Beiträge von Elisabeth

    Autismus ist…
    (in der Wahrnehmung meines „wahrnehmungsbehinderten“ Sohnes)


    Du sagst, ich sei ein „Autist“, „so einer wie Rainman“,
    behindert und insel-hochbegabt.
    Ok, wenn dir diese Schublade hilft, meine Begrenzungen
    und meine Stärken besser zu verstehen.


    Nichts gegen Schubladen.
    Sie helfen auch mir, die Welt besser zu verstehen.
    Die Schublade der Physik, nur so als Beispiel, sie sagt mir,
    dass die Strecke, die ein Körper im freien Fall auf die Erde zurücklegt, g halbe t quadrat ist.
    Ein Apfel fällt – im Vakuum – so, und ein Stein, und auch du.
    Die Frage ist, ob ich damit das Wesentliche an dir begriffen habe.
    Eher wohl nicht. Aber wenigstens etwas von dir.


    Ich wehre mich nicht dagegen,
    in die Schublade mit der Aufschrift „Autist“ gepackt zu werden,
    so wenig wie du dich wehrst, aus der Sicht der Physik mit einem Stein verglichen zu werden.
    Diese Schublade schützt mich
    vor unmöglichen Ansprüchen der „neurotypischen“ Menschen,
    so wie die Schublade der Physik dich schützt
    vor der Erwartung, ohne Hilfsmittel über der Erde zu schweben.


    So liege ich also heute auf dem Rücken in meiner Schublade
    und schaue in den Himmel, in den unbegrenzten Raum über mir…
    glücklich, so lange mir keiner einen Stein auf die Nase fallen lässt.


    Ob ich später über den Rand meiner Schublade steigen werde?
    Wer weiss. Nur: mach die Schublade nicht zu!

    Entschuldigung, habe diese Diskussion erst gerade entdeckt.
    Mein Herz schlägt für deinen Sohn (und natürlich auch für dich, Tabeli). Danke, dass du deinen Sohn sehr ernst nimmst!
    Wir leben jetzt bald sieben Jahre mit der Diagnose und haben solche Leidenszeiten auch durchgemacht. Solche Probleme kosten so unendlich viel Kraft, die man doch dringend für anderes benötigen würde!
    Unser Sohn (15, Aspie) geht jetzt (im Sonderschulstatus) ins 3. Gymi und dort wird er per Befehl von der Schulleitung in Ruhe gelassen. Dem Chaos darf er ausweichen, wenn es für ihn unerträglich wird - was er nicht ausnützt, aber nur schon die Möglichkeit dazu gibt ihm genug Mut, um mehr auszuhalten. Er ist aufgeblüht und kann jetzt erst richtig zeigen, was in ihm steckt.
    Erst im Rückblick erkennen wir den riesigen Unterschied zu früher, wo er auch "ausgelacht" oder geärgert wurde usw. (vermutlich nicht mehr als andere, aber ihm kam es schlimm vor). Wir würden das gar nicht glauben, hätten wir es nicht selber erlebt. Es müsste doch irgendwie möglich sein, schon jüngeren Kindern irgendwie "den Rücken freizuhalten"!
    Ich wünsche euch die Kraft, um für euren Sohn zu kämpfen, von den Leuten rundherum Verständnis für ihn und für ihn selber einen Weg, den er fröhlich und zuversichtlich gehen und auf dem er sich entfalten kann!

    Unsere Erfahrungen sind sehr positiv:
    Das Vertrauen zwischen Arzt und Eltern ist gegenseitig.
    Unser erfahrener Kinderarzt ist kein Autismus-Fachmann, und er gibt das auch zu.
    Er weiss, dass wir als Eltern eines Asperger-Teenagers uns seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema auseinandersetzen.
    Das respektiert er und nimmt unsere Meinung ernst.
    Er unterstützt uns, wenn wir für unseren Sohn etwas brauchen (z.B. Arztzeugnis für Nachteilsausgleich) und nimmt sogar unsere Hilfe beim Formulieren in Anspruch. Wir profitieren von seiner grossen Kompetenz im Umgang mit Behörden und IV.
    Solch ein ideales Verhältnis wünschen wir allen Menschen mit Autismus.

    Herzlichen Dank für das Aufgreifen des Themas!
    Sie haben die Probleme klar erfasst. Als Eltern schafft man immer gleich "eine schlechte Stimmung", wenn man bei der Schule um etwas bittet oder es sogar einfordert, und diese Stimmung fällt dann wieder negativ auf das Kind zurück.
    Wir hatten das grosse Glück, dass uns die Schule (Gymnasium) sogar ermutigte, bei der Aufnahmeprüfung um den Nachteilsausgleich zu kämpfen. Dafür sind wir unendlich dankbar.

    In der Regel wünschen sich ja alle die Integration eines Behinderten in die Regelschule.
    Dieser Bundesgerichtsentscheid setzt ein Signal in dieser Richtung.
    Gewisse Formulierungen sind aber sehr problematisch, z.B.: "Sowohl behinderte als auch nichtbehinderte Kinder hätten (...) nur
    Anspruch auf ausreichenden und nicht auf idealen oder optimalen
    Unterricht."
    Integration auf der Oberstufe ist selbst im besten Fall eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten. Wenn sie erzwungen wird, so beinhaltet sie grosse Gefahren. Ich hoffe, dass dieser Bundesgerichtsentscheid nicht für zu viele unserer Kinder kreative Lösungen verbaut.



    weiter
    lesen:
    http://www.gmx.net/themen/schw…ch-sonderschule#.A1000146
    http://www.gmx.net/themen/schw…ertem-besuch-sonderschule

    Als Mutter eines 14-jährigen Aspergers reizt es mich, auf diesen Beitrag einzugehen.
    Danke, Jacqueline, dass du fragst. Dich hätte ich gern als schulische Heilpädagogin (oder Begleiterin?) für meinen Sohn!
    Er besucht integriert die 2. Sek und hat keine SHP mehr als Begleiterin (weil keine gefunden werden konnte). Eine nette Frau aus einem anderen Beruf versucht es zwar (6 Stunden), wird aber anscheinend von keiner Seite wirklich respektiert.
    Unser Hauptproblem: J. hat keinen Schutz mehr auf dem Pausenplatz und beim Warten auf den Schulbus und niemanden, der vermitteln würde bei Problemen. Darunter leidet er massiv. Abmachungen vom Anfang (z.B. dass er sich zurückziehen darf) gingen vergessen.
    Leider kenne ich in unserem Umfeld nur Integrationen von Aspies auf der Oberstufe, bei denen es sehr schwierig war oder ist. Die Klassenkameraden haben mit sich selber so viel zu tun in der Pubertät, dass sie selber die Sozialkompetenz oft nicht mehr aufbringen, um einen "anderen" Schüler akzeptieren zu können - und Aspies gehören nun einmal zu diesen "anderen". Deshalb habe ich langsam grundsätzliche Zweifel, ob nicht auf der Oberstufe häufiger separative Lösungen gesucht werden sollten. Unser Sohn wählte die Flucht nach vorn: Er geht jetzt dann ins Gymi und hofft, dort in Ruhe gelassen zu werden. Irgendwie hat man als Eltern das Gefühl, das müsste doch keine zu hohe Erwartung sein...

    "Tim und der Gummibaum" ist ein Lehrmittel für die Mittelstufe (4.-6. Klasse). Es beinhaltet eine realistische, berührende Geschichte über einen Asperger, der in die Regelschule integriert wird (mit einer Rückblende auf den Kindergarten), sowie Lerneinheiten zu jedem Kapitel. Die SchülerInnen setzen sich mit ihren eigenen Stärken und Schwächen auseinander, aber nicht unter moralischem Druck, sondern durch emotionale Betroffenheit.


    Sehr zu empfehlen! (z.B. als Geschenk an Lehrer...)


    Verfasst von Karin Schnyder


    kuk-Verlag R. Widmer/ R. Sünkel, Moosstrasse 15, 8107 Buchs


    www.kuk-verlag.ch Tel 044 844 13 62


    Best.-Nr. 1111, Fr. 57.-

    So als Tipp: Die Organisation "égalité handicap" hilft bei juristischen Fragen. Das sind Juristen, die auf die Rechte von Behinderten spezialisiert sind. Sie verlangen nur eine sehr bescheidene Fallpauschale.
    Übrigens ist unser 14-jähriger Sohn (stark betroffen von ASS; heute 2. Sek, also 8. Schuljahr) seit der 3. Klasse als ISS-Schüler unterwegs. Es gab keine Alternativen im weitläufigen Kanton GR. Wir erlebten erträgliche und unerträgliche Zeiten. Jetzt mögen wir alle definitiv nicht mehr und können nur hoffen, dass er die Gymi-Prüfung besteht...


    2. Übrigens: Ohne die Bereitschaft der hauptbetroffenen Lehrperson würde ich nie und nimmer versuchen, einen Asperger zu integrieren. Es ist auch bei allem guten Willen enorm schwierig, besonders in der Oberstufe.

    Liebe Frau Schwarz
    Zwar schliesse ich mich inhaltlich meinen Vor-Postern an, aber ich möchte Ihnen vor allem danken: Ihre Untersuchung geht aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Es geht um die Frage, was für Begleitumstände einem Asperger ISS-Schüler helfen können.
    Bei unserem 14-jährigen Sohn, der integriert in die 2. Sek geht, wir diese Frage gar nicht erst gestellt. Er hat einfach zu funktionieren. Das macht uns traurig und ratlos. Man fühlt sich als Eltern völlig alleingelassen, wenn man sein Kind nur vor den gröbsten Übergriffen schützen möchte. Deshalb sind wir dankbar für alle Versuche, die Bedürfnisse von Aspergern ernst zu nehmen.

    Liebe Aloa
    Auch wenn das "Schnellantwort" heisst - schnelle Antworten weiss ich keine. Ich kann Deine Verzweiflung gut verstehen. Solche Situationen belasten ganz massiv. Wir habe selber einen 13-jährigen Asperger-Sohn (integriert, ihm geht es recht gut) und einige Erfahrung im Begleiten von Eltern in ähnlichen Situationen. Vielleicht hilft ein Austausch per E-Mail oder Telefon, wenn Du möchtest. Melde Dich, wenn ich Dir helfen kann.

    Liebes Geisslein


    Deine Beiträge helfen mir sehr viel weiter beim Verständnis meines AS-Sohnes (12).


    Aber sie machen mich auch ratlos - noch ratloser.


    Ich fühle mich zerrieben zwischen allen Fronten.


    Das ist nicht Deine Schuld, aber ich muss es hier loswerden.


    Typisch "Eltern"?

    Liebe Claudia
    Unser ASS-Sohn ist inzwischen 12 und besucht als integrierter Sonderschüler die 6. Klasse. Sein Verhalten sieht genau so aus wie das Ihres Sohnes (unter grösster Anstrengung perfekt in der Schule, und zuhause ist dann "die Luft raus").
    Zweimal im Jahr findet eine "grosse Runde" mit Lehrpersonen, Schulpsychologin, Heilpädagogin, Schulinspektor und der für die Integration verantwortlichen Person statt. Dabei werden Fragen wie die der möglichen Entlastung diskutiert. Auch unser Sohn wird von einigen Lektionen entlastet, obwohl die Lehrkräfte wie bei Ihnen das Problem nicht wirklich verstehen können (... die Eltern können halt nicht umgehen mit dem Kind...)
    Hauptsache, es funktioniert. Aber dafür braucht es natürlich den ISS-Status ("integrierter Sonderschüler").

    Für uns sind solch schwierige Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit auch eine der grössten Herausforderungen überhaupt. Wir kennen allerdings auch Eltern, die genügend Selbstbewusstsein haben, um sagen zu können: "Das lässt uns doch kalt, wie andere Leute auf das Verhalten unseres autistischen Kindes reagieren." Wir gehören leider nicht dazu.
    Aufgrund des Wunsches anderer Behinderten-Gruppen habe ich den Versuch unternommen, eine Armbinde mit der Aufschrift "Handicap" zu schaffen, ähnlich wie die der Blinden. Ein Hersteller wäre da, die Kosten kämen auf weniger als zehn Franken pro Armbinde. Aber ich habe keine Organisation gefunden, die mir geholfen hätte, dieses "Kennzeichen für Menschen mit nicht-sichtbaren Behinderungen" bekannt zu machen und zu verbreiten.
    Als Gegenargument wurde der "Judenstern" erwähnt. Aber diese Armbinde würde selbstverständlich nur freiwillig und nur dann getragen, wenn ein Kind - oder oder dessen Eltern, oder evtl. auch ein erwachsener Behinderter - den Schutz des Kennzeichens braucht, z.B. auf Reisen oder an Tagen, an denen es dem Betroffenen nicht gut geht.
    Wer mag Energie investieren, um diese Armbinde zu lancieren?