WETTBEWERB zum 2.4.: Was macht Menschen mit Autismus glücklich?

  • ... skeptischer Blick, etwas zwischen Wut und Angst. Und trotz der Emotionen, die ich als
    Mutter spüre, sieht man seinem Gesicht keine Regung an. Starre Augen, die jeden
    Fremden verfolgen. Und Fremd ist ausnahmslos jeder, der nicht zur Familie
    gehört. Wie ein in die enge getriebenes Tier, immer bereit zu Angriff oder
    Flucht. Obschon ich weder das eine noch das andere je gesehen habe. Ein
    schwieriger Spagat als Familie mit noch zwei anderen Kindern. Ein Balanceakt
    durch das Leben. Im ständigen Versuch, allen Familienmitgliedern gerecht zu
    werden – nicht nur unserem Ältesten. Ständig am Auspendeln, um nicht ins
    Trudeln zu kommen.


    Sein angespannter Körper, seine Unfähigkeit sich selber eine
    Stimme zu verleihen, sein konstanter Stresspegel, sein Unvermögen, in der
    Gesellschaft einen Platz zu finde, all die vielen kleinen und grossen
    Unterschiede sind schwer zu ertragen für eine Mutter. Viele Wünsche, Hoffnungen
    und Visionen müssen erst begraben werden, um seinen Platz in einer besonderen
    Familie zu finden und darin auch das Glück zu sehen.


    Und dann gibt es diese Sonnenminuten. Diese kurzen Phasen,
    die oft unvermittelt, um die Ecke biegen. Die unseren Sohn für einen Moment aus
    seinem Vakuum holen. Würde uns jemand in diesen Minuten zuschauen, er würde nur
    eine ganz normale Familie sehen. Bei ein paar Minuten Fussballspiel mit allen
    Kindern können diese Sonnenminuten manchmal sein. Kichern, strahlende Augen,
    Gemeinsamkeit, einfach nur Spass. Solche Sonnenminuten erfrischen manchmal auch
    meinen Alltag, wenn wir uns in trauter Zweisamkeit sehr nahe sind. Ich seinen
    Rücken massiere, ihm nahe bin, wie er es von niemand anderem akzeptiert. Ein
    genüssliches Grummeln, spüren, wie die Anspannung von ihm ablässt, ist Lohn
    genug und schüttet Glückshormone aus, wie das sonst nur Schokolade kann. Dankbarkeit
    überkommt mich, wenn solche Sonnenminuten mir neue Hoffnung schenken den Weg
    bewältigen zu können, der da auf uns zukommt. Und auch klein wenig Stolz, wenn
    ich zurück schaue und sehe, wie viel wir schon zurück gelegt haben auf unserem
    Gang durch das (nicht immer einfache) Leben…

  • Hallo


    Mich machen die Momente, in denen ich einfach meine Ruhe habe, am glücklichsten. Wenn niemand etwas von mir will, ich nichts tun muss, zu nichts gezwungen werde, ich schmerzfrei bin, dann fühle ich mich gut. Am besten gelingt mir dieser Zustand, wenn ich an einer Leinwand sitze und meiner Leidenschaft, dem Malen, nachgehen kann. Ich male für mich. Mir geht es darum, möglichst Abstand zur Welt zu erlangen, indem ich mich über lange Zeit mit einem Bild beschäftige. Ich freue mich jeden Tag darauf, mich an die Staffelei setzen zu können und in den Farben und Flächen, die auf der Leinwand ihren Platz bekommen, zu versinken. Wenn ich dies tue, dann bin ich restlos glücklich. Es gibt nichts schöneres als das Malen. Vor der Staffelei gibt es keine Gesetze, keine Reizüberflutung, kein Richtig oder Falsch, sondern nur mich.

  • @Regenbogen


    Hallo


    Ich finde deine Ausführung sehr interessant, ich denke, bei mir ist das sehr ähnlich. Ist das allgemein so, oder ist das speziell nur bei Asperger so?


    Mich macht zum Beispiel auch glücklich, wenn niemand mir vorschreibt, was ich zu tun habe und ich gleichzeitig möglichst wenig Leute um mich habe. Gleichzeitig aber etwas zu tun habe, was mich interessiert und das ich gerne mache. Wichtig ist mir hierbei auch, dass ich in die Sache versinken kann, dass ich eine gewisse Zeit auf etwas fokussiert bin. Ich vermute, dass es genau dieser Fokus ist, der mich vor Reizüberflutung schützt und weswegen ich mich dann glücklich fühle. Der Fokus blendet dann andere Reize komischerweise besser aus, was mir bei anderen Tätigkeiten leider nicht gelingt und ich deswegen oft mit Informationen und Reizen überladen werde.


    Freundliche Grüsse


    David

  • Hallo David


    Ob dieses Die-Ruhe-suchen nur den Aspergern vorbehalten ist, weiss ich nicht. Ich denke, dass es vielleicht bei Aspergern wichtiger ist, als bei Neurotypischen. Man müsste da mal jemanden fragen :-)
    Dass das Fokussieren auf eine bestimmte Sache erstens glücklich macht und zweitens Ruhe vermittelt ist meines Erachtens sehr wichtig und sollte nicht unterschätzt werden. Also ich aus meiner Warte bin froh, dass ich dieses "Instrument" habe und möchte es um keinen Preis der Welt hergeben. Ich sehe es wie du, es beschützt mich vor Reizüberflutungen von denen es ja mehr als genug gibt. Am liebsten verziehe ich mich in mein Atelier und schliesse die Tür mit einem Schild "Bitte nicht stören" daran. So signalisiere ich ein Stopp vor Reizen. Gut, ich habe heute den "Vorteil", dass ich nicht mehr nach draussen, sprich einem Broterwerb nachgehen muss. So kann ich die Zeiten, in denen ich Anforderungen erfüllen muss, einigermassen steuern. Das ist natürlich bei einem Job schwieriger. Ich weiss nicht, was du mit anderen Tätigkeiten genau meinst, nehme aber an, dass du an die Arbeit ausserhalb deines geschützten Raumes denkst. Je nachdem, welcher Tätigkeit du nachgehst, kannst du vielleicht bestimmte Momente, wie zum Beispiel die Mittagspause nutzen, um der Reizüberflutung ein wenig Einhalt zu gebieten. Ich habe das früher immer so gemacht. Das kam natürlich bei den Kollegen nicht sonderlich gut an, aber mir war das egal.


    Ich wünsche dir möglichst viele Momente, in denen du deinen Fokus auf diejenigen Dinge richten kannst, die dir wichtig sind. Du bist auf dem richtigen Weg!


    Regenbogen