Neuer Hausarzt

  • Ich habe vor kurzem erfahren, dass mein langjähriger Hausarzt aus gesundheitlichen Gründen seine Praxis schliesst. Glücklicherweise wurde in unserer Gegend zur selben Zeit eine Gemeinschaftspraxis eröffnet in welcher ich - ebenfalls glücklicherweise - einen der raren Plätze bekommen konnte. Nun stellt sich für mich als ASS natürlich die Frage, wie gehe ich mit dem Wechsel um.


    Ich habe einen Horror davor, der neuen Ärztin, ja es ist diesmal eine sie, meine ganze Geschichte von Anbeginn an erzählen zu müssen. Damit verbunden ist auch die Frage, ob sie mich überhaupt als ASS anerkennen wird - weil mein "alter" Hausarzt bis zuletzt eine abweisende Haltung gegenüber Autismus eingenommen hat. Für ihn stellte das ASS nichts weiter als eine Modediagnose dar, die in seinen Augen zu oft gestellt werde.


    Dementsprechend wurden alle gesundheitlichen Probleme einfach des ASS wegen als psychosomatisch eingestuft und damit hatte sich das Thema erledigt. Ich solle Ritalin etc. nehmen und damit würde es mir danach viel besser gehen. Das habe ich sogar versucht, mit katastrophalem Ausgang. Ich ertrug es nicht. So habe ich eine ganze Liste von Medikamenten verordnet bekommen, die allesamt nichts ausser den Nebenwirkungen gebracht haben. Was soll ich denn noch alles nehmen?


    Natürlich werde ich meine Akte mitbringen, doch ob die neue Ärztin sich die notwendige Zeit nimmt, um die umfangreiche Sammlung durchzuarbeiten, ist fraglich.


    Weiter ist es für mich sehr schwierig, das Gegenüber richtig einzuschätzen, ich meine, gerade bei Medizinern, von denen ich ein gewisses Vertrauen erwarte, weiss ich nicht, ob ich richtig liege oder nicht. Ich habe ausser die Psychiater noch nie einen Arztwechsel vornehmen müssen und so stellt sich hier für mich eine grosse Herausforderung. Es ist wahnsinnig schwer, auch bei Medizinern, die keine Ahnung von ASS haben, auf dieser Basis eine Vertrauensbasis herzustellen. Entweder sie wissen etwas und nehmen es ernst oder sie lehnen es entschieden ab. So habe ich ziemlichen Bammel vor dem Wechsel, und der stresst mich enorm.


    Ich fühle mich dabei wie ein Tier, welches zum Verkauf angeboten wird. Dieses wird auf Herz und Nieren begutachtet und taxiert. Ein total bescheuertes Gefühl, dennoch, ich werde es einfach nicht los.


    Regenbogen

  • NIcht nur deine neue Hausärztin "testet" dich - auch du kannst sie bei der ersten / den ersten Begegnungen testen und so vielleicht auch besser entscheiden, ob sie die richtige Hausärztin für ich sein wird / sein kann :-). Sei mutig und schau, dass du jemanden findest, der dich in allem, was dir wichtig ist, unterstützt!

  • Danke für den HInweis. Es ist jedoch so, dass ich eben genau das nicht kann! Wie oft habe ich mich in Personen geirrt oder was noch schlimmer ist, ihnen vertraut!


    Heute weiss ich wenigstens, dass dieses Unvermögen am ASS liegt, doch darin liegt auch ein gewisses Mass an Unsicherheit, welches in einer Abhängigkeit mündet. Das heisst, ich brauche immer öfter jemanden - eine Art Coach - der mit mir kommt, und ich mich dann auf die Einschätzung dieser Person verlassen muss. Diese Person muss für mich quasi "übersetzen", was gesagt wurde, so dass ich es verstehen kann. Coach wäre gut, nur habe ich niemanden, der diesen Job übernehmen kann oder will.


    Einerseits ist das Coaching natürlich verdankenswert, andererseits spüre ich immer deutlicher, wie ich meine Eigenständigkeit einbüsse. Dieses Gefühl gleicht einer Ohnmacht. Ich weiss genau oder ich werde mir dessen je länger je mehr bewusster, dass ich einiges ( zum eigenen Schutz ) nicht mehr alleine kann und doch möchte ich "vollwertig" sein.


    Dass diese Vollwertigkeit nie real vorhanden war, das heisst, ich glaubte es zu sein, und habe damit ein Leben lang viele Katastrophen verursacht, ausgelöst eben durch das Unvermögen, Leute einzuschätzen oder Aussagen richtig zu interpretieren, ist mir heute bewusst.


    Dieses Gefühl treibt mich langsam aber sicher in eine Depression, die ja ohnehin schon als komorbide Störung zum ASS vorhanden ist. Medikamente helfen nichts, da ich mich gegen die Benebelung wehre, die die Sache nur noch schlimmer machen. So dreht sich das Hamsterrad ununterbrochen munter weiter. Jeder Tag stellt in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar, wofür ich nicht immer die erforderliche Kraft aufzuwenden in der Lage bin.


    Die vielen Gesichter des Autismus ...

  • Ich würde mich der Ärztin gegenüber nicht outen, sondern zuwarten, bis sie eventuell Fragen stellt. Statt mich über die Diagnose "Autismus" oder "Asperger" zu definieren, ziehe ich vor, von speziellen Symptomatiken zu sprechen, also zB von der Reizfilterschwäche, der Raumorientierungs-Störung, dem erhöhten Rückzugsbedürfnis, oder was immer für mich aktuell wichtig ist.


    Du musst doch sehen, ein Arzt erfüllt eine spezifische Funktion; es ist nicht seine Aufgabe, seine Patienten als Menschen in ihrem jeweiligen Drama zu verstehen. Der Arzt muss vorliegende Symptome weitestgehend verstehen, um zu einer Diagnose zu finden, die eine entsprechende Behandlung ermöglicht. Darum sind für den Arzt die persönlichen Geschichten irrelevant. Ich würde das also so gut wie möglich weglassen, oder nur da kurz ansprechen, wo es Sinn macht, zB bei einer Schlafstörung auf mögliche psychische Belastung hinweisen.


    Ich lese aus deinem Beitrag heraus, dass du es dir eigentlich wünschst, dass der Arzt auf alle deine Belange eingeht. Ich denke, dass du extrem überreflektiert reagierst, was für uns Aspies vermutlich normal ist. Da ist immer diese innere Selbstreflektion auf das, wie man selbst verstanden werden möchte, wie man wahrnimmt, nicht verstanden zu werden, und die Schlussfolgerung aus diesem Wirrwarr, dass man das Gegenüber nicht richtig zu verstehen meint, woraus du wiederum die Meinung ableitest, du bräuchtest jemanden an deiner Seite, der dir das alles übersetzt.


    Die moderne Schulmedizin hat ohnehin keine ganzheitlichen Lösungen. Geh also in die Arztpraxis nicht mit der Erwartung, ganzheitlich erfasst und behandelt zu werden. Ich kenne natürlich deine zu behandelnden Symptome nicht. Aber sei dir bewusst, dem Arzt geht es nur um diese, auch wenn so getan wird, als gehe es um den ganzen Menschen.


    Für mich bleibt die Frage, was du vom Hausarzt in Bezug auf die ASS-Diagnose eigentlich erwartest. Asperger ist keine Krankheit. Die Diagnose ist einfach ein Versuch der NT-Welt, das Anderssein der betreffenden Menschen klassifikatorisch einzuordnen. Diejenigen Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen, versuchen natürlich, etwas davon zu verstehen, aber was sie verstehen, werden sie zwingend reduzieren auf eine Begrifflichkeit, die abstrahiert von den lebendingen Inhalten, wie wir sie erfahren. So funktioniert Wissenschaft einfach.


    Dann gibt es noch die Therapeuten, die auf Grund der wissenschafltichen Daten und Theorien Methoden entwickeln, um Diagnose-Betroffenen eine Brücke in die NT-Welt zu schlagen. Da ist ein gewisses Mass an Empathie zu erwarten, wobei es sich auch beschränken wird im Rahmen der professionellen Funktion des Therapeuten.


    Streng genommen verhalten sich Ärzte wie Autisten, die beim Patienten nach klar definierten Merkmalen suchen, um sich daran zu orientieren, wie sie weiter verfahren wollen oder sollen. Reduziere also deine Erwartungen, und du bekommst die Dienstleistung, für die du bzw die Krankenkasse bezahl(s)t.

  • Cello, deinen Standpunkt verstehe ich nicht und kann deine Sicht nicht teilen. Aber jedem das seine. Dennoch Danke, dass du dir die Zeit für eine Antwort genommen hast. :)

  • Hallo Regenbigen
    Die Idee jemanden mitzunehmen finde ich gut. Ich hasse Arzt oder Zahnarztbesuche und versuche sie immer zu vermeiden. Ich bin dann den ganzen Tag kaum ansprechbar und nur gestresst. Beim Arzt kann ich mir nichts wirklich merken und weiss auch nicht mehr, was ich sagen wollte.
    Mein Partner hat mir immer wieder angeboten, dass er mitkommt, was ich aber lange abgelehnt habe. Inzwischen kommt er meistens mit. Manchmal wartet er draussen im Wartezimmer. Und schon das hilft. Erstens muss ich mich nicht um die Anfahrt (also pünktlich losfahren, Weg finden, Parkplatz finden usw.) kümmern und zweitens fühle ich mich weniger ausgeliefert. Klar der Arzt fragt oder tut das Gleiche, wie wenn ich alleine wäre, aber trotzdem ist es einfacher. Das Gefühl, dass jemand da ist, dem man vertraut hilft. Und natürlich kann er mir auch helfen, nichts zu vergessen und alles zu verstehen.


    Hast du den schon jemanden gefragt, ob er mitkommen kann? Ich weiss, es ist nicht schön, wenn man um Hilfe bitten muss. Das tut niemand gerne. Wer gibt schon gerne zu, etwas nicht zu können?
    Doch eigentlich ist doch jeder auf die Hilfe von Anderen angewiesen. Die einen bei vermeintlich einfache Dingen, wie eben ein Arztbesuch, ein Telefonanruf usw., andere bei komplizieren Sachen (z.B. lassen die meisten ihr Haus vom Architekten planen und machen es nicht selbst). Es gibt ja sicher auch vieles, was du besser als andere kannst. Und ich finde, jeder soll das tun, was er gut kann. Und bei den anderen Dingen kann man sich auch helfen lassen. (Nicht dass ich das gerne tue oder immer könnte ;) )


    Wenn sich jetzt niemand findet zum mitkommen, könntest du dir ja auch einige Fragen überlegen und die dann aufschreiben und mitnehmen. Du könntest dir überlegen, was dir bei einer Ärztin wichtig ist und dazu Fragen notieren. Oder auch Punkte ansprechen, die dir wichtig sind. Als Beispiel könntest du fragen, wie sie das sieht, dass du keine Medikamente nehmen möchtest.
    Und auch die Antworten würde ich aufschreiben und dann in Ruhe zu Hause nochmals überdenken.


    Liebe Grüsse und einen schönen Sonntag!

  • Ich wills nochmals kurz sagen: Das Angebot der Schulmedizin besteht doch darin, einen Teilbereich der menschlichen Bedürfnisse abzudecken, nämlich bestmögliche Behandlung akuter oder chronischer Leiden. Der Hausarzt geht in einer Art Triage-Verfahren vor, indem er so weit wie möglich eruiert, was dem Patienten konkret fehlt, und was die Ursache für die Problematik sein könnte, und ob sie mit einfachen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln behandelbar ist.


    Wenn der Hausarzt weitere Abklärungen für sinnvoll erachtet, weist er den Patienten an den Spezialisten weiter. Der Patient kann dies aber auch von sich aus verlangen. Je nach Krankenkassenmodell kann der Patient aber auch von sich aus zum Spezialisten gehen, oder zu jedem andern Arzt in der Schweiz.


    Ich sehe nicht, was ich da für einen Standpunkt vertrete. So ist einfach die Welt eingerichtet.


    Wenn es dir wichtig ist, jemanden beim Arztbesuch dabei zu haben, dann tust du das halt. Ich weiss zwar nicht was das bringen soll, ausser einer gewissen psychologischen Unterstützung. Eine Alternative dazu wäre, das Gespräch mit dem Arzt aufzunehmen, um dann im Nachgang etwaige Unklarheiten recherchieren zu können, wenn du etwas nicht verstanden hast. Nimm ein Smartphone oder einen MP3-Player mit, und sag dem Arzt Bescheid, dass du aus Verständnisgründen das Gespräch gern aufzeichnen würdest.

  • Was die Suche nach einer Begleitperson betrifft, so würde ich an deiner Stelle einen Anschlag am heilpädagogischen Institut der Uni Fribourg machen.


    Zum Beispiel so:
    "Erwachsener Aspie (53, verheiratet) sucht Begleitperson für gelegentliche Sozial-Interaktionen wie Arztbesuche, Behördenkontakte etc. Ich bin umgänglich, freundlich, habe aber oft Mühe in Vertrauensfragen und mit angemessener Kommunikation. Erstatte gerne Fahrkosten und gebe ein gutes Taschengeld. Bitte melden unter ... "


    Die Adresse ist hier: http://www.unifr.ch/spedu/index.php?page=prasentation


    Von einem angehenden Heilpädagogen kannst du am ehesten Verständnis für deine Situation und dein Kommunikationsbedürfnis erwarten. Falls dies nicht zum Ziele führt, mach dasselbe am psychologischen Institut oder an der theologischen Fakultät. (Diese ist im Hauptgebäude oberhalb dem Bahnhof).


    http://www.unifr.ch/theo/de/fakultat/geschichte

  • Ich danke euch allen, es berührt mich, dass ihr euch mit meinem Thema auseinandersetzt und mir gute Ratschläge mit auf den Weg gebt! Danke :thumbsup:


    Pinguin, ich lese, dass es dir meine "Symptome" bekannt sind. Letztes Jahr musste ich ein paar Mal ein MRI über mich ergehen lassen, der pure Horror, da ich unter Klaustrophobie leide, da hatte ich jemanden, der mich begleitet hat - meine Tochter, die Medizin studiert. Heute studiert sie leider nicht mehr in meiner Nähe und da meine Frau voll berufstätig ist, kann ich von dieser Seite auch keine Unterstützung erwarten. Ich habe gelernt um Hilfe zu fragen, doch wie das so ist, viele sind tagsüber eingespannt, in Beruf oder was auch immer, somit ist es schwer, jemanden passenden zu finden. Ich finde es sehr schön von deinem Partner, dass er dich begleitet, das ist sehr wertvoll.


    In Sachen Medikamente habe ich etwas interessantes im Buch " Das Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter und andere hochfunktionale Autismus-Spektrum-Störungen" - Herausgeber Prof. Dr. med. Ludger Tebartz van Elst vom Klinikum der Albert - Ludwigs - Universität Freiburg/D gelesen und zwar, dass ASS häufig auf Medikamente sehr sensititiv reagieren, nicht sensibel, was nicht dasselbe ist. Daher ist es schon wichtig, dass ein Arzt, der einen ASS als Patient hat, davon weiss.


    Cello, dein Vorschlag mit der Uni ist ein Versuch wert, darauf wäre ich nicht gekommen. Ich werde diese Idee aufgreifen und sehen, was ich unternehmen kann.


    Es ist oft so, dass ich mir so eine Art Fahrplan bezüglich Fragen zurechtlege, den ich auch zu Beginn einer Konsultation einhalten kann, doch oft stellt der Arzt, Psychiater etc.- wie das halt ist - eine unerwartete Frage und dann bin ich verloren. Mir ist klar, dass ich Fragen unmöglich vorhersehen kann, das kann niemand, doch es geht mir hierbei eher um meine Reaktion darauf: Wenn ich unter Zeitdruck eine Antwort liefern soll, ohne die Frage ausreichend analysiert zu haben, dann blockiert mein System und ich stehe da wie ein Ochse vor dem Scheunentor. Ja, mir geschieht das mit dem Mir nicht merken können sehr oft. Mir ist es meistens peinlich, nachzufragen, einmal geht ja noch doch mehrere Male? Das Gehörte will mir nicht in den Kopf, warum weiss ich nicht. Ich kann mir eine Menge Dinge problemlos merken, aber nicht das, was ein Arzt mir erzählt.


    Nun denn, ich gehe die Herausforderung mit euren Ratschlägen an.

  • Ich lese gerade das hier, das ein passender Kommentar zu deinem Problem zu sein scheint:


    "Manche Ärzt_innen nehmen Patient_innen leider nicht mehr ganz ernst, wenn sie von der Autismus-Diagnose erfahren. Sie trauen ihnen nicht mehr zu, gesundheitliche Probleme einzuschätzen oder Erklärungen dazu zu verstehen, reden mit ihnen wie mit kleinen Kindern oder tun jedes gesundheitliche Problem mit Kommentaren ab wie “Das ist psychosomatisch.”"
    http://autismus-kultur.de/auti…fragen-und-antworten.html



  • Ja, dieser Kommentar trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf! Genau das ist das Problem. Auch das Thema Psychosomatik ist erfasst worden. Also bilde ich mir das nicht ein! Es ist tragisch, anders kann ich es nicht formulieren. Deshalb ist es so unendlich wichtig, an die "richtigen" Ärzt_innen zu gelangen. Nur wo oder wie findet man die? Das ist ein Spiessrutenlaufen, von einem zum nächsten - ad inifinitum absurdum. Die Krankenkassen sind hierbei auch nicht gerade sehr kooperativ. Man muss sich dann mit Fragen auseinandersetzen, wieso und warum und Aussagen wie: man soll zufrieden sein, einen Arzt gefunden zu haben etc. hinnehmen. Ich finde das alles sehr diskriminierend und auch entwürdigend.


    Leider bleibt dazu nichts anderes als zu sagen: Es ist wie es ist. Eine Hürde unter vielen.


    Danke für den Beitrag!

  • Hallo
    ich will hier einen kurzen Bericht zu meinem Thema "neuer Hausarzt" abgeben. Der besagte Termin war heute. Als erstes teilte ich der Ärztin mit, dass ich Autist sei, genauer unter dem Asperger-Syndrom leide. Meine Frage, ob sie sich mit dem ASS auskenne, verneinte sie, schliesslich könne sie nicht alles wissen, googelte, während ich dabei sass, schnell das Thema und das war's dann. Keine weiteren Fragen dazu. Meine ganze Geschichte bis heute interessierte nicht, meine Akte konnte/ sollte ich wieder mitnehmen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass sie sich mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen würde - Fehlanzeige. In meinem Fall gäbe es nichts zu therapieren, nun, stimmt ja auch. Komorbiditäten? Ok, wenn es welche geben sollte, dann könne ich mich ja melden. Einzige Frage an mich: ob ich denn in der Lage sei, meine Bedürfnisse medizinischer Natur zu äussern? Fazit: ich fühle mich einmal mehr alleine gelassen.


    Ja, lieber Cello, du hast mit deinen Beiträgen voll ins Schwarze getroffen, das wollte ich hier unbedingt erwähnen. Es gibt keine ganzheitlichen Lösungen. Ich musste daran denken, als ich der Ärztin gegenübersass und mich im falschen FIlm wähnte.

  • Hallo Regenbogen
    es tut mir leid, dass dein Termin anscheinend nicht so toll gelaufen ist heute.
    Ich möchte dir (und den anderen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben mit Hausärzten) aber Mut zusprechen, dran zu bleiben. Klar, ein Wechsel ist immer schwierig, dass weiss ich nur allzu gut. Ich möchte aber gerne ein positives Beispiel entgegen setzen: mein Hausarzt- den ich noch nicht soooo lange als Hausarzt habe- ist ein sehr sympathischer Typ und Hausarzt aus Leidenschaft. Ich habe ihm immer gesagt ich sei kompliziert und meine Kompliziertheit hätte nichts mit ihm zu tun . Irgendwann gab es ein Problem mit der Tabletteneinnahme. Es war so, dass ein Medikament welches ich schon zuvor (von einem anderen Arzt verschrieben bekommen) hatte, mir vom Hausarzt von einer anderen Firma (also gleiches Medikament anderer Hersteller) verordnet wurde.Natürlich habe ich die Tabletten dann nicht eingenommen weil sie anders aussahen und anders schmeckten. Als ich meiner Therapeutin das sagte, nahm sie Kontakt mit meinem Hausarzt auf und informierte ihn über die ASS. Ich selbst habe ihm nie etwas darüber gesagt.
    er war dann beim nächsten Termin total aufgestellt und interessiert und hat nachgefragt aber ohne dass ich mich durch seine Fragen belästigt gefühlt hätte. Er hat mir dann auch gezeigt, dass er gross in meiner Akte vermerkt hat, dass ich immer die gleichen Medikamente wie immer brauche und möglichst keine Tabletten!
    Ich bin wirklich sehr froh, dass er so verständnisvoll ist. Ich möchte aber auch sagen, dass es der erste und einzige Arzt in einer sehr langen und umfassenden Liste von Ärzten ist, der so 'cool' und selbstverständlich mit meinem Anderssein umgeht.
    Ich wünsche jedem so eine tolle Erfahrung. Gebt die Suche nicht auf.
    ich glaube das, was das ganze möglich gemacht hat, ist dass eine Fachperson den Arzt informiert hat. Das hat erstens mir den Druck und vielleicht auch gewisse (hohe) Erwartungen genommen, aber auch dem Arzt die Möglichkeit gegeben, seine Fragen direkt mit einem Berufskollegen zu klären. (Das nehme ich zumindest an.)
    @Regenbogen
    Die Frage ob du in der Lage bist, Bedürfnisse medizinischer Art
    zu äussern finde ich Sehr gut. Immerhin ist das- zumindest für mich- gar nicht so einfach. Ich kenne deine Antwort auf die Frage nicht, kann aber sagen dass es mir sehr hilft, mich strukturiert auf Arztbesuche vorzubereiten. Im Netz gibt es mehrere Checklisten und Hilfsmittel um dies zu tun. Ich kann mir so zumindest nicht vorwerfen, der Termin sei ein Disaster gewesen ohne mich auch dafür verantwortlich zu sehen...

  • Hallo Emma,
    es ist schön zu lesen, dass dir mit deinem Hausarzt ein solches Glück beschieden ist! Nun, die Suche nach einem "passenden" Hausarzt gestaltet sich angesichts der geringen Dichte von Ärzten in meiner Wohnregion schwierig. Ich muss schon froh sein, überhaupt bei meiner Ärztin in einer Gemeinschaftspraxis "untergekommen" zu sein.


    Ich verweise hier auf Cellos Beiträge, nach denen ich mich richte. Ich finde, er hat vollkommen recht. Aber es gibt glücklicherweise auch Ausnahmen, wie du eine gefunden hast.


    Meine Antwort auf die Frage lautete: ja, das kann ich. Ich bin zwar Asperger, aber deswegen nicht weniger in der Lage als ein Neurotypischer zu beschreiben, was ich erwarte. Was mich am meisten immer fuchst ist, dass ich nach 5-10 Minuten einfach wieder abgeschoben werde. Da nützt mir auch keine Checkliste, weil dazu einfach die Zeit fehlt. Aber das ist nicht ein ASS-spezifisches Problem sondern ein Politikum - oder anders ausgedrückt: Sparmassnahme.


    Bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft mehr von der Sorte Ärzte geben wird, wie du einen hast. Nicht nur für ASS, sondern für alle Patienten. Wir alle sind trotz der Politik Wesen mit Gefühlen und auch Erwartungen. Ich finde, die oberste Priorität eines Arztes sollte der Patient und nicht die Taxpunkte haben.