Herausforderungen durch das Umfeld

  • Eltern erzählten von vielen Situationen im Alltag, die erst durch die Reaktionen des Umfeldes zur Belastung werden können. So bestätigt eine Mutter:„ Ich finde das _Umfeld_ viel, viel belastender als mein Junge selber ... mit dem... ich habe meinen Frieden gemacht.“


    1. Reaktionen der Öffentlichkeit


    Die Eltern erwähnten viele Reaktionen der Öffentlichkeit auf Verhalten und Eigenarten ihrer Kinder durch welche sie sich oftmals sehr belastet fühlen:


    „Erleben sie mal die Leute drum herum, wie despektierlich und wie widerwärtig die sie betrachten. Dann merken sie, was sie selber lernen […] Begegnen tut uns die Umwelt, mit Hallo, können die ihr Kind nicht erziehen, nein schau mal.“„Ich höre viel Kommentare dann, die manchmal wirklich schaurig weh tun“


    „[…] dann tut das weh, weil man weiss, dass diese Leute sich über die Fähigkeiten der Mutter Gedanken machen und auch über das Kind. Sie denken es ist ein schlimmes, freches Kind, obwohl das nicht stimmt und das tut auch weh.“


    Umgang mit Reaktionen


    Mit Reaktionen aus der Öffentlichkeit gehen Eltern sehr verschieden um:


    „Ich kann sagen, also wir kommunizieren völlig offen“


    „Wenn es so ist, dass ich es machen kann, dass er es nicht hört, oder dass er es nicht versteht, dann sage ich den Menschen, dass er ein Handicap hat, ja. Und dass nicht alles so ist wie es aussieht. Halt einfach. Und dann habe ich jetzt auch schon mal Kärtchen gemacht, zum verteilen, bin ich jetzt so ein bisschen auf die Idee gekommen, um den Menschen in die Finger zu geben und zu sagen ‚he das Kind ist Autist, es reagiert anders als andere Kinder’[…]Ja, ja. Und dann den Menschen in die Finger drücken, damit sie es lesen können und er es nicht mitbekommt.“


    „Aber das ist .... man kann sich auch daran gewöhnen muss ich sagen[…] Es ist schwer aber man kann das lernen zu ignorieren.“


    „ […] und auf der anderen Seite gebe ich manchmal auch zurück“


    Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich und individuell. Sie reichen von Konfrontieren bis zu Ignorieren. Jedoch zeigt sich, dass die Eltern selber kein durchgehendes Muster zeigen. So berichteten Eltern von Konfrontationsmomenten, in denen sie die Umgebung aufzuklären versuchen und wiederum von anderen Momenten, in denen sie die Reaktionen zu ignorieren versuchen und nicht darauf eingehen. Einige Eltern erwähnten auch den Druck, unter dem sie stehen, der Öffentlichkeit eine Antwort bringen zu müssen: „Man hat immer das Gefühl, man muss das Kind verteidigen.“


    2. Wenig Wissen über Autismus im Umfeld


    Eltern berichteten vor allem auch von der Belastung, dass das Umfeld nicht weiss, was Autismus ist. So wird einerseits die ganze Situation und das Kind vorerst falsch beurteilt, da das Wissen über Autismus fehlt um die Situation richtig erkennen zu können:


    „Und es ärgert mich auch, dass... Sie haben keine Ahnung und machen sich Urteile darüber. Das stört und nervt auch, aber nach einer Zeit irgendwie, ja...man gewöhnt sich daran“


    „Die Menschen fällen ein Urteil und erkennen die Situation nicht und wissen nicht, dass es Autismus ist.“


    Andererseits kann auch durch ihre Aufklärung, dass das Kind Autismus hat, oft kaum etwas bewirkt werden, denn die Menschen wissen mit dem Begriff Autismus nichts anzufangen und können so auch im Nachhinein die Situation noch immer nicht verstehen. So berichteten Eltern:


    „Dann wissen die soviel wie vorher, sie wissen nämlich nicht was autistisch ist. 99,9 Prozent wissen das nicht.“


    „...ich glaube jeder weiss, dass ist etwas Schlimmes, aber viel mehr weiss keiner. Und das Umfeld ist immer dadurch belastet, dass niemand weiss, was autistisch ist.“


    3. Reaktionen des nahen und vertrauten Umfeldes


    Das nahe und vertraute Umfeld kann einerseits als Unterstützung dienen, andererseits aber auch zusätzliche Herausforderungen bringen. So erwähnten einige Eltern, dass die Grosseltern ihres Kindes eine grosse Unterstützung für sie sind, während andere von Grosseltern berichten, die zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen. So erwähnte eine Mutter:


    „Die Schwiegermutter hat mit so viel gutem Willen aber stetig das Verkehrte gemacht. Also er war nur noch am schreien und es ist soweit gekommen, bis meine Tochter gesagt hat, bitte fragt nicht mehr das Grosi, ich schaue lieber alleine, weil er hat einfach nur geschrien. Sie wollte ständig mit ihm "schmusen" und hat mit ihm gesprochen, sie hat ihn einfach nie in Ruhe gelassen, sie hat es einfach nie begriffen. Und auch noch heute, wir müssen ihr an jedem Familienfest sagen, lass ihn in Ruhe.“


    Ein Vater schilderte, dass die Grosseltern und generell das nahe vertraute Umfeld seine Tochter immer unterschätzen würde. Seiner Tochter wird dadurch zu viel geholfen und sie wird zu wenig gefördert. Er meinte:


    „Man unterschätzt sie immer. Selbst die Grossmamis unterschätzen sie, sie kann viel mehr oder, man muss sie quasi nur dazu zwingen.Also das eine ist ja das Umfeld, das meine Tochter kennt, da wird meistens, meistens erfahren wir, dass man sie unterschätzt. […] das Umfeld probiert immer gerade zu helfen und anstatt sie es buchstabieren, sie soll das selber probieren, versucht man ihr immer zu helfen, ja du kommst dort nicht weiter, das ist dort das Problem.“


    Teilweise wissen auch Freunde, Familie und Verwandte nicht mit der Situation und dem Kind mit Autismus umzugehen und distanzieren sich von der betroffenen Familie. Eine Mutter hat dies erfahren:


    „Freunde, also wirkliche Freunde zieren sich schon nicht, aber Leute die sie denken, sind Freunde distanzieren sich, selbst Eltern. Also meine Eltern und die Eltern von meinem Mann haben Mühe.“


    Durch die geschilderten Reaktionen des nahen Umfeldes finden oftmals weniger Kontakte statt oder Kontakte gehen ganz verloren. Das nahe Umfeld und dessen Reaktionen können durchaus als grosse Belastung für die Eltern angesehen werden. Die Herausforderung besteht darin, sich nicht zu isolieren und Kontakte zu erhalten oder neue Kontakte aufzubauen.

  • Wir haben in den letzten Jahre einige von unseren "Schönwetter-Freunden" verloren. Die richtigen Freunde sind geblieben. Ich habe gemerkt, dass die Leute, die sich ausgeklinkt haben, solche mit "perfekten" Kindern sind. Wir haben uns dank unseren Schwierigkeiten mit unserem Sohn in entgegen gesetzte Richtungen entwickelt. Ich habe auch die Geduld manchmal nicht, um über meiner Meinung Luxusprobleme zu diskutieren. Zum Prahlen gibt es eigentlich auch nichts. Wir sind froh, wenn wir den Tag ohne grössere Zwischenfälle überstehen. Die Verwandtschaft ist zum grossen Teil gut informiert von Anfang an. Da haben wir das Glück, dass sie sich von aus über das Asperger Syndrom auch noch weiter informiert haben. Das Problem ist eher bei fremden Leuten. Aber nur von Fall zu Fall, unser Sohn ist eben doch schon fast erwachsen und hat doch einiges gelernt in den letzten Jahren. Zum Glück!
    christa