfrontiert wird. Und dann kommt die Individualität, jedes Kind ist anders und mit ihm seine Anforderungen an das Schulumfeld.


    Meiner würde sich mit Händen und Füssen sträuben, mit "Behinderten" zusammen zu sein (was eine gewisse Komik in sich birgt finde ich, grins). Er geht seit der 4. Klasse in eine Privatschule, wobei er auf die Oberstufen hin wechseln musste. Aber auch da ist es sehr schwierig. Denn es stellt sich uns immer die Frage, wie weit nehmen wir ihm den Druck ab, aber auch die Zukunftperspektive. Wenn wir ihn von zu vielen Fächern suspendieren, kann er keinen normalen Schulabschluss machen, was ihm dann auch eine "normale" Lehre verwehrt.


    Das ist für mich derzeit die wirkliche Herausforderung. Wie viel kann ich ihm zumuten und wo überfordere ich ihn ... er leidet offenbar sehr unter dem sozialen Druck, den ich ihm aber schlichtweg nicht ganz ersparen kann. Und ja, die Pubertät ist grundlegen schon schwierig, umso mehr für unsere Kinder.


    Immer versucht positiv zu denken und nach Lösungen für all die Probleme zu suchen grüsse ich Dich


    Patch