Erste Auffälligkeiten
Die Eltern haben meistens schon früh bemerkt, dass etwas in der Entwicklung ihres Kindes anders ist. Sie erleben erste Anzeichen, dass ihr Kind anders reagiert als sie erwarten würden. Die meisten Eltern haben ihr Kind als Baby sehr normal und überhaupt nicht auffällig wahrgenommen. Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres haben sich oftmals erste Auffälligkeiten gezeigt, welche von den Eltern als solche wahrgenommen wurden. Sie nannten Dinge wie, dass beim Kind keine Erziehung möglich war, es nicht auf die Eltern hörte, wenn diese etwas sagten, kein Regelverständnis hatte, dass das Kind nicht auf seinen Namen reagierte, zum Abschied nicht winkte, immer wieder einfach weggelaufen ist und nicht geschaut hat, wo sich die Mutter oder der Vater befindet.
Die Eltern gaben ausserdem an, dass ihr Kind andere Personen nicht imitierte und die Umgebung sowie die Eltern nur sehr wenig beachtet hat. Der Blickkontakt war wenig da und das soziale Verhalten mit anderen Kindern seltsam.
Einer Mutter ist zusätzlich aufgefallen, dass der Sprachgebrauch bei ihrem Kind auffällig war. Das Kind hat im Alter zwischen drei und vier Jahren Wörter und Sätze verwendet, welche der Situation nicht angebracht oder auf eine vorherige Situation bezogen waren. Oder das Kind hat Sätze gebraucht, die jemand in einer vorherigen Situation gesagt hat. Einer anderen Mutter waren zuerst motorische Schwierigkeiten aufgefallen. Die meisten Eltern aber berichteten, dass die motorische Entwicklung ihrer Kinder mit Autismus völlig normal verlaufen sei und die motorischen Entwicklungsschritte wie Umdrehen, Aufsitzen, Krabbeln und Laufen von ihren Kiindern im Rahmen der Norm erreicht wurden.
Rückläufige Entwicklung
Einige Eltern berichteten über einen plötzlich beobachtbaren und regressiven Richtungswechslung in der Entwicklung des Kindes. Eine Mutter sagt über die Entwicklung ihrer Tochter:
„Mit drei wurde das deutlicher würde ich sagen. Mit drei war es als es einen abrupten, vielleicht auch etwas früher, war es als es eine abrupte Änderung in der Kinderkrippe gegeben hat, wo sie damals war. Von einem Tag auf den anderen hat also unser Kind nicht mehr geschaut. Von einem Tag auf den anderen.Nur noch gesessen, vor sich hin "gebabbelt", kein Kontakt mehr, nichts mehr […] der Blickkontakt war einfach weg, einfach weg. Sie hat nur noch herumgestarrt und dann wurde sie immer auffälliger.“
Ein Vater äusserte sich zur Entwicklung seiner Tochter wie folgt:
„Auf jeden Fall hat sie sich bis etwa 18 Monaten wie normal entwickelt. Sie hat auch angefangen zu reden. Sie hat durchaus Wörter gehabt, die sie heute nicht mehr hat. Und plötzlich hat das stagniert und ist sogar rückläufig gewesen, also die Entwicklung war rückläufig.“
Unabhängig davon ob diese ersten Auffälligkeiten eher schleichend oder von einem Tag auf den andern kamen, für alle Mütter und Väter waren es erste Anzeichen, dass etwas in der Entwicklung ihres Kindes nicht normal verläuft. Ausgelöst hat dies bei allen Eltern eine grosse Ungewissheit und Unsicherheit. Für die meisten Eltern ist es, gerade wenn das Kind noch sehr klein ist, sehr schwierig zu beurteilen, ob ihr Kind sich grundsätzlich anders entwickelt oder ob es in der Entwicklung einfach etwas zurückliegt.
Ungewissheit über die Entwicklung des Kindes als Belastung
Die Ungewissheit über die richtige Entwicklung ihres Kindes wurde von allen Eltern als grosse Herausforderung und auch Belastung beschrieben. Manche hatten im Innersten das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, fragten sich aber trotzdem immer wieder, ob dies auch wirklich so ist. Manche Elternteile erlebten sich in der Situation auch als hilflos, weil sie nicht wussten, was sie machen sollten. Andere erwähnten Ängste und die Sorge, dass es etwas Schlimmes sein könnte, vermischt mit der Hoffnung, dass es eben doch nur eine kleine Entwicklungsverzögerung ist.Eine Mutter über diese Phase:
„Als ich die Diagnose nicht wusste, als er noch klein war, hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Diese Ungewissheit, das ist schlimm, wenn man nicht weiss was dem Kind fehlt. Es fehlt etwas, er entwickelt sich nicht so, wie er sollte. Aber was ist denn das, es ist einfach diese Ungewissheit. So... Ich möchte es jetzt einfach wissen...Ich möchte es einfach wissen und nachher etwas machen, dass er einfach den richtigen Weg findet. Aber dann hofft man auch natürlich, dass es nichts Schlimmes ist“.
Eine andere Mutter über die Ungewissheit bezüglich der Auffälligkeiten:
„Ich habe wirklich relativ schnell das Gefühl gehabt, irgendetwas ist anders bei ihm. Aber wirklich zu benennen was, war wirklich schwierig.Ja, ich habe einfach gedacht irgendetwas ist schräg und dann spreche ich auf der anderen Seite mit meinem Mann und der findet irgendwie, nein, ist doch völlig okay, er ist jetzt halt ein bisschen langsamer. Und dann denke ich okay, nein, komm, ich meine wir nehmen ihn, wir haben ihn ja gerne wie er ist, ist ja kein Problem oder, und trotzdem war immer etwas da. Oder. Also weil irgendwann dreht man dann, zwischen dem, dreht man manchmal fast durch, das ist wirklich schwierig.“
Mit den speziellen Verhaltensweisen und den Anzeichen, dass etwas nicht stimmt, kommt bei den Eltern immer mehr das Bedürfnis nach Abklärung und Untersuchung des Kindes auf.