Beiträge von Dietmar Zöller

    Ein Gedicht
    zum Weltautismustag



    Meine Stadt


    Meine Stadt liegt auf dem Berge.


    Klarheit, Reinheit und Ruhe


    In jedem Winkel.


    Kinder aus aller Herren Länder


    vertragen sich.


    Den kleinen Autisten


    nehmen sie in ihre Mitte,


    und ein hübsches Mädchen


    schließt das fremde Kind in seine
    Arme.


    Meine Stadt kennt weder Missgunst,
    noch Eitelkeit.


    Man vertraut einander und kämpft
    gemeinsam


    für eine bessere Zukunft.


    Dietmar Zöller

    Von Dietmar Zöller



    Nach international anerkannten Diagnosekriterien (z.B. DSM IV) handelt es sich beim Autismus um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit Auswirkungen in der Interaktion und Kommunikation. Leo Kanner, Kinderpsychiater und einer der ersten Forscher, die sich mit Autismus beschäftigten, berichtete 1943 über 11 Kinder, denen man heute selbstverständlich den Stempel Autismus-Spektrum-Störung aufdrücken würde. Die Kinder fielen dadurch auf, dass sie sich auf Spielangebote nicht einließen. Sie schauten ihr Gegenüber nicht an und behandelten die Menschen um sie herum wie Luft. Kanner beobachtete, dass diese Kinder viel wussten und gut auswendig lernten. Er hielt sie darum nicht für intellektuell beeinträchtigt. Dennoch war nicht zu übersehen, dass es zu einem gemeinsamen Spiel nicht kommen konnte. Von den elf Fällen, über die Kanner mit Hilfe von Aufzeichnungen der Eltern berichtete, blieben drei ohne Sprache, bei allen anderen entwickelte sich die Sprache, allerdings mit Besonderheiten: Sie vertauschten die Personalpronomen (ich – du). Manche wiederholten, was das Gegenüber sagte. (Echolalie), Der Wortschatz beschränkte sich im Wesentlichen auf Substantive. Alle setzten die Sprache wenig für die Kommunikation ein. Kanner stellte fest, dass diese Kinder bereits im frühen Säuglingsalter nicht wie normale Säuglinge reagiert hatten. Wenn sie hochgenommen wurden, streckten sie der Mutter nicht die Arme entgegen. Mütter autistischer Kinder erinnerten sich, dass das soziale Lächeln ausblieb. Komisch, dass immer noch autistische Kinder zu spät diagnostiziert werden. Erfahrene Kinderärzte müssten in Zusammenarbeit mit den Müttern früh feststellen können, ob es Hinweise gibt, dass das Kind nicht über normale angeborene Reaktionsmöglichkeiten verfügt.


    Die Frage, was man tun kann, wenn man feststellt, dass ein Kind unfähig ist auf Kontaktangebote angemessen zu reagieren, drängt sich auf. Eine Förderung muss sehr früh beginnen, weil die Entwicklung ohne Interaktionen gar nicht fortschreiten kann. Viel Einzelzuwendung ist erforderlich. Ein wichtiger Entwicklungsschritt wäre, dass das Kind auf etwas zeigt und sein Gegenüber teilhaben lässt an seiner Aufmerksamkeit (geteilte Aufmerksamkeit). Eine zu frühe Aufnahme in eine Kita oder ähnliche Einrichtung kann einer Überforderung darstellen, wenn die Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen stark ausgeprägt sind. Dann kommt es schnell zu einer Reizüberflutung. Bei Kindern im Kindergartenalter hat sich die Musiktherapie bewährt. Das gegenseitige Horchen auf Töne, die z.B. auf einem Metallophon oder auf Trommeln produziert werden, kann Kontaktbrücken möglich machen. Eine „Interaktionstherapie“ verfolgt nicht ein bestimmtes Ziel, d.h. ist nicht am Ergebnis orientiert, sondern der gemeinsame Weg mit wechselseitigen Aktionen ist das Ziel. Auch die Ergotherapie kennt viele Ansätze, um ein Kind dazu zu bringen, sich auf Interaktionen einzulassen.


    Viele Autisten verfügen nicht über eine stimmige Körpersprache (Mimik und Gestik). Was sie mit dem Körper ausdrücken, entspricht nicht immer dem, was sie empfinden. Eine erwachsene Autistin mit sog. Asperger-Syndrom berichtete, dass sie die Körpersprache vor dem Spiegel übe. Autistische Buchautoren beschreiben anschaulich, wie ungeschickt sie sich im Kreis von Freunden und Kollegen verhalten. Sie schauen niemanden an: Auch wenn sie im fachlichen Diskurs mithalten können, reagieren sie hilflos, wenn ein Gespräch in small talk übergeht. Andeutungen, Anspielungen und witzige Bemerkungen verstehen sie oft nicht. Diese Menschen meiden den Kontakt, ziehen sich zurück, erleben aber ihre Isolation schmerzlich. So geraten hochintelligente Menschen ins Abseits, gelten als Sonderlinge. Persönliche Beziehungen gelingen selten. Körperliche Nähe auszuhalten wird für manche zum Horrorerlebnis. Ein weit verbreitetes Missverständnis ist aber die Annahme, dass autistische Menschen keine tiefen Gefühle haben. Die Gefühle nicht mit Gestik und Mimik ausdrücken zu können, heißt nicht zwangsläufig, dass die Gefühle nicht erlebt werden.