Tod des Büsis

  • Wir sind im Moment alle sehr traurig. Seit Dienstag haben wir eines unserer Büsis vermisst. Eigentlich hätten wir heute in die Ferien fahren wollen. Da ich nicht wegfahren kann, wenn ich nicht alle gesund und munter weiss, haben wir heute eine Suchaktion gestartet.


    Mein Mann hat sie 5 Meter unter dem Haus unter einem Wurzelstock gefunden. Sie hat sich da fürs sterben verkrochen.


    Das Büsi war unserem ASS Sohn und er weigert sich jetzt standhaft, sie in unserem Garten beerdigen zu lassen. Er wolle sie ausstopfen und immer wieder streicheln können. Er stellt auf stur und sagt mir immer wieder: Du kennst meine Meinung, punkt und aus.


    Wie gehe ich damit um? Ich bin selber von der Rolle. Sie hat einen würdigen Platz und ihre Ruhe verdient.


    HILFE!!!!!!

  • Oh das ist sehr traurig.
    Ich habe vor ein paar Stunden diesen Text gelesen und es beschäftigt mich, es geht mir so viel durch den Kopf. Ich kann mir die Situation Deines Sohnes so gut vorstellen.
    Was könnte man tun, dass er von dem Büsi Abschied nehmen kann, es loslassen kann? Was könnte allen in der Trauer helfen?
    Unsere Familie hatte auch eine Katze, als ich Kind war. Ich selber bin von ASS betroffen. Unser Katze hatte Katzenleukämie und wollte nichts mehr fressen, sie resp. er wurde immer magerer und schwächer... so dass meine Eltern entschieden, Ingo zum Tierarzt zum einschläfern zu bringen. So kam es nicht überraschend - der Tod (und ich glaube in der letzten Zeit war Ingo auch nicht mehr so nahbar - so energielos) und ich vertraute meinen Eltern, dass sie das Richtige tun, es war für sie ja auch nicht einfach, sie hatten mir auch erklärt, dass es besser ist, wenn Ingo nicht mehr weiter leiden muss. Und sie hatten für diesen Schritt wirklich sehr lange gewartet - da Ingo früher jeweils im Käfig so tobte, dass er sich Krallen ausriss...zudem war es mühsam ohne Auto die eingesperrte Katze zu transportieren. Ich mag mich nicht mehr erinnern, wie der konkrete Abschied war - ich glaube ziemlich ruhig, möglicherweise habe ich zugeschaut, wie sie die Katze in den Käfig manöverierten, und er sich nicht mehr wehrte. Dann habe ich mich zurückgezogen, war traurig, in Gedanken bei Ingo und wartete bange bis die Eltern wieder nach hause kamen... mit dem leeren Käfig. So mussten sie ganz genau erzählen, wie es ergangen ist beim Tierarzt.
    Und ich glaube es hatte mich noch eine Weile beschäftigt und meine Eltern mussten immer und immer wieder mit mir darüber sprechen.
    Ich hatte auch den Wunsch, dass man das Fell von Ingo behalten könnte. Meine Mutter erklärte mir, dass dieses Fell ja nicht mehr so schön war, weil Ingo krank war und zudem sei es schwierig so ein Katzenfell zu konservieren, ohne dass die Haare raus fallen. Das war für mich gut nachvollziehbar. Ich hatte das Glück Zeit zu haben für diesen Prozess. Es hatte mir geholfen, dass man mir alles rational erklären konnte. Und sicher war es auch hilfreich, dass wir die ganze Familie traurig waren und dass meine Eltern liebevoll und geduldig waren.
    Wenn ich so darüber nachdenke, was helfen könnte. Kommt mir in den Sinn, dass wir irgendwo kleine feine Fellstücke hatten (wahrscheinlich Kaninchen), ich mochte es diese zu streicheln und es beruhigte mich, allerdings hatte ich etwas Mühe mit dem Geruch, das war eine rein sensorische Angelegenheit und hatte nichts mit der Katze zu tun. Hätte man mir dies zum Trösten angeboten, glaube ich hätte ich es nicht angenommen und wäre unter Umständen wütend geworden - da man Ingo und seine Persönlichkeit nicht ersetzen kann. Ich glaube wir hatten auch oft gemeinsam Fotos von Ingo angeschaut. Erinnerungen aufleben lassen.


    Ich hoffe Ihr könnt zusammen mit Eurem Sohn ein gutes Abschiedsritual machen, obwohl er sich ins "ausstopfen" verbissen hatte. (das kenn ich gut - und es ist so schwierig raus zu kommen) Das mit dem würdigen Platz und der Ruhe ist ja schon ein gutes Argument. Das Büsi hatte sich ja auch zurückgezogen, um in Ruhe zu sterben. Mir ist noch so durch den Kopf gegangen, wie es wäre, wenn man auf die Idee des "Ausstopfens" konkreter eingehen wurde (PsychologInnen ErzieherInnen würden das wohl nicht empfehlen - Verborrte finden immer genug Gegenargumente - doch ich weiss wie wichtig es für Menschen mit ASS ist, möglichst konkret zu sein - Präsenz und ernst nehmen ist wichtig - auch wenn hinter dem Wunsch vielleicht auch einfach die Überforderung auf Gefühlsebene steht) Also das Büsi hätte sofort eingefroren werden müssen (schrecklich diese Vorstellung und zudem ist es jetzt möglicherweise zu spät) und für das Präparat müsste das ganze Büsi zerlegt werden, evtl. braucht es Gift, damit nichts fault oder verpilzt... so dass man das "Büsi" dann auch nicht mehr streicheln sollte... (auch nicht schöne Vorstellungen) vielleicht könnte auch ein/e PräparatorIn konkret Auskunft geben...evtl. gemeinsam anrufen (das könnte eine gute Adresse sein, die sind sehr offen: http://www.vogelpraeparation.ch/praeparation.htm)


    Nachdem für mich die Dinge rational klar waren, konnte ich mich auch auf den gefühlsmässigen mentalen Prozess einlassen.


    Vielleicht hilft es konkrete Dinge zu tun - Erinnerungsbüchli machen, Fotos, Haare einkleben... Mäuse zeichnen die das Büsi gefangen hatte, Streiche...


    Jris ,sowie ich Dich im Forum als engagierte und feinfühlige Mutter kennen gelernt habe, bin ich überzeugt, dass Du intuitiv das Passende tun wirst. Ich wünsche Euch viel Ruhe und Kraft und hoffentlich dann doch noch etwas Ferien.

  • Hallo Achillea


    Ganz herzlichen Dank für deine Zeilen. Ich war dankbar überhaupt eine Antwort zu kriegen. Genau in so Situationen merke ich ganz deutlich, dass wir nicht gleich ticken und dann bin ich ziemlich schnell hilflos und überfordert, weil man mit ihm nicht diskutieren kann. Da kommt sein Standpunkt und fertig und aus.


    Wir haben unser Büsi im Garten beerdigen können. Unser Sohn hat dabei geholfen, bis es nicht mehr ging und er sich weinend in sein Zimmer verkrochen hat.


    Wir werden ihm für sein Zimmer hier und in der Sonderschule eine Fotowand machen. Haare musste ich auch noch welche abschneiden (war für mich nicht ganz einfach). Die kleine Wolldecke, auf der sie in letzter Zeit immer geschlafen hat, haben wir eingetütet. Die hat er in seinem Zimmer zur Verwahrung.


    Wir konnten am Samstag dann doch noch wegfahren, was uns eigentlich ganz gut getan hat. So gab es für 2 Wochen eine gewisse Distanz. Seit letzten Sonntag sind wir wieder zu Hause. Unser Sohn war noch nie bei ihrem Grab hinter dem Haus. Er geht dem ganz bewusst aus dem Weg. Er will auch nicht darüber sprechen.


    Wir haben über das Ausstopfen vor unseren Ferien noch mit ihm gesprochen. Ich war erstaunt, wie viel er darüber gewusst hat.


    Zum Glück heilt die Zeit alle Wunden. Ich kann nämlich noch nicht in den Fotos stöbern. Der Schmerz ist noch sehr gross. Darum kriegst du auch jetzt erst eine Rückmeldung. Sie wurde nur 6 jährig und fehlt an allen Ecken und Enden.


    Danke noch einmal für deine Anteilnahme.


    Liebe Grüsse
    Jris

  • Liebe Jris,


    ich kann euren Schmerz sehr gut nachvollziehen. Gestern mussten wir eines unserer geliebten Zwergkaninchen per Notfall zum Tierarzt bringen, der keine andere Alternative mehr sah, als es von seinem Leiden zu erlösen. Wir hatten es seit einem Monat immer wieder zum Tierarzt gebracht und es gepflegt und doch war die Natur stärker, obwohl es uns nicht verlassen wollte. Es hat gekämpft und doch konnte es die heimtückische Krankheit nicht besiegen. Ich kann, obwohl ich ein Erwachsener bin, nur sehr schwer mit dem Verlust umgehen, war es doch über 7 Jahre lang ein wichtiger Teil der Familie. Auch uns fehlt es an allen Ecken und Enden, hatte es doch einen aussergewöhnlichen Charakter und hat uns oft erfreut durch seine Lebensfreude. Wir haben nun noch zwei, dennoch ist es nicht mehr dasselbe. Die Trauer ist enorm, ich weiss, die Zeit wird alle Wunden heilen, doch die Erinnerung an den Akt der Einschläferung werde ich wohl nie mehr los. Vielleicht liegt es an meiner Hypersensibilität, dass ich so an diesem Schatz hänge, es schmerzt einfach ganz gewaltig. Tiere liegen mir näher am Herzen als die meisten Menschen. Sie nehmen mich so, wie ich bin und urteilen nicht über mich. Ich bin einfach nur traurig.


    Regenbogen

  • Lieber Regenbogen


    Als NT würde ich jetzt spontan sagen, ich drücke dich ganz fest, um dir mein Mitgefühl für euren Schmerz mitzuteilen. Du als ASS kriegst wahrscheinlich gleich einen Muskelkrampf von meiner Idee. So denken und funktionieren wir alle verschieden.


    Wenn ich eure Geschichte lese, leide ich mit euch und auch bei mir kommt einiges an Erinnerungen hoch. Die Verarbeitung kommt wieder in Schwung.


    Ich habe schon einige Tiere gehen lassen müssen. Das schlimmste für mich war auch ein Kaninchen. Ich habe daraus gelernt und mir einen Kaninchenzüchter in der Nähe gesucht, der mir jeweils hilft, wenn es so weit ist. Beim Tierarzt einschläfern lassen, lasse ich keines mehr. Das verfolgt mich noch heute immer wieder.


    Ich habe bis jetzt immer sagen müssen, wann es für die Tiere Zeit ist, zu gehen und mir immer gewünscht, sie würden das selber entscheiden. Jetzt habe ich auch das selber entscheiden erlebt. Es ist auch schlimm und nicht zu verstehen, warum man nicht gemerkt hat, dass es dem Tier nicht gut geht.


    Jris