Beiträge von Annette

    Dieser IV-Gutachter kennt leider auch kein ASS bei jungen Erwachsenen. Vielmehr negiert er sämtliche vorherigen AS-Diagnosen - im Übrigen setzt er auch die Beurteilung der mitbegutachtenden Neuropsychologin herunter - und ignoriert sogar die Tatsache, dass eben dieser junge Mann seit 2009 von erfahrenen Autismusfachleuten gecoacht worden ist und niemals auch nur einen Tag lang Zweifel am Autismus geäussert wurde, ganz im Gegenteil, in jedem Bericht wird ausführlich über seinen Autismus berichtet.
    Tja, das war es dann mit Unterstützung, Integration - Dossier geschlossen!


    Man hätte Widerspruch einlegen können und ein Obergutachten beantragen können. Mein Sohn wollte dies alles nicht mehr, diese ganze IV-Sache ging ja ohnehin schon ein Jahr lang, und hat letztlich aufgegeben. Er versucht es alleine zu schaffen, arbeitslos ist er noch immer, seit so vielen Monaten, er ist 21-jährig und hat keinerlei Perspektiven....


    Hast du Widerspruch eingelegt?

    Das ist wirklich alles sehr merkwürdig.


    Ich bekomme ja selten die direkte Wahrheit gesagt. Das ist ja mein Problem. Es wird ganz viel zwischen den Zeilen mitgeteilt. Da werden Aussagen gemacht, die gar nicht so gemeint sind, die man interpretieren soll. Das klappt bei mir aber nicht gut, ich erkenne meist nicht, was man mir dann eigentlich sagen möchte.


    Ansonsten kann jeder Kritik mir gegenüber äussern. Ich diskutiere und argumentiere aber gerne und lasse nicht so leicht von meinem Standpunkt ab. :whistling: Also muss die mir entgegengebrachte Kritik schon sehr deutlich formuliert und auch aussagekräftig sowie logisch nachvollziehbar sein. Dann kann ich mich für mein Fehlverhalten oder was auch immer kritisiert wird, entschuldigen und versuchen es zu ändern.


    Und das mit dem Grüssen im Zug ist mir tatsächlich noch nie passiert. Ich pendele tagtäglich mit dem Zug, gehe zielstrebig auf einen anfixierten Platz zu, nehme mein Buch oder schaue aus dem Fenster. Wer da ansonsten im Zug sitzt, nehme ich nicht wahr. Ich bin schon mit Leuten aus der Nachbarschaft gefahren, hab das gar nicht gemerkt, habe diese Leute erst gar nicht als meine Nachbarn erkannt, erst als die hinter mir zu den Wohnhäusern gelaufen sind.



    Ich wünsche dir gute Besserung und dass du ein bisschen Ruhe bekommen kannst.


    LG Annette

    Interessantes Thema


    Ich bin absolut darauf angewiesen, dass ich einen Internetanschluss nutzen kann. Denn das Internet ist fast ausschliesslich die einzige Möglichkeit, irgendwelche Kontakte herstellen zu können.


    Ich brauche auch das Internet, um Informationen einzuholen oder Termine beim Coiffeur usw. zu vereinbaren, weil ich Telefonieren einfach schrecklich finde, das mache ich ja nur wenn es sich nicht vermeiden lässt oder ich lasse meinen Mann anrufen.


    Ich lebe seit 2.5 Jahren hier und habe mit noch keinem anderen Menschen (mit einer einzigen wirklich sehr schönen Ausnahme) ausserhalb derjenigen Personen, die irgendwie mit meiner direkten Familie und mit meiner Arbeit zu tun haben, persönliche Gespräche geführt. Das Maximum sind sehr seltene oberflächliche kurze Gespräche mit Nachbarn, meist ist da aber mein Mann dabei und das wird von ihm inszeniert und gelenkt, d.h. ich reagiere nur auf seine Aussagen. Von selbst spreche ich keine Nachbarn an.


    Wenn ich also Sehnsucht nach einem „Gespräch“ habe, dann muss ich über das Internet gehen und selbst da gelingt es mir ja (siehe meinen eigenen Thread) nicht, diese Kontakte zu halten.


    Ich habe eine Selbsthilfegruppe genannt bekommen (eigentlich ging es da um meinen Sohn (AS)), aber mir ist es nicht möglich, eine Kontaktperson anzurufen oder gar dorthin zu gehen. Ich wüsste gar nicht, wie ich mein Anliegen formulieren sollte, dabei bin ich sprachlich und schriftlich wirklich sehr gut gebildet – ich kann das nur nicht auf meine persönlichen Anliegen umsetzen.


    Ich benötige ebenfalls ganz viel Zeit für mich alleine, um mit dem ganzen Alltagsstress zurechtkommen zu können. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich generell nichts mit anderen Menschen zu tun haben möchte und nicht nach draussen gehen möchte. Ich bin eigentlich ein sehr neugieriger, an vielen Dingen interessierter, fröhlicher und belesener Mensch. Ich mag es, neue Gegenden zu erkunden, das Umfeld zu beobachten, ich mag Museen und Zoos uvm. und würde da gerne viel öfter hingehen. Aber das ganze Drumherum ist sehr anstrengend für mich, ich benötige dann wieder vermehrt Zeit, mich zu regenerieren, sodass ich schon von vornherein gar nichts mehr unternehme, weil ich keine Zeit zum Regenerien habe. Die Menschenmassen am Bahnhof, im Zug, oder an anderen Orten, ja selbst in den Einkaufsläden stressen mich extrem.
    Es gab Phasen, da hab ich in längeren Warteschlangen schon Panikattacken bekommen und mich nur mit Mühe an einer Wasserflasche „festgehalten“, um das durchzustehen. Das geht momentan glücklicherweise besser.


    Wie Nic so treffend beschreibt „my home is my castle“ - das kann ich zu 100 % unterschreiben.
    Mein Zuhause gibt mir Sicherheit, Regelmässigkeit und Ordnung – meine Ordnung, die mir niemand verändern kann. Eine solche Struktur kann ich nirgends sonst dauerhaft erhalten, nicht einmal an meinem eigenen Arbeitsplatz.


    Zuhause kann ich zur Ruhe kommen, abschalten, alles so ausführen, wie es für mich richtig ist, ohne unter Druck zu geraten.


    Wenn in meinem Zuhause täglich andere Leute auftauchen würden (also abgesehen von meinem Mann und meinen Söhnen), wäre meine Ordnung massiv gestört. Auch das Telefon empfinde ich als extrem störend. Das wäre eine grosse Belastung für mich. Deshalb muss mein Zuhause meine gesicherte Burg bleiben. Ich öffne die Tore gerne, aber nur wenn ich mich darauf vorbereiten kann.


    Nachvollziehen kann das tatsächlich kaum jemand. Damit habe ich schon sehr viele Leute verjagt, vielleicht verletzt... weiss ich nicht.
    Meine Familie kennt das nicht anders von mir, mein Sohn empfindet genauso, ist sogar noch extremer als ich. Aber ansonsten ernte ich da wirklich nur Verständnislosigkeit.


    Frust und Wutgefühle habe ich auch oft mir selbst gegenüber. Ich denke, dass ich doch irgendwann mal besser mit all dem zurechtkommen müsste.


    Familienfeste (ich habe keine Familie, das betrifft meine Schwiegerfamilie) fanden meist ohne mich statt und wenn, dann blieb ich hochgradig nervös und angespannt (innere Unruhe äussert sich dann in motorischer Unruhe) zappelnd auf meinem Platz sitzen, konnte kaum Gesprächen folgen aufgrund meiner Kommunikationsproblematik oder ich hielt mich draussen auf, auch wegen meinem Sohn, der solche Versammlungen gar nicht vertragen kann und dann entsprechend extrem gestresst war.
    Das betrifft auch Betriebsausflüge/-feste, Schulungen, andere Treffen mit mehren Personen.
    Ich ärgere mich in solchen Situationen masslos über mich selbst, frage mich, weshalb ich nicht in der Lage bin, mich da wie alle anderen zu verhalten.


    Ich schliesse mich deiner Frage an:
    WARUM ist das so?
    WARUM lässt sich das nicht eines Tages besser meistern?

    Vielen Dank, Christine, für deine sehr informative und ausführliche Antwort.


    Das ist auch meine Beobachtung, dass konkrete Aussagen leider persönlich genommen werden.


    Ich kann das mit den „kleinen Lügen“ nicht nachvollziehen. Also ich verstehe schon, was du mir erklären möchtest. Aber ich kann nicht begreifen, weshalb man eben solche Not-(?)-Lügen hören möchte und dies dann auch selbst so praktiziert. Belügt man sich und andere nicht tagtäglich immer wieder aufs Neue? Ist das nicht anstrengend, ständig neue „kleine Lügen“ zu erfinden, verstrickt man sich letztlich nicht in einem „Lügengestrüpp“?


    Mir fällt das sehr schwer, das auf diese Art anzuwenden.
    Oftmals kann ich meine eigene Befindlichkeit doch selbst gar nicht beschreiben, ich merke einfach nur, dass es bei jeder weiteren Ansprache immer schlimmer wird und ich innerlich beinahe explodiere. Ich werde motorisch auffällig, indem ich nicht mehr ruhig sitzen bleiben kann, bin stark angespannt,kann mich schlecht konzentrieren, nehme Reize noch stärker wahr. Wenn ich meinem Gegenüber also sage/schreibe, dass mich Kommunikation/Kontakt derzeit extrem stresst, bezieht mein Gegenüber das auf sich selbst, obwohl ich zuvor eigentlich erklärt habe, dass es einfach in der Summe zu sehen ist und nicht in der einzelnen Situation.


    Wenn ich es doch zuvor erklärt habe, wieso kann man das nicht nachvollziehen, was ich damit meine?



    Kommunikation, insbesondere im direkten Gespräch, ist für mich wirklich sehr anstrengend, auch wenn ich das ab und an ganz gut überspielen kann (dann kommt es aber nach dem persönlichen Kontakt umso mehr hervor).
    Manchmal bin ich auch so stark fokussiert auf eine Sache, dass ich nicht mehr realisieren kann, was mein Gegenüber sagt. Ich nehme kein Wort wahr – begreife weder den Sinn des Gesagten, noch wer jetzt etwas gesagt hat. Das ist mir erst gestern bei der Arbeit wieder geschehen. Wenn dann zwei Kollegen vor mir stehen, mich ansprechen, zu einer bestimmten Sache befragen (die ich doch eigentlich weiss) und ich bin so sehr verwirrt, dass ich selbst schon nichts mehr sagen kann. Die denken dann, ich bin völlig bescheuert, weil ich gar nicht mehr reagiere, stellen dieselbe Frage zwei-/dreimal, bis ich wieder „auftauche“.


    Das kostet einfach sehr viel Kraft, dies zu verhindern und wie man sieht, gelingt es mir ja nicht wirklich. Ich weiss nicht, wie ich das verhindern kann...


    Das wirkt sich unweigerlich auf mein nachfolgendes Sozialverhalten aus, was bedeutet, dass ich es kaum ertragen kann, wenn im Zug jemand neben mir sitzt, ich beginne mit den Beinen zu wackeln etc. Oder ich laufe an Leuten vorüber, die ich zwar eigentlich „kenne“, diese aber nicht wahrnehme, somit u. U. nicht grüsse etc.
    (Wobei das Grüssen an sich ja schon von vornherein eine schwierige Angelegenheit ist, da ich Leute an nicht „passenden“ Orten nicht wiedererkennen und zuordnen kann (Prosopagnosie) und die Leute ohne Absicht durch Nichtbeachten verletze. Kommt dann noch mein persönlicher Stress bezüglich Kommunikation hinzu, erkenne ich nicht einmal mehr die Stimme von bekannten Leuten.)


    Und es wirkt sich natürlich auf die weitere Kommunikation mündlich/schriftlich aus, wobei wir wieder am Anfang meines Problems (Rückzug) wären.


    Das nervt mich ja selbst ziemlich heftig, weil ich da keine Lösung finde und mir dadurch sehr viel kaputt gemacht wird oder ich mir selbst kaputt mache... :(
    Und dass dann andere Leute von mir genervt sind - ja das verstehe ich...


    LG Annette

    PS Oliver hat seit gestern Abend eine Lehrstelle als Polymechaniker :thumbup:

    Hurra :thumbsup:
    Wie toll ist das denn, ich freu mich riesig für euch.
    Pascal hat seit einer Woche ebenfalls seine Zusage für eine KV-Lehre. :)



    Hm, ja vermutlich ist das wirklich so, dass ich da häufig zu direkt in meinen Äusserungen und im Durchsetzen meines Bedürfnisses (Rückzug) bin.
    Wie würde man es denn ansonsten lieber gesagt bekommen, wenn nicht auf die ehrliche und direkte Art?


    Und es stimmt, irgendwann kommt man dann schon wieder zurück, denn es ist absolut nichts Persönliches, sondern resultiert lediglich aus der eigenen Überforderung und ist durchaus im Sinne von Selbstschutz einzuordnen, da ich dadurch einen noch viel schlimmeren Overload verhindern kann. Das kann mal eine langandauernde Phase sein, manchmal reicht auch nur ein einziges Wochenende.
    Nur wenn ich dann mit haltlosen Vorwürfen konfrontiert werde, wird die Situation unerträglich für mich, und dann komme ich tatsächlich nicht mehr zurück. Das ist schade. Es endet ja nicht immer so krass, aber vermutlich reagiere ich aufgrund dieser Negativerfahrungen schon auf "harmlosere" Vorhaltungen zu sensibel.


    LG Annette

    Hallo Christine


    Ist ja nett, dass wir uns hier alle aufeinmal wieder ganz zufällig „über den Weg laufen“. Freut mich wirklich sehr.


    Ja, das stimmt, Beziehungen kommen und gehen, mal halten sie länger an, mal sind sie kurzweilig. Menschen verändern sich, ihre Interessen sowie ihre Lebensumstände und somit kann sich auch ein Kontakt verändern, verflüchtigen oder gar auflösen. Das finde ich auch nicht weiter tragisch, ich glaube, das ist eine normale Entwicklung.


    Womit ich aber nicht zurecht komme, ist die Erkenntnis, dass – zumindest bei mir, das scheint glücklicherweise nicht die Regel zu sein – eine solche Verbindung von sehr intensiv plötzlich umschlägt in beinahe schon Feindschaft. Das verstehe ich einfach nicht. Das muss ja einen Grund haben und den muss ich ja als erstes in meinem eigenen Verhalten suchen, da man mich immer mit denselben Vorwürfen konfrontiert.


    Ich kann das hier ja nicht alles erzählen, damit langeweile ich alle nur. Aber meine Freundschaften – 5 Personen aufgeteilt auf die letzten 16 Jahre mit monatelangen Unterbrüchen ohne soziale Kontakte; ich hatte parallel zu den Kontakten selten andere lockerere Bekanntschaften – endeten oftmals in einem Fiasko. Von Mobbing am Arbeitsplatz und der darauf folgenden Kündigung bis hin zu Verleumdungen am Wohnort und Schule meiner Söhne und dem darauf folgenden Mobbing meines Sohnes durch Mitschüler, Eltern, Lehrer.


    All dies aufgrund empfundener Zurückweisung.
    Von meiner Seite aus ist es keine bewusste Zurückweisung. Ich möchte eigentlich niemanden verletzen. Aber es geschieht leider immer wieder, dass man dies eben so empfindet.


    Ich denke, jeder, der dies so empfindet darf und soll das auch mitteilen. Aber warum muss dies dann mit verbalen Angriffen und Unterstellungen enden? Fühlt man sich so sehr provoziert/beleidigt/enttäuscht von mir, wenn ich zum Ausdruck bringe, dass mir ein zu enger Kontakt die Luft zum Atmen nimmt und ich einfach zwischendurch eine Auszeit benötige? Kann man das wirklich nicht nachvollziehen, warum ich so reagiere? Kann schon sein, dass ich diesbezüglich zu viel erwarte von anderen Leuten.


    Also ich glaube, ich sollte mir da keine Gedanken mehr machen, die Vergangenheit abhaken und mich auf die notwendigen beruflichen Kontakte konzentrieren. Das ist derzeit wohl wichtiger als private Sozialkontakte.


    Danke für deine ausführliche Erklärung deiner Sichtweise dazu. Du hast recht – erzwingen bringt wirklich nichts.


    Eigentlich bin ich ja ein sehr positiver Mensch mit Blick nach vorne, keine Ahnung, warum mich das kürzlich so mitgenommen hat. Ich glaube, mir geht es jetzt etwas besser. :)


    Liebe Grüsse
    Annette

    @ Ninchen


    Das stimmt natürlich, jeder sollte sein Gegenüber so annehmen wie es ist.
    Die Frage bleibt jedoch offen, wie weit man dabei gehen muss.


    In meinem persönlichen Fall beispielsweise würde das dann wohl bedeuten, dass ich mich auf solch enge Kontakte einlasse, auch wenn es mir zu bestimmten Zeiten kaum möglich ist, überhaupt zu kommunizieren. Ich muss also so weit gehen – weit über meine persönliche Belastungsgrenze hinausgehend -, weil ich weiss, dass mein Gegenüber mit einem lockeren Kontakt (kein Telefon, seltene persönliche Trefffen, und manchmal dann leider auch nur sporadisch Email-Kontakt, bis es dann eben wieder besser geht, es ist ja nicht immer so extrem) nicht gut zurecht kommen kann.


    Das funktioniert so nicht. Ich schaffe das zumindest nicht, auch wenn ich weiss, dass mein Gegenüber so viel Wert darauf legen würde.


    Kommunikation ist Schwerstarbeit...

    Hallo Dani,


    schön von dir zu lesen, stimmt, wir haben lange nichts von einander gehört/gelesen.


    Ja das stimmt, ich habe es ab und an versucht, nur mag es mir nicht wirklich gelingen. Ich versuche es zumindest im Rahmen meiner persönlichen Möglichkeiten und das ist gemessen an den Bedürfnissen sowie Erwartungen anderer Personen scheinbar nicht ausreichend.


    Es geht mir jetzt gar nicht so sehr um ein spezielles Ereignis, auch wenn eine spezielle Situation vor kurzem der Auslöser für mein Zweifeln war. Diese Angelegenheit zieht sich wie ein roter Faden durch mein gesamtes Leben und das macht mir gerade sehr zu schaffen. So sehr, dass ich tatsächlich nicht alleine damit fertig werden konnte, sonst würde ich hier nicht schreiben. ?( Da es sich ständig wiederholt, muss wohl etwas an den mir entgegen gebrachten Vorwürfen der Wahrheit entsprechen.


    Ich lese nicht zwischen den Zeilen, ich lese es so, wie es schwarz auf weiss geschrieben steht und wenn ich selbst etwas schreibe, gehe ich davon aus, dass mein Gegenüber auch wortwörtlich liest und nichts in meine Zeilen hineininterpretiert – gleiches gilt natürlich auch für direkte Gespräche. Das funktioniert aber nicht. Die Menschen lesen oftmals etwas anderes aus meinen Worten heraus oder sprechen Dinge nicht aus, die sie eigentlich sagen wollen. Das verkompliziert die ganze Angelegenheit und dadurch entstehen immer wieder Missverständnisse. Ich benötige klare Aussagen. Ich merke es auch im Laufe eines Gespräches nicht, wenn es jemandem aus welchen Gründen auch immer nicht gut geht oder derjenige Sorgen hat, ich spüre nichts von einer evtl. Überforderung meines Gegenübers und dementsprechend reagiere ich gar nicht darauf. Solange mir das niemand direkt mitteilt, kann ich keinen Bezug darauf nehmen, auch nicht helfen oder Trost spenden.


    Wenn ich dann auch noch auf kommunikativer/sozialer Ebene tagsüber so sehr gefordert bin, dass ich nicht einmal mehr mit meiner eigenen Familie sprechen kann, dann kann ich irgendwelche Andeutungen noch weniger verstehen. Ich habe oft sehr wortkarge Phasen, teile mich nicht mit, frage aber auch nicht nach anderen, nehme keinen Kontakt auf, reagiere höchstens kurz auf Ansprache. Und das ist das eigentliche Problem, denn Freunde fühlen sich in diesem Augenblick von mir – nach eigenen Aussagen - verletzt, verraten, zurückgewiesen und man meint ich habe kein Interesse an seiner/ihrer Person, sagt ich missbrauche entgegengebrachtes Vertrauen.


    Ich habe es auf unterschiedliche Art versucht, mal keinerlei Angaben zu meinen Schwierigkeiten gegeben, dann wieder sehr ausführlich erklärt, weshalb ich manchmal oder auch häufiger so reagiere. Beides endete jedoch auf dieselbe Art und Weise – ich bekomme mehrfach oben geschilderte Vorwürfe genannt, dies steigert sich bis zu Beleidigungen/verletzende Aussagen und die Bekanntschaft zerbricht natürlich daran.
    Das ist schade.


    Ich weiss, dass ich leider immer wieder so reagieren werde, da ich noch keine Lösung gefunden habe, wie ich besser mit den Anforderungen (soziale Interaktion, Kommunikation sowie Lärmempfindlichkeit) bei der Arbeit zurechtkomme. Im Umkehrschluss müsste ich wohl zu allererst versuchen, die Situation im Job in den Griff zu bekommen, damit ich überhaupt ein Privatleben führen kann, sprich Sozialkontakte suchen und pflegen kann. Klingt eigentlich logisch, denn wenn ich tagsüber nicht ständig über meine Grenzen gehen müsste, hätte ich noch ein wenig Ressourcen übrig, um private Gespräche führen zu können.


    Du meinst ich überfordere die Menschen, fordere zu viel von ihnen? - Hm, das ist mir schon öfter gesagt worden. Das tut mir leid. Eigentlich ist das nicht meine Absicht, jemanden so stark zu belasten, hat ja jeder auch so genug zu tragen.
    Darüber muss ich noch weiter nachdenken...



    Danke für deine Gedanken dazu.
    Ich wünsche dir und deinen Lieben eine gute Zeit.
    Herzliche Grüsse
    Annette

    Sozialkontake: Ich kann nicht mit den Menschen -
    aber ohne diese geht es leider auch nicht.


    Die Frage nach dem WIE lässt sich von mir noch immer nicht beantworten, obwohl ich so oft all die Negativerfahrungen versucht habe zu vergessen und einen neuen Versuch zu starten. Doch es läuft meist nach demselben Schema ab und da finde ich einfach keinen Weg heraus.


    Selbst mit Outing und intensiver Aufklärung über meine speziellen Verhaltensweisen, insbesondere bezüglich Kommunikation und Freundschaftsverständnis resp. Freundschaftserleben, geschieht es immer wieder, dass Bekanntschaften (das Wort Freundschaft wage ich schon gar nicht mehr zu gebrauchen) auseinanderbrechen, weil sich die Person von mir zurückgewiesen fühlt. Es handelte sich hierbei bisher immer um NTs, die sich insbesondere aufgrund meines oft vorkommenden Rückzugsverhaltens angegriffen, beleidigt und bestraft fühlen. Nachvollziehen kann ich das Empfinden des NTs dann allerdings nicht, da ich zuvor ja immer wieder darauf hingewiesen habe, dass ich so oft über meine Grenzen hinausgehen muss im Alltagsleben, dass ich aufgrund völliger Überlastung auch nicht mehr in der Lage bin, mich immer regelmässig und aufmerksam einer Person, die mir wichtig ist, zu widmen. Das hat in dem Moment schliesslich nichts mit Desinteresse, Gleichgültigkeit oder gar Böswilligkeit (wie man mir ja immer unterstellt ;( ) zu tun, sondern vielmehr mit meiner Überforderung auf sozial-emotionalem Gebiet, was wohl hauptsächlich meine Berufstätigkeit mit sich bringt.


    So geht das Leben "an mir vorbei", ich gehe morgens zur Arbeit, versuche den Tag einigermassen gut zu überstehen, komme abends nach Hause, mache da noch Notwendiges, was ein Familienleben so mit sich bringt, und bin später kaum noch ansprechbar. Selbst Kontakte via Internet sind dann, je nachdem wie der Tag resp. die Wochen verlaufen ist/sind, kaum noch zu bewältigen. So zerbrechen nach einer gewissen Zeitspanne jegliche Kontakte, scheitern scheinbar an meiner Unfähigkeit, den Leuten glaubhaft zu signalisieren, dass sie mir auch in meinen so dringend notwendigen Rückzugsphasen wichtig sind, ich ihnen aber in dieser Phase nicht zuhören kann und mich selbst auch nicht mehr mitteilen kann, weder schriftlich und schon gar nicht mündlich.


    Ich habe stets von mir selbst behauptet, dass ich keine Menschen um mich herum brauche, dass es mir nichts ausmacht, keine Kontakte zu haben, doch das stimmt so nicht ganz. Ich glaube, ich bin doch kein Roboter, brauche tatsächlich auch mal jemanden, dem ich mich mitteilen kann. Man kann nicht immer alles nur mit sich alleine verarbeiten. Ja, auch ich muss mir eingestehen, dass es auch mal schön ist, wenn man Spass zusammen mit anderen Menschen hat.


    Somit komme ich wieder zur Ausgangsfrage: WIE ?
    Wenn eine Bekanntschaft sich überraschenderweise irgendwann entwickelt, wohl meistens entstanden über ein gemeinsames Interesse, gelingt es mir nicht, diese freundschaftliche Beziehung längerfristig zu halten aus den o. g. Gründen.
    Ausserdem wird es mir dabei oft "zu eng", "zu nah", ich fühle mich erdrückt, wenn ich permenant ansprechbar sein muss für einen Freund/eine Freundin.


    Wie gelingt es, Bekanntschaften aufzubauen und vor allem diese dann zu halten?
    Ist es tatsächlich arrogant und zu viel verlangt von mir, Verständnis von anderen Menschen zu erwarten bezüglich meiner overloadbedingten Rückzugstendenzen?
    Bedeutet dies tatsächlich, dass ich - wie man mir immer wieder vorwirft - nicht gewillt bin mich richtig anzupassen, dass ich mich doch einfach nur besser anstrengen müsste.
    Ist das wirklich nur mein eigenes selbstgemachtes Problem aufgrund Egoismus?


    Fragende Grüsse
    Annette
    (AS)

    Eine Sackgasse muss nicht immer ein schlechtes Ende bedeuten.


    Wir haben Ähnliches erlebt mit unserem Sohn und ich kann die Verzweiflung der betroffenen Jugendlichen sowie Eltern sehr gut nachvollziehen. Man wird mit Perspektivelosigkeit und Zukunftsängsten konfrontiert, man kann das Scheitern des eigenen Kindes kaum noch etragen, insbesondere wenn sich kurzfristig Hoffnungsschimmer zeigen und dann eine erneute Krise zu Depressionen und Aggressionen führt.


    Massive Schulverweigerung ab 7. Klasse, daraus resultierende unzählige Lehrergespräche, Konferenzen, psychiatrische Behandlung, etc. bestimmten unseren Alltag, jedes Telefonläuten löste sofortiges Herzrasen aus. Er hat die Schule zwar beendet, allerdings entsprachen die Schulleistungen längst nicht mehr dem Niveau eines Sekundarschülers. Er war über eine Sondergenehmigung dennoch an der Schule belassen worden aufgrund der besonderen Umstände.
    Dem entsprechend schwierig gestaltete sich die Bewerbung um eine Ausbildungsstelle. Nachdem dann eine Firma zugesagt hatte, war es bereits nach einem halben Jahr auch wieder vorbei und er wurde gekündigt.


    Ich bin sehr dankbar, dass wir nun für ihn eine optimale Lösung gefunden haben. Ein Arrangement, das gezielt auf seine Bedürfnisse und Schwierigkeiten zugeschnitten ist, aber auch insbesondere auf seine Begabungen.
    Letzteres ist m.E. das Wichtigste überhaupt. Unser Sohn wäre daran kaputt gegangen, hätte man ihn nach der abgebrochenen Ausbildung in irgendeine allgemein übliche Fördermassnahme gesteckt. Das sind gute Alternativen, aber es entsprach überhaupt nicht den Neigungen und Begabungen unseres Sohnes. Er kann sich kaum auf andere Tätigkeiten einlassen, die ihn einfach nicht interessieren und eine solche Tätigkeit hätte dann wiederum wie in der Schule Depression und somatische Beschwerden, sprich Zusammenbrüche, nach sich gezogen. Das war aufgrund der langen Vorgeschichte absehbar, umso wichtiger war es für uns alle, eine für ihn passende Lösung zu finden.
    Wir alle - insbesondere die Menschen, die nun mit ihm zusammenarbeiten, die ihn unterstützen und so viel Mut und Geduld zeigen - sind zusammen einen unkonventionellen und steinigen Weg gegangen und gehen ihn nach wie vor, da wir noch am Anfang stehen, aber ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt diesen Einsatz zu zeigen.


    Mein Sohn hat einen Jobcoach, der von der IV erstmal bis Ausbildungsende genehmigt worden ist, also auch nach Lehrabbruch wurde er weiterbewilligt für die zweite Ausbildungsmassnahme. Dieses Coaching als berufliche Eingliederungsmassnahme ist ein ganz wichtiger Baustein und absolut notwendig.
    Das sind natürlich immer Einzelfallentscheidungen. Es benötigt sehr viel Aufklärung, Erklärung der Umstände, Zusammenarbeit.
    Aber es ist machbar.


    Eine Veränderung, auch wenn es im ersten Augenblick eine Katastrophe zu sein scheint, kann auch einen Schritt nach vorne bedeuten.
    Das ist und war immer mein Grundgedanke und hat mir Mut zum Weitermachen gegeben, mich nach vorne schauen lassen.

    Jugendalter - eine Herausforderung für den Jugendlichen selbst, aber auch für seine Umwelt


    Mein 17-jähriger Sohn (AS) durchlief unterschiedlichste Phasen seit Beginn der Pubertät. Einerseits hochexplosiv, aggressiv bis hin zu depressiv, zeitweise autoaggressiv und leider auch in den schlimmsten Zeiten suizidal, all dies begleitet von körperlicher Erschöpfbarkeit.


    Die Aggressionen richteten sich noch vor drei Jahren vorwiegend gegen die Umwelt. Er boykottierte alles und jeden, legte sich mit jedermann an, ob nun Lehrer, Mitschüler, Nachbarn oder fremde Leute, die sich von ihm aufgrund seiner Anwesenheit gestört gefühlt hatten. Dabei wurde er verbal ausfällig und beleidigend. Diese Aggressionen hatten allerdings immer einen Auslöser, so fühlte er sich beispielsweise provoziert, blossgestellt, ausgegrenzt. Er wurde in der Schule von Schülern und Lehrern gleichermassen gemobbt und hatte für sich keine andere Möglichkeit mehr als über diese aggressive Art mit dem hochgradigen Frust und der brodelnden Wut fertig zu werden.
    Seit ca. 2,5 Jahren ist diese Fremdaggressivität nur noch latent vorhanden - er geht nicht mehr nach draussen... Nur noch Pflichtwege sind akzeptabel für ihn, d.h. er lebt eigentlich nur noch in seiner Innenwelt.
    Aggressiv ist er unterschwellig noch immer. In Zeiten starker Anspannung, Stress, Frustration etc. bricht es nach wie vor aus ihm heraus, dann gegen die Familie gerichtet in Form von Beleidigungen, Herumschreien, Randalieren.


    Schulbesuch war in dieser Zeit (immerhin über 4 Schuljahre !) kaum noch möglich, er fehlte sehr häufig. War er dann zur Schule gegangen, war er wohl eher nur körperlich anwesend, als dass er viel vom Unterricht mitbekommen hätte. Die Lehre wurde abgebrochen nach einem halben Jahr, was jedoch nicht nur an ihm respektive an seiner aspergerbedingten Kommunikations- und Interaktionsproblematik sowie Handlungsblockaden lag. Nun scheint er sich mit den neuen beruflichen Massnahmen zu stabilisieren, denn diese entsprechen vollumfänglich seinem Spezialinteresse, im Gegensatz zum vorigen Ausbildungsberuf.


    Kontakt zu Gleichaltrigen hat er überhaupt keinen mehr. Den letzten Besuch eines Kollegen hatte er vor 2 Jahren und dies auch in sehr grossen zeitlichen Abständen. Nun chattet er immerhin via Internet immer bezogen auf sein Spezialinteresse, das ist die einzige Kommunikationsquelle, die ihm wohl derzeit möglich ist. Ob er persönliche Kontakte vermisst....? Die Antwort bleibt in seinem Innersten verschlossen.


    Wie auch Monica schreibt, so kann ich auch bei meinem Sohn von einer Verstärkung der autismusspezifischen Symptome/Verhaltensweisen berichten. Offensichtlich waren diese schon immer, manches hatte sich aber zwischendurch wesentlich verbessert und trat dann wieder ab Eintritt in die Pubertät verstärkt auf, wie beispielsweise Beharren auf starren Routinen, sehr eingeschränktes Essverhalten, Unflexibilität, Hyperfokussierung auf sein Spezialinteresse, ist für nichts anderes mehr zugänglich, etc.


    Die Jugendzeit ist turbulent, aber das war es doch eigentlich von Beginn an - chaotisch, anstrengend, aber dennoch - oder gerade deswegen - bereichernd und lehrreich. Mein Sohn hat neben all seinen Schwierigkeiten doch sehr viele positive Eigenschaften, er überzeugt mit seiner unverblümten Direktheit, seiner enormen Willensstärke und der starken Zielstrebigkeit, sein Spezialinteresse zu seinem Beruf machen zu können trotz all der Widrigkeiten, die ihm anfangs in die Quere gekommen sind. Er hat nicht aufgegeben und das ist eigentlich die herausragendste Eigenschaft, die seine Persönlichkeit ausmacht.


    Dennoch wünsche ich mir für meinen Sohn, aber auch für uns Eltern, dass das Leben allmählich etwas ruhiger und stabiler wird. 17 Jahre voller Power, mit wenigen Höhen, permanent gefolgt von lang andauerenden Tiefen, schlimmen Abstürzen, Gedanken an Perspektivenlosigkeit, immer wieder Enttäuschungen, aber auch neu aufkeimenden Hoffnungsschimmern, ein ewiges Hin und Her zwischen positivem Denken und erneutem Bangen. All das kostet enorm viel Kraft und Energie und es wird von Jahr zu Jahr schwieriger neben den eigenen - ebenfalls autismusbedingten Schwierigkeiten - diese Kräfte immer wieder neu mobilisieren zu müssen, wenn keine Möglichkeit zum Auftanken gegeben ist.


    Ich habe - von den gelegentlichen Ausrastern, die neben dem Autismus vorwiegend in der Pubertät begründet sind - ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Sohn. Er spricht nicht viel. Aber wenn er in Not ist, gelingt es ihm inzwischen mir davon zu erzählen. Für dieses grosse Vertrauen bin ich ihm sehr dankbar.

    Ich schliesse mich diesem Wunsch an, erweitere diesen aber noch etwas:


    Ich wünsche mir, dass autistische Kinder eine für sie geeignete Schule besuchen dürfen, ohne dass sie ständigem Unveständnis und Mobbing durch Schüler und Lehrer ausgesetzt sind. Ich wünsche mir eine höhere Bereitschaft der Schulen, sich über Autismus informieren zu wollen. Dass sie hinter dem autistischen Kind nicht ausschliesslich die negativen Eigenschaften sehen wollen, sondern vielmehr die positiven hervorholen und fördern wollen. Der Autist wird es dankbar annehmen und sich vielleicht sogar etwas mehr öffnen.


    Und dann wünsche ich mir für jugendliche Autisten, dass ihnen der Weg ins Berufsleben nicht so sehr schwer gemacht wird. Es passt nicht jeder Autist in eine bestehende Fördermassnahme. Hier wünsche ich mir, dass die Jugendlichen nicht erst an anderer Stelle scheitern müssen, damit von den Behörden erkannt wird, dass man in einem individuellen Fall einfach anders - nämlich individuell - entscheiden muss.


    AS-Mutter mit fast 17-jährigem AS-Sohn.