Beiträge von Taryn Kiser

    Liebe Esther Schmid


    Herzlich Willkommen im Forum.


    Ich weiss dass eine nachträgliche Anerkennung bei der IV möglich ist, auch wenn die Diagnose erst nach dem 5. Lebensjahr gestellt wurde. Bedingung ist allerdings, dass man einen Nachweis erbringen kann, dass die Auffälligkeiten schon vorher bestanden haben. Dazu braucht es z.B einen Bericht eines Arztes, der ihr Kind vor dem 5. Lebensjahr untersucht hat und solche Auffälligkeiten, die zur Diagnose Autismus gehören, festgehalten hat (auch wenn er Autismus nicht erkannt hat)


    Sie haben Recht, Sie können absolut nichts dafür, dass die Diagnose nicht früher gestellt wurde. Ich wünsche Ihnen, dass es klappt.


    Infos zum Thema:


    http://www.procap.ch Rechtsdienst für Kinder mit einer Behinderung mit vielen Infos zu den Sozialversicherungen und deren Leistungen


    Buch: Was steht meinem Kind zu? Ein sozialversicherungsrechtlicher Ratgeber für Eltern von behinderten Kindern (Hrsg. Procap)


    Dort findet man wertvolle Tipps, damit man nichts verpasst.


    Herzliche Grüsse


    Taryn Kiser

    Ich wünsche mir, dass wir lernen, die Fertigkeiten und Fähigkeiten von Menschen mit Autismus zu erkennen und ihnen die Möglichkeit geben sich in der Gesellschaft einzubringen.

    Die Platzierung des Kindes mit Autismus in einen Hort, einen Kindergarten oder in eine Schule stellt für die Eltern eine grosse Herausforderung dar.Viele Beratungsstellen für Autismus raten den Eltern ihr Kind, wenn möglich, zu integrieren und zusammen mit „normalen“ Kindern unterrichten zu lassen.Allgemein ist es schwierig für ein Kind mit Autismus, einen geeigneten Platz zu finden. So beschrieb eine Mutter:


    „Aber eben für autistische Kinder, die intelligent und fähig zum Lernen sind, ist es schwierig eine Institution zu finden. Es gibt Heilpädagogische Schulen wo sie unterfordert werden, dann Sonderschulen, die diese Kinder oft nicht wollen, weil sie nicht darauf vorbereitet sind und andere Probleme haben zum Beispiel mit ADHS Kindern, die sind oft aggressiv, reagieren anders und reagieren besonders auf Kinder wie mein Sohn aggressiv, weil es viel Geduld braucht. Und man möchte sein Kind auch nicht zwischen solche Kinder stecken die dann...ja... Und dann gibt es Regelschulen, wo das Kind dann überfordert ist. Also für diese Kinder gibt es in der Schweiz nichts. Aber ich denke eben, die beste Lösung ist im Moment die Integration in die Regelklasse.“


    Auch andere Eltern sehen, die beste Möglichkeiten für das Kind in der Integration. Ein Vater ist überzeugt, dass seine Tochter am meisten von „normalen“ Kindern lernen kann:


    „Für uns ist das eigentlich die Herausforderung, also dass wir sie integrieren können oder mehr mit „normalen“ Kinder zusammenbringen. Weil in der Heilpädagogischen Schule hat halt jeder auf seine Art eine Bürde. Und sie hat die Kinder, die mit ihr in der Klasse sind, meinte ich, fast alle, sie kann es gut mit denen. Aber es ist für sie kein Massstab. Wir sind der Auffassung, dass man unsere Tochter eigentlich unterfordert… Unsere Tochter macht immer die meisten Fortschritte, wenn sie mit Gleichaltrigen, in Anführungs- und Schlusszeichen „normalen“, Kindern etwas machen kann.“


    Und auch zwei andere Mütter sehen die Vorteile der Integration klar darin, dass der Sohn bzw. die Tochter mehr lernen kann als in einer Heilpädagogischen Schule, wo sie mit anderen Kindern unterrichtet werden, welche die gleichen Schwierigkeiten haben.


    Die eine Mutter meinte:


    „Er ist zuerst drei Jahre in eine Heilpädagogische Schule gegangen. Und wir hatten dann einfach irgendwann das Gefühl, das sei nicht das Richtige für ihn, weil man hat auch gemerkt, dass er Lesen und Schreiben kann und eigentlich eine gute Merkfähigkeit hat, dass er mit seinen Problemen eben so gewisse Verhaltensweisen zu erkennen, dort wirklich falsch ist, weil alle Kinder mit dem auch Probleme haben.“


    Die andere Mutter sagte:


    „Also es ist ja eigentlich logisch, Autisten haben Schwierigkeiten im Beziehungsnetz. Und man steckt sie in einen Haufen, ich sag jetzt mal böse gesagt, Anormalen. Man spricht ja von typischen also neurotypischen Kindern und nicht neurotypischen Kindern, also autistische Kinder. Jetzt lernen aber Autisten, sie können das genau nicht, was sie eigentlich lernen sollten, also Imitieren, Nachmachen, Sprachentwicklung, wie sollen sie das machen, wenn sie mit anderweitig Behinderten zusammen sind? Wie soll das gehen, die können...den Input den sie kriegen ist…, ist an sich schon wieder pathologisch. Das heisst die Kinder sind verloren. Und der Anspruch irgendwann mal selber die Selbstständigkeit zu erreichen, das ist ohnehin schwierig bei Autisten, der geht noch mehr verloren.“


    Aus der Überzeugung, dass an einer Sonder- oder Heilpädagogische Schule ihr Kind nicht optimal gefördert wird, kämpfen viele Eltern für eine Integration. Sie sehen, dass ihr Kind mit einer normalen bis überdurchschnittlichen Intelligenz an einer Heilpädagogischen Schule falsch ist. Weil die anderen Kinder ähnliche Probleme im Bereich der Wahrnehmung und der Kommunikation haben, sind diese für die Autisten auch keine Modelle, die zeigen, wie man etwas angeht oder richtig macht. Eine Integration zu ermöglichen ist nicht einfach und mit viel Einsatz und Kampf seitens der Eltern verbunden. Dieser Kampf kann sich, wie eine Mutter berichtete auch über Jahre hinziehen:


    „Für die Integration war es nachher einfach ein jahrelanges Gekämpfe und Gezerre, bis... wir hätten es eingeklagt. Der geht jetzt hier in die Schule, warum eigentlich nicht…Und wir haben also Jahre gekämpft, um ihn hierher zu bringen und wir haben das jetzt geschafft.“


    Das Ziel der Integration ist mit vielen Hürden versehen. Nicht selten werden die Kinder zwar zugelassen, unter der Bedingung eine Begleitperson dabeizuhaben, die das Kind eins zu eins begleitet. Diese muss hingegen meist von den Eltern organisiert werden. In einigen Fällen, je nach Gemeinde, Schule oder Schulpsychologischen Diensten, ist es grundsätzlich nicht möglich ein Kind mit Autismus zu integrieren. Auch der grosse Einsatz und Kampf der Eltern führt hier ins Leere.Ein Vater erzählte über den erfolgslosen Kampf und die Überlegung eines Umzuges:


    „Die Beratungsstelle für Autismus hat uns geraten zur vollen Integration in der Regelschule, aber die Schulpflege und auch die Schulleitung sowie auch der Schulpsychologische Dienst, die wollen das nicht. Das haben wir schon relativ früh gespürt und irgendwann versuchten wir es durchzudrücken, aber es ging nicht. Es ist, man kann fünf Mal gegen die Wand rennen, irgendwann muss man glaube ich aufhören. Also das ist die Herausforderung. Für uns ist jetzt der Entscheid, entweder ziehen wir um in eine Gemeinde, wo das geht oder einen anderen Kanton. Ist aber nicht so einfach, man hat sich irgendwann mal eingerichtet.“


    Auch für ein anderes Kind gab es ausser einem Heim oder einer Heilpädagogischen Schule keine weiteren Möglichkeit, wie eine Mutter berichtete, weil den Behörden nicht klar sei, was Autismus ist und welches Potenzial hinter einem Kind mit Autismus stecken könne:


    „Abstellen in ein Heim oder Sonderpädagogische Sonderschule, etwas anderes gibt es nicht. Das hat man uns so gesagt. Das interessiert die nicht...die sind so selbstüberzogen, die Leute mit denen man umgeht. Die haben null Reflexion ihrer eigenen Missstände und merken nicht was sie anrichten weil sie gar nicht wissen dass es Autismus gibt, oder nicht wissen wie das aussieht."


    In einem Fall haben die Eltern sich sogar entschieden ihr Kind zu Hause zu fördern, weil es für ihr Mädchen keine andere Möglichkeit als Heim oder Heilpädagogische Schule gab. Sie haben mit Hilfe einer Autismusberaterin einen Stundenplan und ein Konzept entworfen und eine Sonderpädagogin sowie drei Studenten angestellt, welche über die Woche hinweg das Mädchen fördern und unterrichten.

    Die Eltern, welche an unseren Interviews teilgenommen haben sind mit der Unterstützung und den Fördermassnahmen, die sie für ihre Kinder erhalten oder erhalten haben, höchst unzufrieden. Die Fördermassnahmen empfinden sie als zu wenig spezifisch und nicht auf die Bedürfnisse des Kindes angepasst.


    Eine Mutter zur Förderung ihrer Tochter:


    „Und zu diesem Zeitpunkt haben wir auch Physiotherapie bekommen und eine Heilpädagogin kam zu uns, einmal in der Woche, aber es war…ich habe das Gefühl, es war nicht die richtige Therapie für meine Tochter, aber es war das einzige Angebot, welches wir gefunden haben zu dieser Zeit. Und wir haben dann weiter anfangen zu suchen.“


    Und ein Vater über die Förderung in der Heilpädagogischen Schule seiner Tochter:


    „Die Schule erachte ich prinzipiell als eine Unterstützung. Ich bin überzeugt, dass die Schulen eine gute Arbeit machen, aber im spezifischen Fall von Autismus ist es halt schwach.“


    Auch berichteten die Eltern von fehlenden Entlastungsmöglichkeiten. Es gibt ihrer Meinung nach zu wenige Personen, die Kinder mit Autismus betreuen können. Zum einen trauen sich viele Personen diese Herausforderung nicht zu und zum anderen fehlt es an Wissen über den Umgang mit Kindern mit Autismus.


    Eine Mutter dazu:


    „Und man kann eben nicht XY fragen, hey, kannst du schauen, das geht eben nicht. Es geht schon, aber es ist für die eine Zumutung und für meine Tochter eine Zumutung und am Schluss dann wieder für uns.“


    Auch eine Unterstützung durch den Entlastungsdienst ist nicht immer möglich, weil die Möglichkeiten, welche vorhanden sind nicht den Anforderungen für ein Kind mit Autismus genügen. So erzählt eine Mutter:


    „Ich habe den Entlastungsdienst angerufen und dann haben sie mir einen Vorschlag gemacht. Eine Frau ist gekommen mit wirklich zwei süssen herzigen Mädchen, aber mein Sohn hätte Hackfleisch gemacht aus diesen zwei, und ich habe schon gesehen, das geht nicht, oder.“


    Von Beginn weg müssen Eltern von Kindern mit Autismus für die bestmögliche Förderung ihres Kindes kämpfen. Die Eltern sehen dies als grosse Herausforderung. Kämpfen müssen sie für alles, sei es für die Unterstützung durch eine Beratungsstelle, das Finden von Therapieplätzen, finanzielle Unterstützung oder die Platzierung des Kindes. Ohne die Initiative zu ergreifen, Anliegen anzubringen und Forderungen zu stellen, kommt dem Kind keine angemessene Förderung zu. Die Eltern beschreiben diesen Kampf als sehr belastend und Energie raubend.


    Eine Mutter über den Willen das Bestmögliche für das Kind zu erreichen und den Kampf für die Förderung:


    „Und wir haben uns einfach gesagt, unsere Tochter kann nichts dafür, dass sie autistisch ist, wir können nichts dafür, dass sie autistisch ist, aber wir können sie immerhin als Mensch annehmen, und versuchen das Bestmögliche für sie auf die Beine zu stellen, was ihr die bestmögliche Entwicklungschance gibt, eine andere Möglichkeit als Eltern haben wir ja nicht. Wenn wir nicht mehr können oder nicht mehr dazu in der Lage sind...aber so lange wir Energie haben, werden wir das sicher probieren. […] Sie kriegen nichts. Sie kriegen nur Steine in den Weg geworfen. Aber wir streiten und streiten und streiten dafür.“


    Und eine andere Mutter:


    „Immer kommen wieder solche Sachen…wo man drum kämpfen muss. Und man weiss nicht, ob man irgendwann schlapp macht, das habe ich auch ein paar Mal gedacht. […] Das braucht auch viel Energie von unserer Seite aus, alles, nur.“

    Die Eltern beklagten sich in unseren Interviews oft über das, ihrer Meinung nach, sehr kleine Angebot an spezifischer Förderung für Kinder mit Autismus. Es gibt nur wenige Therapieplätze und Fachpersonen im Bereich Autismus, die vermittelt werden können. Oftmals sind überhaupt keine Plätze frei und den Eltern bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die Warteliste setzen zu lassen und zu warten, bis ein Platz frei wird. Für die Eltern ist es eine grosse Belastung, diese Zeit ohne Hilfe und Therapie für ihr Kind zu überbrücken, weil sie schnellst möglich ihrem Kind helfen möchten, durch die Wartefristen aber viel Zeit für die Förderung des Kindes verloren geht.Aus diesem Grund machten sich Eltern oftmals selbst daran, sich über Fördermassnahmen und Therapien zu informieren und versuchten die Massnahmen alleine oder teilweise auch mit Hilfe von Fachpersonen, die sich im Bereich Autismus auskennen, durchzuführen. Personen, die dann mit dem Kind arbeiten, mussten oftmals selber ausgebildet werden.


    Ein Vater berichtete:


    „Also die grösste Herausforderung ist eigentlich, man müsste mit dem Kind viel mehr machen, aber… es ist eine Frage der Mittel und eine Frage der Zeit, oder. Also wir haben zu wenig Menschen, die mit ihr ABA machen wollen. Auf Grund der mangelnden Therapie- und Unterstützungs- und Beratungsangebote, sind die Eltern oft gezwungen, die Förderung ihres Kindes in die eigene Hand zu nehmen oder Leute auszubilden, die mit ihren Kindern arbeiten können.“


    Und eine Mutter meinte zum Angebot an Therapieplätzen und Fachkräften:


    „Aber es gibt einfach nichts, viel zu wenige Stellen, viel zu wenige Leute, die diese Therapie machen könnten. Es gibt ja nichts. Warum müssen wir drei Studenten noch selber schulen.“


    Die Förderung des eigenen Kindes in die Hand zu nehmen, kann für Eltern sehr belastend und auch schwierig sein. Die Verantwortung für die Entwicklung des Kindes wird vollständig den Eltern zugeschoben. Wenn sich ein Kind nicht so entwickelt, wie man sich das wünschen würde, wird die Schuld oft auf die Eltern zugeschoben, sie hätten die Förderung ihres Kindes vernachlässigt. Gegen diesen Vorwurf wehrte sich eine Mutter und betonte den Mangel an Therapeuten/innen, die für das Kind da sind. Für sie ist es nicht akzeptabel, dass diese Verantwortung der Förderung vollständig auf den Eltern lastet:


    „Du bist wie der Therapeut von deinem Kind, oder, das ist auch… Ja es ist eben schon auch eine Last, wenn es heisst, du bist selber verantwortlich und das kann ich nicht akzeptieren, oder. […] Man gibt ja alles was man kann… Und manchmal auch noch mehr, zeitweise, aber... da kann man nicht sagen, wenn es nicht klappt, du warst zuwenig Therapeut für dein Kind, also, ja, da muss ich mich also wehren. oder…“


    Eine weitere Herausforderung stellte sich für die Eltern, wenn es um die Finanzierung der Förderung ihres Kindes geht. Möchte man sein Kind intensiv fördern, müssen Eltern einen grossen finanziellen Aufwand leisten. Therapien und Fördermassnahmen für Kinder mit Autismus sind von der Invalidenversicherung (IV) nicht anerkannt. Kinder, deren Eltern die nötigen finanziellen Mittel nicht aufbringen können, werden so von der intensiven Förderung ausgeschlossen.


    Eine Mutter zur Problematik mit der IV:


    „IV, oh mein Gott, die wollten das ABA nicht anerkennen. Und ja eine solche Therapie können sich sonst nicht alle leisten, denke ich. So eine intensive Therapie kostet sehr viel. Mit der IV bin ich nicht zufrieden.“


    Eine andere Mutter meinte, dass sie nicht versteht, warum in anderen Bereichen grosse Beträge ausgegeben werden, für Kinder mit Autismus aber nichts bereitgestellt wird:


    „Und dann wird es halt schon pervers. Also wenn man sich das dann überlegt, wenn man sich dann überlegt wie viele Millionen gehen in die Entwicklung von einem Medikament und die IV bezahlt Verbal Behavior nicht. Bezahlt RDI nicht. Bezahlt TEACCH nicht. Nichts.“


    Auch ein Vater beklagte, dass er alles selber organisieren und finanzieren muss und dass die finanziellen Mittel eben auch beschränkt sind, obwohl man mehr für die Förderung des Kindes ausgeben möchte:


    „Autismus ist in der Schweiz auf ganz schwachen Füssen, also dort ist alles Selbsthilfe. Entweder man hat nichts oder man holt sich eine Organisation oder eine Diagnose- und Beratungsstelle. […] Aber die machen nur etwas gegen Einwurf von Münzen, oder. Also das heisst, irgendwo sind die Mittel dann fertig. Man müsste eigentlich viel mehr machen, aber man kann nicht, ja. Heute muss ich sagen, das ganze Beratungsangebot… eben nur gegen Einwurf von Münzen. […] Also es geht alles über das Geld oder. Knall hart muss ich das feststellen. Frustriert bin ich eigentlich wegen dem, denn es wird alles über das Geld regiert, oder.“


    Eine Mutter fügte zudem an, dass es besonders schwierig ist für Eltern, wenn sie sehen, dass es Therapien und Förderungsmöglichkeiten für ihr Kind geben würde, diese aber auf Grund finanzieller Engpässe oder auch fehlender Plätze, nicht realisierbar ist.


    Diese Handlungsunfähigkeit und Machtlosigkeit ist für Eltern eine grosse Belastung. Finanzielle Unterstützung müssen sich die Eltern selber beschaffen. Eine Mutter berichtet davon, dass sie diverse Stiftungen angefragt und auch von einigen Stiftungen einen einmaligen Beitrag erhalten haben. Viele Stiftungen unterstützen die Eltern aber nicht und ausreichend sind die erhaltenen Beiträge keinesfalls. Die Finanzielle Belastung für Therapien und Fördermethoden beschreiben alle Eltern als sehr gross. Je mehr Förderung die Eltern dem Kind ermöglichen wollen, umso grösser wird der finanzielle Aufwand.


    Eine Mutter, deren Ehemann wie auch sie selber 100 Prozent arbeiten, berichtete sogar:


    „Also wir haben finanziell einen grossen Aufwand, den wir leisten müssen. Einer von uns beiden, arbeitet für unsere Tochter.“


    Wegen des Mangels an Therapieplätzen und Angeboten bleibt den Eltern oftmals nichts anderes übrig, als die von den Behörden angebotene, minimale Unterstützung anzunehmen. Diese beinhaltet allerdings nur ein bis zwei Stunden zusätzliche Förderung pro Woche. Eine Mutter meinte dazu:


    „Ich bin sehr wütend, dass wir keine andere Unterstützung erhalten und die eine Beratungsstelle, eine Stunde pro Woche, das ist lächerlich. Und die denken das ist eine Hilfe. Und deswegen empfindet man auch Wut. Und dann schicken sie einen nach Hause und sagen, mach etwas mit ihm, du kannst machen was du willst und es interessiert mich eigentlich nicht. Sie sagen nicht, dass sie nicht interessiert sind, aber sie machen nichts dagegen. Also es scheint so als würde es sie nicht interessieren.“


    Auch eine andere Mutter klagte über die fehlende Unterstützung seitens der Behörden:„Wir haben uns das ganze restliche Umfeld selber geschaffen. Wir haben nirgendwo, in keiner Behörde Unterstützung bekommen.“

    Die Zeit nach der Diagnose beschrieben die Eltern als sehr belastend. Viele der Eltern wurden mit der Diagnose konfrontiert und anschliessend sich alleine überlassen. Beratungen und Weitervermittlungen fanden kaum statt. So schilderte eine Mutter:


    „Wir haben die Diagnose bekommen und wir haben gesagt und jetzt? Und dann hat es geheissen, unser Sohn ist zu wenig vom Autismus betroffen, dass er bei uns jetzt ein ABA-Programm machen könnte. Da haben wir so wenige Plätze und da kommt er nicht dazu. Und eine andere Beratungsstelle, die ist auch völlig überlastet. So sind wir nach Hause und haben nichts gehabt. Und was machen wir jetzt? […] Aber es gibt überhaupt keinen offiziellen Weg, keine Stelle, die man anrufen kann und sagen kann, Hallo, wir brauche Hilfe.“


    Für Eltern von Kindern mit Autismus ist es sehr belastend, alleine mit der Diagnose umgehen zu müssen und keine Beratung und Unterstützung durch eine Fachperson zu erhalten. Sie haben keine Ahnung, welche Möglichkeiten es für die weitere Förderung und Unterstützung ihres Kindes gibt. Sie möchten ihr Kind so gut wie möglich fördern, und es in seiner Selbstständigkeit weiterbringen. Eine Mutter betonte, dass es für sie die schlimmste Vorstellung wäre, dass ihr Kind später einmal sediert und in einer Psychiatrie aufbewahrt werden könnte:


    „Es ist klar, dass ich keine wesensverändernde Medikamente geben wollte. Das ist für mich die grösste Problematik bei erwachsenen Autisten, das Versorgen in der Psychiatrie. Voll sediert und für die Allgemeinheit nicht mehr störend. Das ist eine Katastrophe. Weil sie anstrengend sind. Aber es ist... Stellen sie sich mal das Leben von so Menschen vor, die dann womöglich noch mehr aufnehmen, als jeder andere, ja. Das ist ein Verbrechen an solchen Menschen.“


    Ein Vater erzählte, dass sie nach der Diagnose nicht nur keine Beratung erhielten, sondern dass man ihnen gesagt hat, für ein Kind mit Autismus könne man nichts machen:


    „Die Diagnose ist eigentlich im Unispital gestellt worden und die haben uns nicht weitergeleitet, also der Uniprofessor, der Herr Doktor Uniprofessor hat dann uns gesagt, Autismus da könnt ihr nichts machen, da könnt ihr null und nichts machen. Und wenn der Professor das sagt, dann glaubt man das im ersten Moment. […] Die Schwierigkeit ist ganz klar die Schulmedizin, also die Diagnostik. Man muss früh das diagnostizieren und dann die Eltern dementsprechend beraten, weil man ist dann im Moment wie erschossen. Und da erwarte ich eigentlich von der Schulmedizin, dass man wenigstens die Möglichkeiten aufzeigt. […] Das ist, das ist einfach, also ich habe eine riesige Wut im Bauch gegen dieses Unispital oder. Einfach nichts machen, ist das Dümmste.“


    Auch andere Fachpersonen, Ärzte etc. können den Eltern keinen Rat geben, weil sie zu wenig über Autismus wissen und daher Weitervermittlungen nicht immer vollziehen können:


    „Die Ärztin hat gesagt, ich weiss davon nichts. Die Chefärztin vom Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst vom Kanton Schwyz sagt „Ich habe keine Ahnung über Autismus“. Aber zumindest war sie ehrlich.“


    Die Eltern müssen sich vielfach selber um die Förderung ihres Kindes kümmern. Es gibt keine offiziellen Stellen bei denen man sich melden kann, wenn man Hilfe braucht.Eine Mutter erzählte:


    „Wo wir suchen müssen, finanzielle Hilfe bekommen, was wir möchten, ist es das Beste, ist es das nicht. Das mussten wir alles alleine herausfinden und niemand hat es uns gesagt.“


    Und ein Vater:


    „Also ich muss sagen, im Nachhinein muss ich sagen, haben wir eigentlich keine Hilfe gehabt. Man bekommt eigentlich keine Hilfe. Selbst die kantonale Beratungsstelle war uns nicht wirklich eine Hilfe. Ich habe nicht empfunden, dass die aufgezeigt hat, was wir machen können, wo wir vorbei gehen können. Das mussten wir alles selber erarbeiten. Da haben wir uns dann selber schlau gemacht und sind auf das Biomedizinzeugs gekommen. Auf die verschiedenen Therapiemöglichkeiten, die es gibt, auf die verschiedenen Organisationen.“


    Die Eltern berichteten, dass niemand ihnen neutral alle Möglichkeiten aufzeigte, die sie in ihrer Situation haben. Wenn, dann muss man sich schon vorher für eine Therapie oder Fördermöglichkeit entscheiden. Einen Überblick über alle Möglichkeiten und deren Vor- und Nachteile haben die Eltern nirgends erhalten. Dazu ein Vater:


    „Man muss sich auch im Internet selber schlau machen. Also es kommt niemand der sagt, es gibt diese Möglichkeit und diese Möglichkeit und diese Möglichkeit und diese Möglichkeit. Es kommt immer einer, der es besser weiss und der sagt, es muss grün sein. Der sagt nicht, es gebe auch noch rot und blau.“

    Wie sich in den Interviews mit den Eltern gezeigt hat ist die Phase der Abklärung und Untersuchung des Kindes mit vielen Herausforderungen und Schwierigkeiten verbunden.Der Weg zur ersten Abklärung hat bei allen befragten Eltern über den Kinderarzt beziehungsweise die Kinderärztin oder durch ein Kinder- oder Universitätsspital stattgefunden.


    Der Weg danach sieht bei allen Familien sehr unterschiedlich aus. Nur bei einer Familie stand nach einer einzigen Abklärung die Diagnose Autismus fest. Die anderen Familien mussten alle drei bis sechs verschiedene Stellen aufsuchen, bis die Diagnose Autismus gestellt werden konnte. Dies ist für viele Eltern sehr schwierig, weil sie von Ort zu Ort gehen, aber niemand weder helfen noch sagen kann, was dem Kind fehlt. Dieser Marathon und die Ungewissheit bedeuten für die Eltern einen grossen Stress und eine riesige Belastung.


    Schwierigkeiten, denen die Eltern in der Abklärungsphase begegneten:


    1. Kinderärzte, Universitätsspitäler und Abklärungsstellen (Epilepsie-Zentrum, Entwicklungsabteilungen) können die Diagnose Autismus nicht stellen oder stellen andere Diagnosen.




    • Eine Kinderärztin diagnostiziert kein Autismus, sondern nur das sogenannte POS (heute ADHS).
    • Eine Kinderärztin bzw. ein Kinderarzt kann keine Diagnose stellen und nur zu einem Neurologen bzw. an eine weitere Abklärungsstelle des Kinderspitals weitervermitteln.
    • Im Kinder- oder Universitätsspital kann keine Diagnose gestellt werden. Autismus wird nicht erkannt. Anstelle dessen wird eine Entwicklungsverzögerung bzw. eine schwere geistige Behinderung diagnostiziert.
    • Auch Abklärungsstellen für Entwicklung und andere Abklärungsstellen, welche die Eltern aufgesucht haben diagnostizieren nur Entwicklungsverzögerungen.


    Erhaltene Erklärungen wie POS, blosse Entwicklungsverzögerung oder die Diagnose geistiger Behinderung wurden von den Eltern als unbefriedigend empfunden, weil sie das Gefühl hatten, dass mehr oder etwas anderes dahinter steckt. Bereits die Art der Abklärung und der Tests wurden von den Eltern stark bemängelt. Mehrere Mütter hatten das Gefühl, dass die Tests für die Kinder nicht geeignet waren und nicht das Richtige untersucht wurde:


    Eine Mutter über die Untersuchung ihres Sohnes:


    „Dann kam die Untersuchung….dort ging es darum zu zeigen was kann er. Zum Beispiel eben die Farben benennen und so weiter und zeichnen. Und wir sassen so dort und der Doktor fragte ihn, gib mir doch bitte einen roten, einen grünen, und einen blauen Farbstift, und irgendwie so etwas. Und er hat einfach irgendwie ein Gesicht gemacht, hat einfach mal genommen und ihm diese so in die Finger gedrückt. Und ich wusste genau, er weiss ganz genau, er kann hellblau von dunkel blau unterscheiden. Also, er weiss ganz genau, wie viele Stifte es sind und wie viele Farben es sind. Irgendetwas läuft hier schräg. Irgendwie. Er hat gar nicht geschaut. Er hat dem Doktor in die Augen geschaut und hat es ihm dann in die Finger gedrückt. Er hat einfach geschaut wie der Doktor reagiert und überhaupt nicht wirklich überhaupt nicht auf die Stifte, er hat eigentlich gar nicht ausgeführt eigentlich wirklich was er hätte machen sollen.“


    Und die gleiche Mutter bei einer späteren Untersuchung:


    „Und er hat zum Beispiel die Sprache komplett verweigert dann, hat einfach nicht gesprochen. Während dem Test und er kann ja sprechen. Also wirklich, er kann auch kommunizieren. Und ich fast verzweifelt daneben und habe gedacht, das darf jetzt aber nicht wahr sein. Und entsprechend war dann die Auswertung des Tests auch gewesen, dass er verbal sehr sehr stark zurück ist, unter anderem. Und dann habe ich auch so ein bisschen das Gefühl bekommen, das Bild, das ich später bekommen habe von dem Ergebnis von dem Test, und dem wie ich das Kind so kenne, das stimmt einfach nicht überein. Irgendwo ist einfach immer noch etwas schräg“


    Eine andere Mutter äusserte ebenfalls Unzufriedenheit mit der Untersuchung:


    „Man hat gesagt, ja, das ist halt ein `Dubeli`. Und für uns hat das überhaupt nicht gestimmt, es war auch eine beschissene Abklärung.“


    2. Ein Universitätsspital kann nur einen Verdacht äussern, stellt aber keine definitive Diagnose und vermittelt anschliessend auch nicht weiter.


    So erzählt eine Mutter:„Wir waren im Universitätsspital und die konnten keine Diagnose stellen, sagten das Kind sei noch zu klein und wir müssten noch warten, aber sie haben gesagt, es könnte sein, dass es Autismus ist... Aber als wir im Unispital waren... da ... die haben nichts gesagt, wo wir weiter gehen können oder was wir machen können. Wir sind gegangen, ohne dass sie etwas gesagt haben.“


    3. Ein Kinderspital hat zwar den Verdacht, spricht diesen aber gegenüber den Eltern, wie sie später erfahren, nicht aus und vermittelt auch nicht zu weiteren Abklärungen.


    So erzählt eine Mutter, dass sie erst im Nachhinein vom Verdacht des Kinderspitals erfahren habe:


    "Ja ja, und auch dort oder, oder auch am „Chispi“ [Kinderspital], es ist einfach darum gegangen, dass es einfach eine Entwicklungsverzögerung ist. Mit der sind wir dann komplett alleine gelassen worden. Dann habe ich dann einmal noch angerufen, als ich es dann gewusst habe [dass der Sohn Autismus hat] und gesagt, das ich es nicht so toll gefunden habe, einfach in Bezug für die nächsten Eltern. Sie haben gefunden, ja so Kinder mit leicht autistischen Zügen lassen wir zuerst einmal ein bisschen länger. Also haben sie es damals schon gewusst, aber sie haben es mir dort nicht gesagt. Interessanterweise, und es stand auch nicht im Bericht sonst wäre ich schon längstens darauf gekommen. Also mich nimmt Wunder, warum jetzt zum Beispiel das „Chispi“ nicht weiterverwiesen hat, zu weiteren Abklärungen ans KJPD.“


    4. Frühberatungsstellen und Heilpädagogische Schulen erkennen nicht, dass das Kind Autismus haben könnte.


    Mütter haben davon berichtet, dass Frühberatungsstellen oder Fachpersonen, die den Kindern Frühförderung unterrichtet haben, ebenfalls nicht gesehen haben, dass ihr Kind an Autismus leiden könnte. Eine Mutter klagt über Heilpädagogen, die streng ihre Methoden durchziehen, ihre Methoden kaum hinterfragen oder genauer schauen, was dem Kind fehlen könnte und bezeichnet sie als:


    „Heilpädagogen, die nur überzeugt von sich selbst sind und keine Reflexion haben in dem was sich im Gegenüber spiegelt.“ Und weiter meint die Mutter:


    „Das interessiert die...die sind so selbstüberzogen, die Leute mit denen man umgeht. Die haben null Reflexion ihrer eigenen Missstände und merken nicht was sie anrichten weil sie gar nicht wissen dass es Autismus gibt, oder nicht wissen wie das aussieht“.


    5. Eine Heilpädagogische Schule unterstützt die Eltern bei der Suche nach der Diagnose nicht. Sagt, das Kind habe nur Wahrnehmungsprobleme. Die Schule möchte das Kind nicht weiter abklären lassen, obwohl dies der Wunsch der Eltern ist.


    Eine Mutter berichtet davon, dass die Schule überhaupt kein Interesse an einer Diagnose hat und die Eltern deswegen auch nicht unterstützte:


    „Also auch die Schule ist nicht so interessiert an einer Diagnose gewesen. Ja. Ich glaube, wenn man die Diagnose hätte, müsste man auch überlegen, ob dort die richtigen therapeutischen Massnahmen getroffen werden, für alle verschiedenen Diagnosen, oder.“


    6. Psychologen können das Kind nicht auf Autismus untersuchen, weil sie keine Ahnung haben, wie sich Autismus bei einem Kind zeigt.


    Eine Mutter zur Untersuchung bei einem Psychologen:


    „Und dann sind wir zu einem Psychologen gegangen. Und da war dieser Psychologe und wir waren ein paar Mal dort, aber er konnte es auch nicht sagen. Er hat gesagt, keine Ahnung, er hat noch keine autistischen Kinder gesehen.“


    Lange Ungewissheit
    Die Ungewissheit ist für die Eltern der Kinder sehr frustrierend. Sie wollen endlich wissen was dem Kind fehlt, weil sie auch selber Probleme mit ihm haben und etwas unternehmen wollen, so dass dem Kind und der ganzen Familie geholfen werden kann.Durch die Schwierigkeiten (1-6) sind bei vielen Familien Jahre vergangen, bis sie eine richtige Diagnose für ihr Kind bekommen haben. Die Eltern erwähnen besonders, dass viele Ärzte einfach nicht wussten, was ihrem Kind fehlt. Darin widerspiegelt sich eine grosse Unwissenheit bezüglich des Themas Autismus bei Ärzten und Spitälern sowie auch bei Psychologen und anderen Abklärungsstellen.Kostbare Zeit geht dadurch verloren, die für eine richtige Förderung eingesetzt werden könnte.

    Erste Auffälligkeiten


    Die Eltern haben meistens schon früh bemerkt, dass etwas in der Entwicklung ihres Kindes anders ist. Sie erleben erste Anzeichen, dass ihr Kind anders reagiert als sie erwarten würden. Die meisten Eltern haben ihr Kind als Baby sehr normal und überhaupt nicht auffällig wahrgenommen. Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres haben sich oftmals erste Auffälligkeiten gezeigt, welche von den Eltern als solche wahrgenommen wurden. Sie nannten Dinge wie, dass beim Kind keine Erziehung möglich war, es nicht auf die Eltern hörte, wenn diese etwas sagten, kein Regelverständnis hatte, dass das Kind nicht auf seinen Namen reagierte, zum Abschied nicht winkte, immer wieder einfach weggelaufen ist und nicht geschaut hat, wo sich die Mutter oder der Vater befindet.


    Die Eltern gaben ausserdem an, dass ihr Kind andere Personen nicht imitierte und die Umgebung sowie die Eltern nur sehr wenig beachtet hat. Der Blickkontakt war wenig da und das soziale Verhalten mit anderen Kindern seltsam.


    Einer Mutter ist zusätzlich aufgefallen, dass der Sprachgebrauch bei ihrem Kind auffällig war. Das Kind hat im Alter zwischen drei und vier Jahren Wörter und Sätze verwendet, welche der Situation nicht angebracht oder auf eine vorherige Situation bezogen waren. Oder das Kind hat Sätze gebraucht, die jemand in einer vorherigen Situation gesagt hat. Einer anderen Mutter waren zuerst motorische Schwierigkeiten aufgefallen. Die meisten Eltern aber berichteten, dass die motorische Entwicklung ihrer Kinder mit Autismus völlig normal verlaufen sei und die motorischen Entwicklungsschritte wie Umdrehen, Aufsitzen, Krabbeln und Laufen von ihren Kiindern im Rahmen der Norm erreicht wurden.


    Rückläufige Entwicklung


    Einige Eltern berichteten über einen plötzlich beobachtbaren und regressiven Richtungswechslung in der Entwicklung des Kindes. Eine Mutter sagt über die Entwicklung ihrer Tochter:


    „Mit drei wurde das deutlicher würde ich sagen. Mit drei war es als es einen abrupten, vielleicht auch etwas früher, war es als es eine abrupte Änderung in der Kinderkrippe gegeben hat, wo sie damals war. Von einem Tag auf den anderen hat also unser Kind nicht mehr geschaut. Von einem Tag auf den anderen.Nur noch gesessen, vor sich hin "gebabbelt", kein Kontakt mehr, nichts mehr […] der Blickkontakt war einfach weg, einfach weg. Sie hat nur noch herumgestarrt und dann wurde sie immer auffälliger.“


    Ein Vater äusserte sich zur Entwicklung seiner Tochter wie folgt:


    „Auf jeden Fall hat sie sich bis etwa 18 Monaten wie normal entwickelt. Sie hat auch angefangen zu reden. Sie hat durchaus Wörter gehabt, die sie heute nicht mehr hat. Und plötzlich hat das stagniert und ist sogar rückläufig gewesen, also die Entwicklung war rückläufig.“


    Unabhängig davon ob diese ersten Auffälligkeiten eher schleichend oder von einem Tag auf den andern kamen, für alle Mütter und Väter waren es erste Anzeichen, dass etwas in der Entwicklung ihres Kindes nicht normal verläuft. Ausgelöst hat dies bei allen Eltern eine grosse Ungewissheit und Unsicherheit. Für die meisten Eltern ist es, gerade wenn das Kind noch sehr klein ist, sehr schwierig zu beurteilen, ob ihr Kind sich grundsätzlich anders entwickelt oder ob es in der Entwicklung einfach etwas zurückliegt.


    Ungewissheit über die Entwicklung des Kindes als Belastung


    Die Ungewissheit über die richtige Entwicklung ihres Kindes wurde von allen Eltern als grosse Herausforderung und auch Belastung beschrieben. Manche hatten im Innersten das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, fragten sich aber trotzdem immer wieder, ob dies auch wirklich so ist. Manche Elternteile erlebten sich in der Situation auch als hilflos, weil sie nicht wussten, was sie machen sollten. Andere erwähnten Ängste und die Sorge, dass es etwas Schlimmes sein könnte, vermischt mit der Hoffnung, dass es eben doch nur eine kleine Entwicklungsverzögerung ist.Eine Mutter über diese Phase:


    „Als ich die Diagnose nicht wusste, als er noch klein war, hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Diese Ungewissheit, das ist schlimm, wenn man nicht weiss was dem Kind fehlt. Es fehlt etwas, er entwickelt sich nicht so, wie er sollte. Aber was ist denn das, es ist einfach diese Ungewissheit. So... Ich möchte es jetzt einfach wissen...Ich möchte es einfach wissen und nachher etwas machen, dass er einfach den richtigen Weg findet. Aber dann hofft man auch natürlich, dass es nichts Schlimmes ist“.


    Eine andere Mutter über die Ungewissheit bezüglich der Auffälligkeiten:


    „Ich habe wirklich relativ schnell das Gefühl gehabt, irgendetwas ist anders bei ihm. Aber wirklich zu benennen was, war wirklich schwierig.Ja, ich habe einfach gedacht irgendetwas ist schräg und dann spreche ich auf der anderen Seite mit meinem Mann und der findet irgendwie, nein, ist doch völlig okay, er ist jetzt halt ein bisschen langsamer. Und dann denke ich okay, nein, komm, ich meine wir nehmen ihn, wir haben ihn ja gerne wie er ist, ist ja kein Problem oder, und trotzdem war immer etwas da. Oder. Also weil irgendwann dreht man dann, zwischen dem, dreht man manchmal fast durch, das ist wirklich schwierig.“


    Mit den speziellen Verhaltensweisen und den Anzeichen, dass etwas nicht stimmt, kommt bei den Eltern immer mehr das Bedürfnis nach Abklärung und Untersuchung des Kindes auf.

    Nahezu alle Eltern machen sich Gedanken über die Zukunft ihres Kindes, die nicht selten durch Ungewissheit und Sorgen geprägt sind. Ein Vater meinte dazu:


    „Was ist mit meiner Tochter, wenn wir mal nicht mehr da sind, was passiert dann mit ihr. Klar, bis dann passiert noch viel, aber das sind so die Hauptsorgen.“


    Die Eltern berichten von der Herausforderung ihrem Kind ein Leben zu ermöglichen, für den Fall, dass sie als Eltern ihr Kind aus irgendwelchen Gründen nicht mehr unterstützen können. Die Eltern haben Ängste und Sorgen bezüglich der ungewissen Zukunft ihrer Kinder und stehen demgemäss unter einer erhöhten Belastung, die durch die folgenden Zitate noch weiter verdeutlicht wird:


    Eine Mutter beschrieb ihre Befürchtung: „Wenn wir mal nicht mehr sind, kommt sie in eine Psychiatrie, wird sediert und bekommt einen Hammer auf den Kopf damit sie ruhig ist. Und _das_ will ich verhindern.“


    Um diesen Befürchtungen entgegen zu wirken, hat die Mutter bereits Vorkehrungen getroffen. Sie meinte:


    „Wir haben dieses Haus hier, das ist „niegel nagel“ neu, so gebaut damit wir für sie vorsorgen können. Es hat noch eine Wohnung da drin. Entweder wird sie so gut, dass sie dieses Haus übernehmen kann oder sie wird so gut, dass sie ununterstützt leben kann. Oder sie kann in der Wohnung mit Unterstützung leben oder das Haus wird einer Stiftung überschrieben, mit dem Ziel, das sie meiner Tochter betreut lebenslang schauen und dafür hier eine Gruppe von Menschen, mit Kontakt zur Normalwelt, weil das brauchen Autisten, leben können und nicht vegetiert und zu sediert wird. Das ist die Idee von diesem Haus.“


    Eine andere Mutter spricht von der grossen Herausforderung und der Verantwortung ihrem Sohn ein Leben auch ohne sie ermöglichen zu können:


    Ja und jetzt ist man auch am Planen wie man ihn versorgt. Wenn ich sterbe, dann muss man auch finanziell Vorbereitungen für ihn machen. Das muss man jetzt schon. Weil es kann immer etwas passieren, ein Unfall, ja. Wir sind auch nicht mehr so jung. Es kann immer etwas passieren. Eine schlimme Krankheit oder so. Man muss nicht unbedingt achtzig sein um zu sterben. Sondern, eben mit solchen Kindern zu leben heisst, man hat mehr Verantwortung, weil höchstwahrscheinlich braucht er vielleicht auch bis ins Erwachsenenalter unsere Hilfe und da müssen wir schon jetzt vorsorgen.“


    Es gibt Faktoren (Ressourcen), die solchen Ängsten entgegen wirken können. Geschwister oder andere enge Verwandte, die im Wissen der Eltern für ihr Kind mit Autismus sorgen würden, falls den Eltern dies nicht mehr möglich ist, können eine Entlastung bieten. Eine Mutter, die keine anderen Kinder hat, und nicht auf die Ressource der Geschwister zurückgreifen kann, beschrieb dies als Belastung: „Also für mich ist das ein grosses Problem, dass nicht noch ein Geschwister herum ist, weil dann wäre sie nicht alleine.“


    Eltern machen sich aber nicht nur Gedanken über eine Zukunft in der sie möglicherweise nicht mehr da sind oder für ihr Kind nicht mehr sorgen können, sondern sie berichteten generell von Sorgen über den weiteren Entwicklungsverlauf ihrer Kinder, sei dies in Bezug auf die Selbstständigkeit oder auch hinsichtlich der Schulung und später der beruflichen Ausbildung.


    Welche Gedanken machen sie sich über die Zukunft ihres/ihrer Kindes/r, welche Vorkehrungen und Vorbereitungen treffen sie bereits jetzt?

    Eltern erzählten von vielen Situationen im Alltag, die erst durch die Reaktionen des Umfeldes zur Belastung werden können. So bestätigt eine Mutter:„ Ich finde das _Umfeld_ viel, viel belastender als mein Junge selber ... mit dem... ich habe meinen Frieden gemacht.“


    1. Reaktionen der Öffentlichkeit


    Die Eltern erwähnten viele Reaktionen der Öffentlichkeit auf Verhalten und Eigenarten ihrer Kinder durch welche sie sich oftmals sehr belastet fühlen:


    „Erleben sie mal die Leute drum herum, wie despektierlich und wie widerwärtig die sie betrachten. Dann merken sie, was sie selber lernen […] Begegnen tut uns die Umwelt, mit Hallo, können die ihr Kind nicht erziehen, nein schau mal.“„Ich höre viel Kommentare dann, die manchmal wirklich schaurig weh tun“


    „[…] dann tut das weh, weil man weiss, dass diese Leute sich über die Fähigkeiten der Mutter Gedanken machen und auch über das Kind. Sie denken es ist ein schlimmes, freches Kind, obwohl das nicht stimmt und das tut auch weh.“


    Umgang mit Reaktionen


    Mit Reaktionen aus der Öffentlichkeit gehen Eltern sehr verschieden um:


    „Ich kann sagen, also wir kommunizieren völlig offen“


    „Wenn es so ist, dass ich es machen kann, dass er es nicht hört, oder dass er es nicht versteht, dann sage ich den Menschen, dass er ein Handicap hat, ja. Und dass nicht alles so ist wie es aussieht. Halt einfach. Und dann habe ich jetzt auch schon mal Kärtchen gemacht, zum verteilen, bin ich jetzt so ein bisschen auf die Idee gekommen, um den Menschen in die Finger zu geben und zu sagen ‚he das Kind ist Autist, es reagiert anders als andere Kinder’[…]Ja, ja. Und dann den Menschen in die Finger drücken, damit sie es lesen können und er es nicht mitbekommt.“


    „Aber das ist .... man kann sich auch daran gewöhnen muss ich sagen[…] Es ist schwer aber man kann das lernen zu ignorieren.“


    „ […] und auf der anderen Seite gebe ich manchmal auch zurück“


    Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich und individuell. Sie reichen von Konfrontieren bis zu Ignorieren. Jedoch zeigt sich, dass die Eltern selber kein durchgehendes Muster zeigen. So berichteten Eltern von Konfrontationsmomenten, in denen sie die Umgebung aufzuklären versuchen und wiederum von anderen Momenten, in denen sie die Reaktionen zu ignorieren versuchen und nicht darauf eingehen. Einige Eltern erwähnten auch den Druck, unter dem sie stehen, der Öffentlichkeit eine Antwort bringen zu müssen: „Man hat immer das Gefühl, man muss das Kind verteidigen.“


    2. Wenig Wissen über Autismus im Umfeld


    Eltern berichteten vor allem auch von der Belastung, dass das Umfeld nicht weiss, was Autismus ist. So wird einerseits die ganze Situation und das Kind vorerst falsch beurteilt, da das Wissen über Autismus fehlt um die Situation richtig erkennen zu können:


    „Und es ärgert mich auch, dass... Sie haben keine Ahnung und machen sich Urteile darüber. Das stört und nervt auch, aber nach einer Zeit irgendwie, ja...man gewöhnt sich daran“


    „Die Menschen fällen ein Urteil und erkennen die Situation nicht und wissen nicht, dass es Autismus ist.“


    Andererseits kann auch durch ihre Aufklärung, dass das Kind Autismus hat, oft kaum etwas bewirkt werden, denn die Menschen wissen mit dem Begriff Autismus nichts anzufangen und können so auch im Nachhinein die Situation noch immer nicht verstehen. So berichteten Eltern:


    „Dann wissen die soviel wie vorher, sie wissen nämlich nicht was autistisch ist. 99,9 Prozent wissen das nicht.“


    „...ich glaube jeder weiss, dass ist etwas Schlimmes, aber viel mehr weiss keiner. Und das Umfeld ist immer dadurch belastet, dass niemand weiss, was autistisch ist.“


    3. Reaktionen des nahen und vertrauten Umfeldes


    Das nahe und vertraute Umfeld kann einerseits als Unterstützung dienen, andererseits aber auch zusätzliche Herausforderungen bringen. So erwähnten einige Eltern, dass die Grosseltern ihres Kindes eine grosse Unterstützung für sie sind, während andere von Grosseltern berichten, die zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen. So erwähnte eine Mutter:


    „Die Schwiegermutter hat mit so viel gutem Willen aber stetig das Verkehrte gemacht. Also er war nur noch am schreien und es ist soweit gekommen, bis meine Tochter gesagt hat, bitte fragt nicht mehr das Grosi, ich schaue lieber alleine, weil er hat einfach nur geschrien. Sie wollte ständig mit ihm "schmusen" und hat mit ihm gesprochen, sie hat ihn einfach nie in Ruhe gelassen, sie hat es einfach nie begriffen. Und auch noch heute, wir müssen ihr an jedem Familienfest sagen, lass ihn in Ruhe.“


    Ein Vater schilderte, dass die Grosseltern und generell das nahe vertraute Umfeld seine Tochter immer unterschätzen würde. Seiner Tochter wird dadurch zu viel geholfen und sie wird zu wenig gefördert. Er meinte:


    „Man unterschätzt sie immer. Selbst die Grossmamis unterschätzen sie, sie kann viel mehr oder, man muss sie quasi nur dazu zwingen.Also das eine ist ja das Umfeld, das meine Tochter kennt, da wird meistens, meistens erfahren wir, dass man sie unterschätzt. […] das Umfeld probiert immer gerade zu helfen und anstatt sie es buchstabieren, sie soll das selber probieren, versucht man ihr immer zu helfen, ja du kommst dort nicht weiter, das ist dort das Problem.“


    Teilweise wissen auch Freunde, Familie und Verwandte nicht mit der Situation und dem Kind mit Autismus umzugehen und distanzieren sich von der betroffenen Familie. Eine Mutter hat dies erfahren:


    „Freunde, also wirkliche Freunde zieren sich schon nicht, aber Leute die sie denken, sind Freunde distanzieren sich, selbst Eltern. Also meine Eltern und die Eltern von meinem Mann haben Mühe.“


    Durch die geschilderten Reaktionen des nahen Umfeldes finden oftmals weniger Kontakte statt oder Kontakte gehen ganz verloren. Das nahe Umfeld und dessen Reaktionen können durchaus als grosse Belastung für die Eltern angesehen werden. Die Herausforderung besteht darin, sich nicht zu isolieren und Kontakte zu erhalten oder neue Kontakte aufzubauen.

    Kann das Kind seine Bedürfnisse nicht äussern kann dies für Eltern unter anderem aus folgenden Gründen sehr belastend sein:

    • Sie wissen nicht warum ihr Kind unzufrieden ist oder schreit und sind deshalb auch nicht immer in der Lage dem Kind zu helfen.
    • Der Beziehungsaufbau wird erschwert, da weniger soziale Interaktion und Kommunikation mit dem Kind statt findet.

    Eine Mutter zum Erkennen von Bedürfnissen: „Das ist schwierig, zu erkennen warum meine Tochter weint oder schreit, weil sie spricht noch nicht richtig und ich versuche es auch irgendwie zu erkennen […] Aber es ist sehr schwierig. Und dann fühlt sie sich, dass jemand sie nicht versteht und dann und dann ist sie unzufrieden und schreit.“


    Ein Kind, das seine Bedürfnisse nicht äussern kann, reagiert gemäss Aussagen der Eltern viel häufiger mit Schreien, Weinen oder Wutanfällen. Einige Eltern berichteten nämlich, dass ihr Kind weniger solche Verhaltensweisen zeigt, seit es angefangen hat seine Bedürfnisse zu äussern und es möglich ist, ihm gewisse Dinge zu erklären und es diese auch versteht.


    Das Sprachverständnis spielt eine wichtige Rolle im Zusammenleben mit dem Kind, denn viele Eltern berichteten von einem verbalen Umgang mit ihrem Kind in Krisensituationen: Sie versuchen ihrem Kind immer wieder zu erklären, warum etwas nicht geht. Das Vorbereiten ihres Kindes auf neue Situationen und somit der Versuch Angst, Wutanfälle und Schreien vorzubeugen, geschieht ebenfalls meist auf verbaler Basis. Hat das Kind kein grosses Sprachverständnis oder haben die Eltern das Gefühl, ihr Kind versteht nicht viel, so fallen solche Strategien weg. Den Eltern fällt es schwerer ihr Kind zu beruhigen oder sie fühlen sich in schwierigen Situationen noch hilfloser.


    Die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten bringen auch auf der Beziehungsebene viele Belastungen mit sich.


    Eine Mutter äusserte sich dazu wie folgt:„Mein Mann sagt manchmal ganz bösartig, ab und zu kommt es mir vor, man spricht mit einem "Gestrüpp". Es ist so. Es ist bösartig ausgedrückt, aber es hat etwas. Dass man das Gefühl hat, dass einfach nichts zurückkommt.“


    Je höher der Grad an Kommunikationsfertigkeiten eines Kindes ist, desto einfacher gestaltet sich für die Eltern auch der Beziehungsaufbau mit dem Kind. Die eingeschränkte Kommunikation und die als ungenügend empfundene Rückmeldungen des Kindes, werden von den Eltern als grosse Belastung erlebt.


    Eine andere Mutter berichtete dazu: „Also er ist da, aber er ist nicht da. Man lebt mit ihm zusammen aber man hat so das Gefühl... dass man auch vergessen könnte, dass er da ist. […] weil er kommuniziert nicht, nur wenn er etwas möchte. Früher als er noch nicht sprechen konnte war er einfach in der Wohnung, irgendwo, hat gespielt, ist herumgerannt oder so. Man sieht ihn dann ja, aber trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass man mit ihm in Kontakt ist. Er ist für sich und akzeptiert auch den Kontakt nicht unbedingt, man kann mit ihm nicht richtig in Kontakt treten. Deswegen fühlt man sich auch alleine, wenn man mit ihm zusammen ist. Es ist so, als wenn man ständig alleine wäre. Man ist schon mit dem Kind, passt auf und achtet auf ihn, aber trotzdem wie fast ein bisschen mit einem Hund. […] Es ist schwer vorzustellen für andere, denke ich, aber man fühlt sich einfach alleine.“


    Solche Aussagen können ebenfalls für Eltern zutreffen, deren Kind mit Autismus verbal seine Bedürfnisse äussern kann und ein gutes Sprachverständnis hat, aber ansonsten nur wenig sozial interagiert und kommuniziert. Auch hier ist es schwierig mit dem Kind in Kontakt zu treten, der Beziehungsaufbau ist erschwert und kann das Eltern-Kind-Verhältnis belasten.

    Viele der Eltern haben grosse Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem „Essen“ sowie dem „Schlafen“ erwähnt.


    Beim Essen sind ihre Kinder teilweise sehr wählerisch, haben kaum etwas gern und möchten sich am liebsten nur von ihrer Lieblingsspeise ernähren. Für viele Eltern ist es ein grosser Kampf, dass sich ihre Kinder nicht zu einseitig sondern gesund und vitaminreich ernähren.


    Eine Mutter zum Thema „Essen“:


    „Er ist sehr lange wählerisch gewesen, immer noch, aber es ist ein bisschen besser geworden. Er wollte fast kein Fleisch, eigentlich fast nichts, nur Brot und Teigwaren. Und sonst kein Gemüse, Früchte vielleicht ein paar und das war es. Und es war auch sehr frustrierend, weil man kocht und macht und er isst nicht, will nicht und hat dann trotzdem Hunger. Und dann wieder dieser Stress, weil er schreit und Brot will, versucht dann das auszukämpfen, damit er das bekommt was er will und man weiss er kann nicht immer nur Brot essen. Und das war noch schwierig. Es waren viele Frustrationssituationen auch für ihn, für uns und das war auch sehr schwierig.“


    Eine weitere Mutter erzählt:


    „Da schauen wir, dass es jeweils etwas gibt, was er gerne hat, das tönt jetzt so einfach aber, aber das ist nicht immer so einfach, also weil man kann nicht immer Teigwaren essen, weil das stimmt dann für den Rest der Familie nicht.“


    Das Thema „Schlafen“ ist ein weiteres Thema, das die Eltern vor Herausforderungen stellt und Belastungen mit sich bringt. Vorwiegend wurden von den Eltern Schlafstörungen oder Probleme beim Einschlafen oder Aufwachen genannt. Unterschiedliche Lösungen und Anpassungen werden von den Eltern gefunden um ihrem Kind das Einschlafen, Schlafen oder Aufwachen zu erleichtern. So berichteten Eltern von der Gestaltung einer schlaffördernden Atmosphäre im Kinderzimmer, von speziellen Morgenritualen, um ihre Kinder zu beruhigen und sanft in den Tag zu holen oder von Abendritualen, welche zum Ziel haben, das Abschalten ihrer Kinder zu erleichtern. Dennoch haben die Kinder zum Teil Schwierigkeiten mit dem Einschlafen, dem Schlafen oder dem Aufwachen und Starten in den Tag.


    Die Tochter einer befragten Mutter leidet an einer starken Schlafstörungen. Laut der Mutter gibt es Nächte an denen sie selbst beinahe gar nichts schläft, weil sie ständig nach ihrer Tochter sehen muss. Sie berichtet:


    „Sie hat Schlafschwierigkeiten, es muss stockdunkel sein, wir haben extra Samtvorhänge machen müssen, damit es dunkel genug ist. Es muss ein gewisses Ritual dahinter sein, sonst funktioniert es nicht und man ist... ja man ist nicht sicher, ob die Nacht dann beginnt. Und die schlimmsten Momente sind an einem Tag, wo sie nicht schläft, dann kann es die ganze Nacht durchgehen... und man geht dann eben am anderen Morgen wieder arbeiten...“


    Mehrere Eltern erwähnten die Schwierigkeit ihrer Kinder am Morgen aufzustehen. Eine Mutter machte dazu folgende Aussage:


    „Er wollte einfach lange schlafen und überhaupt nicht aus dem Bett. Und es war jeden Morgen ein Theater. Er hat jeden Morgen mit Schreien angefangen, mit schlechter Stimmung, mit Trotz. Er wollte gar nicht aus dem Bett. Und das war einfach schlimm. Jeden Morgen, ich weiss nicht, bis er sich daran gewöhnt hat, dass er früher aufwacht. […] Ja, das war sehr... also eben jeden Morgen und man wusste es schon beim Einschlafen. Ich hatte keine Lust mehr am Abend einzuschlafen, weil ich wusste am Morgen kommt das, dass er schreit und dieses /aaaach/ es war einfach so... es war _schlimm_.“


    Eine andere Mutter erzählt:


    „Dann kommt es darauf an wie er aufwacht, das ist immer so eine kritische Phase mit Aufwachen, wie wacht er so in den Tag auf. Es gibt so Tage, dann ist er nach fünf Sekunden auf hundertachtzig […] und dann geht das Gebrüll relativ früh los und dann muss man schauen dass man ihn ein bisschen sanft in den Tag irgendwie reinbringen kann.“

    Eltern haben zahlreiche Herausforderungen genannt, welche im Zusammenhang mit Verhalten stehen, welches ihr Kind in bestimmten Situationen zeigt. Die Eltern berichteten von vielen Wutanfällen, Verzweiflungsanfällen sowie Panik- und Angstanfällen ihrer Kinder, welche den Alltag enorm belasten. Eltern haben vor allem Verhalten genannt wie: Das Kind schreit, wirft sich auf den Boden, verharrt in Stereotypien, zeigt Autoaggressionen (sich schlagen, Kopf auf den Boden oder gegen die Wand schlagen), das Kind zeigt Aggressionen gegenüber anderen Menschen oder es flucht und benutzt Schimpfwörter.
    Berichtet wurde vor allem von drei Situationen, in welchen solche Verhaltensweisen auftreten:


    1. Situationen in denen eine Veränderung, ein Wechsel oder eine Unterbrechung eintritt:
    Kinder haben oftmals mit Veränderungen und neuen Situationen grosse Mühe. Ein Mutter dazu:


    "Ich bin jetzt immer mit ihm mit dem Auto zum Coiffeur und jetzt hat es so schlimme Baustellen […]und dann habe ich beschlossen, wir gehen mit dem Zug, das ist schwierig für ihn. Und wenn die Coiffeuse jetzt mal findet, man könnte noch die Haare waschen obwohl man vorher nur nass gespritzt hat, dann ist es nochmals schwierig."


    Veränderungen im gewohnten Tagesablauf, die einen Übergang bedingen, können zu Konfliktsituationen führen. Wie zum Beispiel der alltägliche Gang von zu Hause in den Kindergarten oder in die Schule:


    „[…] er möchte weiterspielen und das wird dann ein bisschen schwierig, da haben wir immer..., das ist ein bisschen eine heikle Phase, bis er dann draussen ist.“


    2. Situationen in denen sich das Kind nach Regeln und Normen verhalten soll:
    Genauso schwierig scheint für die Kinder das Befolgen von gewissen Regeln und Normen, welche für sie oft auch nicht verständlich oder logisch sind. So schilderten Eltern Situationen wie, dass ihr Kind anderen zur Begrüssung an den Haaren zieht anstatt die Hand zu geben, sich nicht an soziale Regeln hält oder grosse Schwierigkeiten hat, irgendwo zu warten.


    Eine Mutter über eine soziale Situation:


    „Er hat dann alle Kinder angespritzt, auch diejenigen, die es nicht so gerne gehabt haben und er hört dann nicht mehr auf, also auch wenn die Kinder Stopp rufen oder anfangen zu weinen. Er kann dann, er ist dann wirklich eingespannt, er hört dann nicht mehr auf.“


    Eine Mutter zum Thema „Warten“:


    „Er musste in einer Reihe warten, Ticket kaufen egal, vor dem Zoo, oder auch bei der roten Ampel. War eine rote Ampel und wenn wir ein bisschen warten mussten, hat er begonnen zu schreien, bis die rote Ampel wieder weg war. Jedes Mal wenn wir mit dem Auto irgendwohin gefahren sind, bei jeder roten Ampel. Und eben auch in der Reihe Ticket kaufen, also da auch.“


    3. Situationen in welchen das Kind mit spezifischen Ängsten oder lauten Geräuschen konfrontiert wird: Spezifische Ängste sind oftmals der Grund warum Kinder in Panik geraten, schreien oder davon laufen. Die Eltern berichteten von Angst vor uniformierten Menschen, Frauen in Trachten, Frauen mit Kopftüchern, vor Puppen mit menschenähnlichen Gesichtszügen, vor Dunkelheit, Zwergen, Wasser, dem WC, lauten Geräuschen oder vor Hunden.


    Ruhe und Geduld bewahren...
    Der Umgang mit den Verhaltensweisen und Reaktionen auf gewissen Situation, welche die Kinder zeigen, wurde von allen Eltern als sehr belastend beschrieben und erfordern viel Ruhe und Geduld. Dies gelingt nicht immer gleich gut. Eine Mutter erzählte von besonders belastenden Situationen durch schwierige Verhaltensweisen ihrer Tochter:


    Und dann muss man die Ruhe bewahren, dass man weiter vorwärts kommt. Man muss die Ruhe gegenüber dem Kind bewahren, dass man nicht ungeduldig oder wütend ...oder explodiert oder sonst etwas wird. […] Man bleibt nicht immer ruhig, man hat manchmal Angst, dass man das Kind totschlägt.Ja. Also ich kann nicht abstreiten, dass ich nicht schon im Affekt ihr fast eine runtergehauen habe, weil _ich_ nicht mehr konnte. Genauso wenig mein Mann. Obwohl wir beide...das sind nicht wir, aber sie kommen so an Grenzen und es ist wirklich kein dummes Geschwätz, je nach dem was passiert merkt man in sich Panik, dass man die Kontrolle verlieren könnte. Und das ist... also grauenhaft.Und das passiert. Regelmässig und immer wieder. Nicht dass ich die Kontrolle verliere, aber dass ich innerlich merke, was mach ich jetzt.“


    Schwieriges Verhalten in der Öffentlichkeit
    Als typisch belastende Situation wurde von den Eltern auch der Wutanfall in der Öffentlichkeit genannt. Stellvertretend dafür eine Mutter:


    Und eben diese Situationen, wo er dann diese Wutanfälle bekommt... alle schauen, alle. Ohne Ausnahme [...] Diese Mutter, die ist doch furchtbar, die furchtbarste Mutter dieser Welt, wie kann man so ein Kind erziehen, dass sich dann so auf den Boden schmeisst und dann schreit wie verrückt und sich schlägt, also was für eine Mutter ist das. Also solche Kommentare kommen einfach[…] tut das weh, weil man weiss, dass diese Leute sich über die Fähigkeiten der Mutter Gedanken machen und auch über das Kind. Sie denken es ist ein schlimmes, freches Kind obwohl das nicht stimmt und das tut auch weh. Und dann eben diese unglaublichen Gesichtsausdrücke und die unglaublichen Variationen, wie die schauen können und sich nicht zurückhalten können, oder möchten. Sondern die möchten wirklich, dass man das mitbekommt, dass man das schlecht macht.“


    Umgang mit schwierigem Verhalten
    „Und die Kunst ist es herauszufinden, was eine solche Reaktion auslösen könnte und sie dann zu verhindern. Oder wie kann man die Tochter darauf vorbereiten, dass es nicht passiert. Also wie kann ich die Rahmenbedingungen schaffen, dass es nicht passiert.“


    Gut strukturierte Tagesabläufe, Rituale und akribische Vorbereitungen auf bestimmte Situationen werden von den Eltern als wirksame Rezepte gegen schwierige Verhaltensweisen beschrieben.



    Teilen sie ähnliche Erfahrungen und welche Rezepte haben sie?

    Der Situation von Eltern von Kindern mit Autismus und den konkreten und einzelnen Herausforderungen im Alltag wurde in der Wissenschaft bisher wenig Beachtung geschenkt. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass die Tatsache ein Kind mit Autismus zu erziehen, für die Eltern sehr viel Stress und eine grosse Belastung mit sich bringt, jedoch konnten wir bisher keine Studien finden, die sich konkret mit den einzelnen Herausforderungen beschäftigen, welche sich aus der Situation ergeben ein Kind mit Autismus zu haben.


    Aus Gesprächen mit Autismus-Fachleuten, betroffenen Eltern und aus eigener Erfahrung haben wir gesehen, dass das Wissen über Autismus und den sich daraus ergebenden Herausforderungen vielfach fehlt.


    Aufgrund der fehlenden Wahrnehmung für die Situation von Eltern von Kindern mit Autismus und fehlenden Studien zu den spezifischen Herausforderungen, wollten wir in unserer Arbeit den Fokus auf die Eltern und ihre Kinder mit Autismus legen, um Einblick in den Alltag der Eltern von Kindern mit Autismus zu ermöglichen:

    • Was bedeutet es, mit einem Kind mit Autismus zusammenzuleben und welche Herausforderungen ergeben sich im Alltag sowie allgemein im Leben von Familien mit einem Kind mit Autismus?
    • Welches sind die Herausforderungen, die nach aussen hin nicht sichtbar sind, das Leben und den Alltag der Eltern von Kindern mit Autismus aber enorm erschweren?
    • Welche Auswirkungen ergeben sich durch die Herausforderungen mit einem Kind mit Autismus und wie gehen die Eltern mit diesen Herausforderungen und Belastungen um?

    Insgesamt haben wir Interviews mit sechs Elternteilen durchgeführt (fünf Mütter und ein Vater von Kindern im Alter von 4,5 bis 11 Jahren). Angesprochen wurden Themen wie schwierige Situationen im Alltag, Wutanfälle und andere Verhaltensweisen, Kommunikation, Erziehung, Situationen in der Öffentlichkeit, Abklärungsphase/Diagnosestellung, Förderung, Schule/Kindergarten, Beratungssituation etc. Die Ergebnisse dieser Interviews, zu den verschiedenen genannten Themen, werden in den nächsten Beiträgen präsentiert.


    Diskutieren und kommentieren Sie mit und/oder erweitern Sie unsere Ergebnisse mit ihren eigenen Erfahrungen.


    Ich freue mich auf spannende Beiträge!

    Lesen sie in der nächsten Beitragsreihe Auszüge der Ergebnisse der Lizentiatsarbeit


    "Die Situation von Eltern von Kindern mit Autismus in der Schweiz. Herausforderung, Unterstützungsbedarf und Beratungsversorgung."


    Verfasst habe ich die Arbeit gemeinsam mit meiner Kollegin Olivia Heinzer im Rahmen der Abschlussarbeit an der Universität Zürich, Institut für Erziehungswissenschaften, Bereich Sonderpädagogik.


    Ich freue mich auf zahlreiche Leser!

    Vor kurzem bin ich auf die Seite dieses Interventionszentrums gestossen, das gemäss Angaben auf der Homepage im April seine Tore öffnen möchte. Siehe www.aba-montessori.ch


    Die Philosophie des Zentrums als Zitat von der Homepage:


    "Unsere Philosophie zielt darauf ab, das intellektuelle, soziale und emotionale Verhalten von Kindern mit ASD zu fördern, indem ABA Therapie und Montessori Pädagogik kombiniert werden. Wir liefern spezialisierte Programme für Kinder mit ASD und machen eine konstante Überprüfung des Programms für Ihr Kind. Wir bieten Ihnen dabei sowohl Programme für die Vorbereitung Ihres Kindes für die Schule bzw. Vorschule als auch Schulung der Spielfertigkeiten und Übungen des praktischen Lebens. "


    Hat schon jemand davon gehört? Meinungen?