In den letzten Wochen wurde sehr viel über Integration in der Volksschule publiziert, vor allem aber negatives. Ich möchte mit meinem Beitrag aufzeigen, dass Integration für alle Beteiligen positiv sein kann und dass Menschen mit einer Behinderung einen Anspruch auf eine angemessene Schulbildung, mithin auch auf eine Integration haben.
Das Ziel dieses Beitrages ist es u.a. denen zu danken, die eine Integration durchführen und sich dafür einsetzen aber auch das Spannungsfeld Schule/Ressourcen/Möglichkeiten etwas differenzierter und losgelöst von einer möglicherweise unglücklichen Integration darzulegen.
Integration ist in seinen Inhalten komplex und verlangt von allen Beteiligten eine echte intensive Auseinandersetzung und ein tiefes Verständnis für dessen Umsetzung und Entwicklung. Das Volk und der Gesetzgebern haben ihren Teil dazu bereits beigetragen. So gewährleistet die Bundesverfassung (BV) in Art. 19 und 62 einen unentgeltlichen und ausreichenden Grundschulunterricht. Dieser Anspruch steht selbstverständlich auch Kindern mit Behinderung zu und gewährt als direkt durchsetzbarer Anspruch an Schulbildung. Das Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderung (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG), konkretisiert diesen verfassungsrechtlichen Anspruch in Art. 20 und fordert die Kantone auf, Kindern und Jugendlichen mit Behinderung eine Grundschulung anzubieten, die ihren besonderen Bedürfnissen angepasst ist.
Die Förderung von Schülerinnen und Schüler mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen und die sonderpädagogischen Angebote sind im Kanton Zürich auch gesetzlich auf den Grundsatz der Integration ausgerichtet. Eine integrative Gesellschaft oder Schule benötigt bestimmte Rahmenbedingungen und Ressourcen, um ihre Aufgabe wirklich erfüllen zu können. Die internen Strukturen müssen eine Integration ermöglichen. Eine Schule, deren Lehrpersonen sich vorwiegend als Einzelkämpfer verstehen, hat Schwierigkeiten als Team eine verlässliche Wirkung zu entfalten oder auf Veränderungen und besondere Herausforderungen, wie die Integration von behinderten Kindern zu reagieren.
Es ist daher eine zwingende Grundlage, dass eine solche Aufgabe geleitet wird, über interdisziplinäre Zusammenarbeitsstrukturen verfügt und dass an einer solchen Schule eine stufenübergreifende und eine integrative Schulkultur bei Behörden, Schulleitungen und Lehrpersonen besteht. Bestehen an einer Schule keine verbindlichen Zusammenarbeitsstrukturen innerhalb des Schulteams, wird eine Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit regelmässigem und verbindlichem Elterneinbezug schwierig. Wichtige Elemente für eine gute Integration sind ein regelmässiger Runder Tisch aller Beteiligten sowie ein ausgewiesenes Fachteam, welches die Integration begleitet. Den Schulpflegen, Schulleitern und Lehrpersonen, welche sich für solche integrativen Strukturen und damit auch für eine Integration einsetzen, sich nicht durch Partikularinteressen einzelner Eltern beirren lassen - die Mitschüler haben damit ja in der Regel kaum ein Problem – sei an dieser Stelle ein Lob und auch ein Dank auszusprechen. Ihr enormer Einsatz wird in der Regel von Aussenstehenden weder gesehen noch erkannt. Sie hören oft nur, welche Probleme mit einer Integration verbunden sein können. Einen Dank für ihren Einsatz erhalten sie oft nicht.
Viele Schulen gehen bereits heute den Weg einer inklusiven Schulpraxis im Kanton Zürich, auch wenn ein solcher Weg von allen Beteiligten einen grossen Einsatz und Verständnis verlangt. Ein solches Verständnis sollten auch Eltern von Mitschüler aufbringen, was voraussetzt, dass die Schulen entsprechend gut, klar und transparent kommunizieren. Im Einzelfall gilt es die Interessen des behinderten Menschen und jene der Schule, der Klasse und der Schüler abzuwägen und zu beurteilen. Die finanziellen und persönlichen Ressourcen einer Schule weisen durchaus auch Grenzen auf, d.h. nicht jede Integration ist ohne weiteres durchführbar. Entscheidet sich eine Schule für die Integration, stehen ihnen dafür diverse Ressourcen, die vom Kanton zur Verfügung gestellt werden, zu.
Eine Integration braucht aber einen enormen Einsatz aller Beteiligten, allen voran der Eltern und der direkt betroffenen Lehrperson. Wer sind die Gewinner einer gelungenen Integration? Wenn die Integration eines Schülers oder einer Schülerin in einer engen und transparenten Zusammenarbeit erfolgt und alle Beteiligten die Möglichkeit haben, sich angemessen einzubringen, dann ist eine solche Integration ein Gewinn für alle Beteiligten. Ein Gewinn für das integrierte Kind in einer Regelklasse, in welcher es sich entfalten kann, gefördert wird und anerkannt wird, ein Gewinn für die Mitschüler, welche lernen, Rücksicht auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu nehmen, sie lernen sich für einen anderen Menschen einzusetzen und diesen als Teil der Gesellschaft, der Klasse zu akzeptieren. Eine solche Integration ist auch ein Gewinn für die Lehrperson, die Schulleitung und für die gesamte Schule. Denn ein integriertes Kind muss nicht von der Gesellschaft, von der Schule, von der Klasse separiert und in eine (kostenintensive) Sonderschule geschickt werden, wo es (nur) von Kindern mit besonderen Bedürfnissen umgeben und daher ein ganz anderes Umfeld für eine individuelle Förderung vorliegt. Damit ist aber auch nicht gesagt, dass in jedem Fall eine Integration eines Kindes in eine Regelklasse die einzige und beste Lösung für das Kind ist.
Es sind Fälle denkbar, in welchen aus medizinischen Gründen, z.B. wenn zahlreiche Störungsbilder vorliegen, eine Integration nicht oder noch nicht möglich ist. Wenn aber der Grundsatz gilt, Integration vor Separation, dann muss eine Integration in jedem Fall mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen geprüft werden. Eine Separation muss aber sehr genau begründet werden, dazu besteht im Übrigen eine reichhaltige gerichtliche Praxis. Diese stellt vor allem sicher, dass sich Schulbehörden an die klaren gesetzlichen Bestimmungen halten, wenn sie die Rechte behinderter Menschen einschränken wollen, eine solche Massnahme muss verhältnismässig, nötig sein. Ein Ausschluss/eine Separation darf nur als Ultima Ratio angewendet werden. Kommen Fachstellen in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten zum Schluss, dass eine Integration in eine Regelkasse nicht angezeigt ist, ist eine Zuweisung in eine Sonderschule zu prüfen.
Die Vielfalt aller Menschen/Schüler im Alltag soll in der Gesellschaft als Bereicherung gesehen und verstanden werden und als Normalität wahr- und angenommen wird. Nur so findet Integration statt. Eine inklusive Gesellschaft/Schule ist eine Gesellschaft/Schule in Bewegung, die sich stets selber wahrnimmt, reflektiert und sich weiterentwickelt.