Autismus ist…
(in der Wahrnehmung meines „wahrnehmungsbehinderten“ Sohnes)
Du sagst, ich sei ein „Autist“, „so einer wie Rainman“,
behindert und insel-hochbegabt.
Ok, wenn dir diese Schublade hilft, meine Begrenzungen
und meine Stärken besser zu verstehen.
Nichts gegen Schubladen.
Sie helfen auch mir, die Welt besser zu verstehen.
Die Schublade der Physik, nur so als Beispiel, sie sagt mir,
dass die Strecke, die ein Körper im freien Fall auf die Erde zurücklegt, g halbe t quadrat ist.
Ein Apfel fällt – im Vakuum – so, und ein Stein, und auch du.
Die Frage ist, ob ich damit das Wesentliche an dir begriffen habe.
Eher wohl nicht. Aber wenigstens etwas von dir.
Ich wehre mich nicht dagegen,
in die Schublade mit der Aufschrift „Autist“ gepackt zu werden,
so wenig wie du dich wehrst, aus der Sicht der Physik mit einem Stein verglichen zu werden.
Diese Schublade schützt mich
vor unmöglichen Ansprüchen der „neurotypischen“ Menschen,
so wie die Schublade der Physik dich schützt
vor der Erwartung, ohne Hilfsmittel über der Erde zu schweben.
So liege ich also heute auf dem Rücken in meiner Schublade
und schaue in den Himmel, in den unbegrenzten Raum über mir…
glücklich, so lange mir keiner einen Stein auf die Nase fallen lässt.
Ob ich später über den Rand meiner Schublade steigen werde?
Wer weiss. Nur: mach die Schublade nicht zu!