Eingeschränkte Kommunikation

  • Kann das Kind seine Bedürfnisse nicht äussern kann dies für Eltern unter anderem aus folgenden Gründen sehr belastend sein:

    • Sie wissen nicht warum ihr Kind unzufrieden ist oder schreit und sind deshalb auch nicht immer in der Lage dem Kind zu helfen.
    • Der Beziehungsaufbau wird erschwert, da weniger soziale Interaktion und Kommunikation mit dem Kind statt findet.

    Eine Mutter zum Erkennen von Bedürfnissen: „Das ist schwierig, zu erkennen warum meine Tochter weint oder schreit, weil sie spricht noch nicht richtig und ich versuche es auch irgendwie zu erkennen […] Aber es ist sehr schwierig. Und dann fühlt sie sich, dass jemand sie nicht versteht und dann und dann ist sie unzufrieden und schreit.“


    Ein Kind, das seine Bedürfnisse nicht äussern kann, reagiert gemäss Aussagen der Eltern viel häufiger mit Schreien, Weinen oder Wutanfällen. Einige Eltern berichteten nämlich, dass ihr Kind weniger solche Verhaltensweisen zeigt, seit es angefangen hat seine Bedürfnisse zu äussern und es möglich ist, ihm gewisse Dinge zu erklären und es diese auch versteht.


    Das Sprachverständnis spielt eine wichtige Rolle im Zusammenleben mit dem Kind, denn viele Eltern berichteten von einem verbalen Umgang mit ihrem Kind in Krisensituationen: Sie versuchen ihrem Kind immer wieder zu erklären, warum etwas nicht geht. Das Vorbereiten ihres Kindes auf neue Situationen und somit der Versuch Angst, Wutanfälle und Schreien vorzubeugen, geschieht ebenfalls meist auf verbaler Basis. Hat das Kind kein grosses Sprachverständnis oder haben die Eltern das Gefühl, ihr Kind versteht nicht viel, so fallen solche Strategien weg. Den Eltern fällt es schwerer ihr Kind zu beruhigen oder sie fühlen sich in schwierigen Situationen noch hilfloser.


    Die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten bringen auch auf der Beziehungsebene viele Belastungen mit sich.


    Eine Mutter äusserte sich dazu wie folgt:„Mein Mann sagt manchmal ganz bösartig, ab und zu kommt es mir vor, man spricht mit einem "Gestrüpp". Es ist so. Es ist bösartig ausgedrückt, aber es hat etwas. Dass man das Gefühl hat, dass einfach nichts zurückkommt.“


    Je höher der Grad an Kommunikationsfertigkeiten eines Kindes ist, desto einfacher gestaltet sich für die Eltern auch der Beziehungsaufbau mit dem Kind. Die eingeschränkte Kommunikation und die als ungenügend empfundene Rückmeldungen des Kindes, werden von den Eltern als grosse Belastung erlebt.


    Eine andere Mutter berichtete dazu: „Also er ist da, aber er ist nicht da. Man lebt mit ihm zusammen aber man hat so das Gefühl... dass man auch vergessen könnte, dass er da ist. […] weil er kommuniziert nicht, nur wenn er etwas möchte. Früher als er noch nicht sprechen konnte war er einfach in der Wohnung, irgendwo, hat gespielt, ist herumgerannt oder so. Man sieht ihn dann ja, aber trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass man mit ihm in Kontakt ist. Er ist für sich und akzeptiert auch den Kontakt nicht unbedingt, man kann mit ihm nicht richtig in Kontakt treten. Deswegen fühlt man sich auch alleine, wenn man mit ihm zusammen ist. Es ist so, als wenn man ständig alleine wäre. Man ist schon mit dem Kind, passt auf und achtet auf ihn, aber trotzdem wie fast ein bisschen mit einem Hund. […] Es ist schwer vorzustellen für andere, denke ich, aber man fühlt sich einfach alleine.“


    Solche Aussagen können ebenfalls für Eltern zutreffen, deren Kind mit Autismus verbal seine Bedürfnisse äussern kann und ein gutes Sprachverständnis hat, aber ansonsten nur wenig sozial interagiert und kommuniziert. Auch hier ist es schwierig mit dem Kind in Kontakt zu treten, der Beziehungsaufbau ist erschwert und kann das Eltern-Kind-Verhältnis belasten.

  • Liebe Forenteilnehmer


    Dies ist für uns ein sehr schmerzliches Thema. Auch wir erlagen dem Irrglauben, dass wenn unser Kind endlich spricht, alles gut wird. Ich hoffe, dass die Fachstellen heute ein Kind mit Autismus schneller erkennen. Früher und sicher auch heute noch, landete man mit einem Kind, dass die Sprache nicht entdeckt, in der Logopädie. Nun stossen die Logopäden bei einem Kind mit Autismus rasch an ihre Grenzen. Was normalerweise funktioniert, klappt bei diesem Kind einfach nicht! Das Kind wirkt unfreundlich, vielleicht auch ein bisschen dumm? Der/die Therapeut/in fühlt sich vom Kind abgelehnt, schliesslich verweigert es den Blickkontakt und kehrt dem Therapeuten immer wieder den Rücken zu!


    Unser älterer Sohn trug während ca. 1,25 Jahren (von ca. 3 bis 4,25 Jahren) Hörgeräte. Er galt als stark schwerhöriges Kind, dies erwies sich später als Fehldiagnose. Wir vermuten aber, dass dank der Hörgeräte seine Sprachentwicklung in Gang kam. In der Audiologie therapiert man in der Hauptsache das Hören, in der zweiten Linie erst das Sprechen. Vielleicht wäre diese Art der Therapie für Autisten eher erfolgversprechend? Diese Fehldiagnose war für ihn wahrscheinlich ein enormer Glücksfall. Beim Kleineren erhielten wir die Hörgeräte erst nach Jahren (erst nachdem er auf Autismus diagnostiziert war). Als Kleinkind wurde beim Jüngeren die Hörgeräteversorgung abgelehnt, da er ja normal hören konnte.
    Jahrelang besuchte unser Älterer die Logopädie. Mit der Zeit sind wir nicht mehr weitergekommen, er konnte sich das "Dialektsprechen" einfach nicht angewöhnen. Die Logopädiestelle konnte nicht verstehen, was der Grund dieser Schwierigkeiten war. Wir landeten auch mit dem Jüngeren bei dieser Stelle. Nun mussten sie jahrelang ein Kind therapieren, zu dem sie praktisch nie Zugang fanden. Als unser jüngerer Sohn 5 Jahre alt war, eskalierte die Situation. Die Logopädie wurde durch den Therapeuten abgebrochen mit der Aussage, dass wir akzeptieren sollen, dass dieses Kind nie lernen wird zu sprechen, zu schreiben oder zu rechnen. Zum ersten Mal wurde von einer schweren Persönlichkeitsstörung gesprochen.


    Diese Aussage haben wir weder akzeptiert noch daran geglaubt. Schliesslich kommunzierten wir mit unserem Jungen, es stimmte zwar, dass er monatelang stumm war, doch nonverbal verstand er es gut sich auszudrücken. Mit Pantomime und Zeichnungen bekam er fast alles, was er haben wollte. Wenn wir nicht entschlüsseln konnten, was er wollte, machte auch er mit Schreien und Toben seinem Frust Luft.


    Wir haben nicht aufgegeben und dauernd auf unser Kind eingesprochen, obwohl von ihm weder Fragen noch auf etwas Zeigen kam. Wir versuchten ihm alles, was zu sehen war, zu erklären. Ich habe mich oft gefragt, was er damals wohl gedacht hat, ob er lieber seine Ruhe gehabt hätte? Er ist jedoch immer dort geblieben, wo ich war. Also wertete ich dies als Zeichen, dass er doch zuhören wollte.


    Mit fünf Jahren kam auch bei ihm die Sprachentwicklung in Gang. Heute, wenn er ohne Punkt und Komma auf mich einredet (mit Vorliebe erzählt er von seinen Games) muss ich nur an die Zeit zurückdenken als er moch mutistisch (stumm) war. Trotzdem wünschte ich mir heute manchmal ein Knöpfchen, um mir etwas Ruhe zu verschaffen. Beide Söhne (HFA) sind heute sehr glücklich und zufrieden. Beim Älteren halten sich die Sprachprobleme in Grenzen, natürlich gibt es manchmal Kollegen und Freunde, die über seine Sprachfehler lachen, ihnen ist nicht bewusst, wie verletzend dies auch heute manchmal noch für ihn ist. Die meisten Leute merken aber bei ihm keine Sprachauffälligkeiten mehr. Beim Jüngeren sieht es etwas anders aus. Wir arbeiten unverändert daran, dass seine Aussprache (er spricht fast nur hochdeutsch) verständlicher wird. Er lernt jetzt Begriffe, die er nicht aussprechen kann, zu umschreiben. Er wird nicht mehr wütend, wenn er nicht verstanden wird, er hat heute sehr viel Geduld mit seinem Mitmenschen (diese aber nicht immer mit ihm!). Wir sind sehr stolz auf ihn, dass er diese Schritte gegangen ist. Ich bin sehr glücklich, dass unsere beiden Buben, die Sprache für sich entdeckt haben, ihre Gedankengänge, ihre Logik und ihren Humor miterleben zu dürfen, ist für uns sehr bereichernd.


    Beide Knaben schätzen den Kontakt zu Kollegen und Freunden, sie haben aber auch immer wieder Phasen, wo sie es vorziehen alleine zu sein. Für beide ist die Kommunikation mit den anderen sehr, sehr wichtig. Durch die Erfahrung mit meinen Kindern wünschte ich mir, dass die Logopäden schon in der Ausbildung darauf hingewiesen werden, dass sie es vielleicht auch einmal mit einem autistischen Kind zu tun kriegen. Dass sie darauf vorbereitet werden, dass die Reaktionen dieses Kindes sie wahrscheinlich völlig verunsichern wird und ihnen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie sie mit dem autistischen Kind in Kontakt treten können. Eine andere Variante wäre auch, dass sich ein paar Logopäden auf die Arbeit mit autistischen Kindern spezialisieren und ihre Kollegen beraten könnten.


    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es für Eltern sehr hart ist, wenn das eigene Kind nicht mit uns Eltern spricht. Oft kämpft man gegen sich selbst, um nicht selbst "zu verstummen", es braucht viel Kraft und Energie immer wieder mit dem stummen Kind in Kommunikation zu treten. Ein Vater von einem heute erwachsenen Autisten hat einmal zu mir gesagt, dass er oft davon träume, dass sein Sohn nur das Wort "Vati" zu ihm sagt. Diese Aussage habe ich nie mehr vergessen.


    Liebe Eltern, ich möchte euch ermutigen, auch wenn Fachleute euer Kind aufgeben und behaupten, dass es die Sprache nie erlangen wird, gebt nie, nie auf. Es gibt verschiedene Arten der Kommunikation. Für uns am einfachsten die Lautsprache, es gibt aber auch die Kommunikation mit Gebärden, und Bildern oder der gestützten Kommunikation. Ich wünsche euch allen viel Mut und Kraft,
    liebe Grüsse, Monica

  • Mein Sohn kann zwar sprechen, er hat auch einen grossen Wortschatz (spricht von selber Hochdeutsch), macht aber von der Sprache wenig Gebrauch. Er schreit sehr häufig, wenn ihm etwas nicht passt oder ihm etwas nicht gelingt (z.B wenn ihm ein Spielzeug auseinanderfällt etc.). Wenn ich dann komme und frage, was los ist, schreit er noch mehr und wird aggressiv. Er will sich dann auch nicht helfen lassen. Das einzige, was er dann noch verbal ausdrücken kann, ist: "Lass mich in Ruhe!!!" Es ist dann praktisch nicht möglich, ihn zu beruhigen.
    Gibt es da irgendwelche Tipps? Was sagt Geisslein dazu?
    Viele Grüsse,
    Nischi

  • Zum Thema verbale Kommunikation mit unserem Sohn (Asperger, 9J.) möchte ich Euch kurz einen Einblick darüber geben, wie wir die Situation mit einem sprechenden Kind erleben. Obwohl wir die Diagnose erst vor einem Jahr erhalten haben, haben wir selber schon sehr früh gemerkt, dass wir mit unserem Ältesten "anders" kommunizieren müssen als mit den anderen Kindern. Wie Geisslein beschrieben hat, haben wir zum Beispiel schon bald bemerkt (und dies in Kindergarten, wie auch in der Erziehungsberatung so beschrieben), dass unser Sohn umso aufmerksamer einer Geschichte zuhört, je offensichtlicher er (für uns) "Löcher in die Luft starrt" oder sich anderen Tätigkeiten widmet. Bemerkt haben wir das, indem wir manchmal Rückfragen gestellt haben oder am nächsten Tag die Geschichte ein wenig anders erzählt haben (was dann prompt lautstarken Protest nach sich zog). Mittlerweile ist es für uns alle übrigens ein Hobby geworden, in Geschichten "Fehler" einzubauen. Unser Ältester kann sich ausschütten vor Lachen, wenn die Geschwister die Fehler nicht bemerken (oder es ihnen egal ist), ob die eine Figur in der Geschichte heute schwarze und morgen braune Haare hat.


    Ein spannendes Beispiel ist auch die Reaktion von unserem Sohn auf das Auseinanderkoppeln, resp. Ankoppeln von zwei Teilzügen in Burgdorf. Als wir dies zum ersten Mal erlebten, erholte er sich stundenlang nicht vom Schreck, vom Geräusch, vom Schlag, keine Ahnung von was (er war damals noch im Kinderwagen). Während Jahren haben wir ihn aber nun akribisch auf diese Situation vorbereitet, damit er nicht jedesmal in Panik geraten muss. Heute sagen wir ihm immer noch so früh wie wir es wissen, dass wir diesen Zug benutzen werden. Mittlerweile sagt er dann schon von alleine, dann gibt es Lärm und einen Ruck in Burgdorf.


    Sehr speziell sind auch die Reaktionen anderer Leute auf unser Kommunikationsverhalten. Wir werden häufig von völlig unbekannter Seite kritisiert, wir sollen doch nicht so auf das Kind einreden und der hätte das doch alles wohl schon längst begriffen etc. Kürzlich standen wir beispielsweise in der Ludothek an. Unser Ältester mit mir in der Reihe, die anderen Kinder am stöbern. Wir waren noch nicht an der Reihe, musste ich dem Kleinsten kurz helfen gehen. Der Älteste blieb schön in der Reihe stehen, wurde dabei aber von einer anderen Mutter einfach überholt. Er schaut mich hilflos an, ich denke, oh weh, jetzt fängt er an zu schreien oder motzt die Frau an. Schnell gehe ich zu ihm und erkläre ihm, dass es halt Erwachsene gebe, die Kinder einfach so übersehen würden oder denken, sie wären schneller als das Kind oder keine Ahnung, was sich diese Frau gedacht habe und dass es sich nicht lohne, dazu etwas zu sagen, dass wir schon auch noch an die Reihe kämen. Unser Bub war mit der Erklärung zufrieden, nicht so natürlich die Frau ;( . Nach einem bösen Blick herrschte sie mich an, dass sie es eilig habe und ja nicht wissen könne, ob er da anstehe oder ob wir am Spielen seien und ich sei ja schliesslich auch nicht da gewesen..... ich habe sie reden lassen und dann gesagt, das sei kein Problem für mich, ich möchte dann einfach von ihr auch nichts hören, wenn ich wie üblich mit meinen Kindern als Letzte am Bahnhof auftauche und mein Sohn trotzdem immer als Erster den Zug besteige... :D .