Unsere Abklärungsphase dauerte ca. 13 Jahre! Unser Sohn bekam mit 16 Jahren Ende 2008 endlich die Diagnose Asperger. Angefangen haben wir beim Kinderarzt, der uns, als er nicht mehr weiter wusste an einen Kinderpsychiater, der als Kapazität galt, weiter schickte. Dieser Psychiater weigerte sich unseren Sohn abzuklären, weil er noch zu jung sei. Er machte eine Therapie mit ihm. Aber was er eigentlich genau mit dem Kind machte, wissen wir bis heute nicht. Nach einer Zeit unguter Gefühle unsererseits haben wir bei diesem Kinderpsychiater aufgehört. In der ersten Klasse sind wir auf der Erziehungsberatung gelandet. Die Psychologin hat sich geweigert unseren Sohn abzuklären. Die Schulärztin verschrieb irgendwann eine Runde Psychomotorik. Aus Spargründen wurde die Psychomotorik wieder abgesetzt. Kurz nach dem 9. Lebensjahr machte eine Kinderneurologin die erste Abklärung und stellte Anteile von POS fest. Sie verschrieb Ergotherapie. Nach einiger Zeit wollte die Krankenkasse die Ergotherapie nicht mehr bezahlen, weil unser Sohn zu wenig behindert sei. Ca. 1 Jahr später waren wir wieder bei der Erziehungsberatung. Der Psychologe wollte zuerst eine Abklärung machen. Nach ca. 6 Monaten Wartezeit wurde die Abklärung auf der EB von einem angehenden Kinderpsychiater gemacht. Es war ungefähr die selbe Abklärung, welche schon die Neurologin gemacht hatte. Die Quintessenz dieser Abklärung auf der EB war, dass ich, die Mutter eigentlich schuld am Verhalten unseres Sohnes sei, weil sich mein Bruder das Leben genommen habe. Das Ganze dauerte vom ersten Besuch beim Psychologen bis zur Besprechung der Abklärung genau ein Jahr. Der Psychologe und der angehende Kinderpsychiater machten sich sehr grosse Sorgen um unseren Sohn und wollten ihn in die Kinderpsychiatrie einweisen, damit der angehende Kinderpsychiater noch mehr Abklärungen machen könnte. Den Psychologen hatten wir in diesem Jahr genau 2 Mal gesehen. Wir haben auf die Kinderpsychiatrie verzichtet.
Im Jahr 2005 ist unser Sohn in der Schule ausgerastet und bekam einen Schulausschluss von 3 Monaten. Was er in diesen 3 Monaten machen sollte, war allein das Problem von uns Eltern. Weder von der Schule noch von der Schulkommission hat je jemand nachgefragt, was aus ihm geworden ist. Weil er völlig traumatisiert und verstört war, haben wir ihn dann doch schweren Herzens in die Kinderpsychiatrie, d.h. ins Neuhaus, Bern, gegeben. Von Ende April 2005 bis Anfang Juli 2006 war er dort. Die Zeit, die unser Sohn dort im Neuhaus verbracht hat, war für unsere Familie der absolute Horror. Bis heute wissen wir nicht, was die Psychologin, die für ihn zuständig war, eigentlich mit ihm gemacht. Während Monaten haben wir mit dem Oberarzt gekämpft. Als man uns loswerden wollte, weil wir darauf bestanden, dass mit uns endlich nach einer angepassten Schule gesucht würde, hiess es von Seiten Neuhaus, dass man unseren Sohn aus seinem Umfeld nehmen müsse, weil es ihm schade. Es komme nur ein Heim in Frage. Dann schickte man uns aufs Jugendamt, wo man beim ersten Gespräch zum Schein auf uns einging. Beim zweiten Gespräch war der Oberarzt dabei. Er hat von unserem Sohn wie von einem Monster gesprochen und von uns, als wären wir schwerstabhängige Drögeler oder Alkoholiker. Die Sozialarbeiterin war voll auf der Linie des Oberarztes. Wir sind heute noch überzeugt davon, dass alles schon vorher abgesprochen worden war. Komischerweise waren wir dann aber doch gut genug, um mit unserem Sohn die ganzen 5 Wochen Sommerferien zu verbringen, ohne dass irgend jemand auch nur einmal nachfragte, wie es ihm gehe. 4 Tage bevor das neue Schuljahr anfing, bekamen wir vom Heim Bescheid, dass sie die Kostengutsprache des Jugendamtes erhalten hätten...
Nach dem "Gespräch" auf dem Jugendamt mit dem Oberarzt und der Sozialarbeiterin gingen wir direkt zum Direktor vom Neuhaus. Beim letzten Gespräch sagte er mir, dass unser Sohn nur so sei wie er sei, weil ich mich nicht ändern wolle. Was ich denn ändern sollte, konnte er mir aber nicht sagen. Dem Oberarzt war inzwischen gekündigt worden. Der Direktor sagte uns, man habe unsere Klagen ernst genommen. Immerhin.
Nachdem unser Sohn im August 2006 ins Heim gekommen war, hatten wir ein Riesenproblem mit der Sozialarbeiterin vom Jugendamt und dazu mit dem Sozialamt. Das Heim kostete im Monat Fr. 10 000.-- plus Fr. 347.-- Nebenkosten. Obwohl unser Sohn seit einem Jahr wieder zu Hause lebt, zahlen wir immer noch ans Sozialamt für das Heim. Man hat uns buchstäblich gestraft dafür, dass wir einen Sohn haben, der anders ist als andere. Wir kamen unter die Armutsgrenze. Aber weil wir keine Sozialhilfeempfänger waren, hat das niemanden interessiert. Irgendwann haben wir einen Stadtrat eingeschaltet. Von da an ist man uns ein bisschen entgegen gekommen. Wir haben daraus gelernt, dass es ohne Beziehungen nicht geht.
Im Dezember 2007 haben wir auf dem Jugendamt eine andere Sozialarbeiterin verlangt. Wir haben tatsächlich jemand anderes bekommen, obwohl das sonst nicht üblich sei. Die neue Sozialarbeiterin hat uns beim ersten Gespräch gesagt, dass sie denke, man müsste unseren Sohn auf der Autismussprechstunde abklären lassen. Es war das erste Mal, dass wir von der Autismussprechstunde hörten. Interessanterweise ist der Direktor vom Neuhaus auch der Chef der Autismussprechstunde. Ende 2008 bekam unser Sohn dann seine Diagnose. Von einer Sekunde auf die andere waren wir nicht mehr unfähige Eltern, die ihrem Kind schaden, sondern Eltern eines Kindes mit einer Behinderung. Wir hatten buchstäblich das Gefühl im falschen Film zu sein. Seit wir wissen, welches Problem unser Sohn eigentlich hat, ist es für uns doch einfacher geworden, damit umzugehen.
christa]