Spracherwerb wieder verloren

  • Guten Abend,


    Ich bin neu hier im Forum. Es würde mich interessieren ob jemand die Erfahrung gemacht hat dass das Kind einige Worte sprach, und dann wieder verlor. Ich habe einen 3 1/2 jährigen Enkel mit frühkindlichem Autismus. Mit 2 jährig sagte er Mama und Papa, Auto, abe, Gaga, bei. Jetzt mit über 3 j. spricht er kein Wort mehr. Es gibt Tage an denen er viel plaudert, und dann wieder Tage an denen kein Laut kommt. Wer kennt das?
    Auch mit der Imitation klappt es überhaupt nicht, obwohl er relativ viel Therapie bekommt. Seit einem Jahr macht er kaum Fortschritte, und das macht mich als Grossmutter sehr traurig.
    Vielen Dank wenn jemand seine Erfahrungen schreibt.


    Danke gute Nacht

  • Guten Morgen liebe Grosi,..



    Ich bin heute selbst 2 fache Großma und gleichzeitig AT = Autistin - Savants.

    Es gibt Zeiten in der man keine Kommunikation wünscht, möchte als AT und diese so begrenzt auf ein Minimum, der die AT nimmt sich dann enorm zurück. Manche hören auf zu sprechen, andere werden laut oder so gar aggressiv, verletzen sich selbst. Sehr überzogene Mimik oder Gestik überfordern den AT und ruft besondere Ängste hervor. Ich selbst kann es kaum in Worte fassen um es zu erklären.


    Der Rückzug ist der Schutzmantel in sich selbst zum eigenen " Ich " für den AT. Ein Nicht - AT- Kind sucht bei Gefahr den Schutz der Eltern oder einer anderen vertrauten Person. (Fluchtverhalten, Schutzverhalten) Es gibt viele Dinge die man lernen kann um sich einer Person mit AT zu nähern. Nur es braucht sehr viel Geduld, Kraft und Mut zu den Dingen.


    In der Begrüßung z.B. macht man dies ganz normal von Vorne wie es jeder kennt. Ich hatte als Kind riesige Angst, besonders dann wenn man mein Kinn berührte, meine Mutter mein Gesicht und sagte zu mir; - schaue die Person an und sage Guten Tag, danke wenn man etwas geschenkt bekam etc. Für mich waren diese einfachen Situationen die Hölle, nur noch schlimmer wenn man mich berührte oder ich diese Personen berühren sollte, musste (Begrüßungskuss) in der Familie, Freunden unter Verwandten.

    Ich kann z.B. heute immer noch nicht fremde Personen anschauen, in die Augen blicken. Meine Augen sind im Gespräch mit anderen Personen geschlossen oder ich schaue an diese Personen vorbei.


    In der ganz normalen Kommunikation geht das gar nicht. Man bezeichnet dies als unehrlich, falsches, respektloses Verhalten der Person sich gegenüber. Nur mir ist in der Kommunikation wie man es erwartet, nicht möglich, ich kann weder Reden, noch sprechen nichts. Erklären kann ich es leider auch nicht. Heute bin ich davon überzeugt, dass man auch nicht für alles eine Erklärung benötigt.


    Irgendwann sagte mein Bruder zu meinen Eltern das ist falsch was ihr macht, umarmt sie von hinten ganz kurz dann lässt sie es zu. Und sie schreit dann auch nicht stundenlang. Es gab viele Situationen in denen meine Brüder wusste wie sie mich zu nehmen hatten, meine Eltern waren schlicht hilflos, überfordert.

    Heute wenn meine Brüder es in der Familie zum Besten geben, vermute ich das es der druck von Außen war, persönliche Scham weil ich ganz anders war, in meinem Wesen, meinem Verhalten und doch zwang man mich zu sein wie meine Brüder.


    Als Kind liebte ich z. B. Bücher sehr, es war und ist meine Welt auch heute noch, ich lese sehr viel. Ich durfte in meiner Welt sein, wo keiner mich zu etwas zwang. Oder Musik, allerdings nur Klassisch andere Musik mag ich nicht.


    Jede / er AT hat eine Begabung, etwas das ER / Sie mag. Oft ist es ein Prozess in der Entwicklung dass man dies entdeckt oder findet. Habt keine Angst davor, dass dein Enkelkind anders ist als andere. Es ist ein besonderes Kind, sehr sensible und liebenswert und dein Enkelkind spürt deine Angst und so überträgst du unbewusst deine Ängste auf das Kind.


    Erklären kann ich es nicht, nur ich spüre es auch wenn andere Personen hilflos sind nicht wissen wie sie sich verhalten sollen zu mir,.. auch heute noch. Lg und viel Mut Lyn ;)

  • Es gibt Zeiten in der man keine Kommunikation wünscht, möchte als AT und diese so begrenzt auf ein Minimum, der die AT nimmt sich dann enorm zurück. Manche hören auf zu sprechen, andere werden laut oder so gar aggressiv, verletzen sich selbst.

    Hallo Lyn,


    Dein Beitrag beschreibt sehr gut die Wahrnehmung einer Person mit Autismus, vieles kann ich aus meiner Perspektive nachvollziehen. Ich haber das Asperger-Syndrom, bin kein Savant.


    Ich kenne genau die Momente, wo ich keine, absolut keine, Kommunikation wünsche und brauche. Diesen Rückzug brauche ich für die Erholung. Gerade letzte Woche hatte ich ein Erlebnis, wo mir jemand zu nahe gekommen ist, ich hatte es kaum ausgehalten. Es war eine ganz normale Situation, wir haben am Computer etwas im Internet gesucht. Aber diese Person hat ständig auf mich eingeredet, am Bildschirm etwas gezeigt, kam immer näher usw. In mir begann es zu brodeln, ich war angespannt und wurde immer aggressiver. Kurz bevor ich explodiert wäre schaffe ich es, das Notebook zu packen und zu sagen, dass ich jetzt im Büro alleine weitersuche und dann wieder komme. Früher tickte in solchen Momenten aus, und zwar so, dass die Menschen um mich herum unendlich erschrocken sind und weil sie mich so nicht kennen. Ich mich auch nicht. Der Überdruck in mir ist dann so gross, dass er raus muss. Mittlerweile habe ich gelernt, damit etwas besser umzugehen. Aber 1-2x im Jahr schaffe ich es nicht. Eben, entweder explodiere ich oder ich verletze mich selber.


    Es generell sehr anstrengend in dieser Welt weil man immer reden muss, das erschöpft total. Zur Erholung gehört für mich Schweigen und ganz alleine sein. Das tut richtig gut.


    Wegen den Berührungen:
    Hier ist es ganz wichtig, dass man mit der Zeit herausfindet, wie und wo das Kind es zulässt, berührt zu werden. Ich ertrage es z.B. überhaupt nicht, wenn ich an den Oberarmen berührt werde. Aber eine Rückenmassage kann ich zulassen.


    Viele Grüsse,
    HinterGlas

  • Guten Morgen Hinter Glas,..


    Der totale Rückzug ist die Auswirkung zur Reizüberflutung in unserem Hirn zu „ Uns „ selbst. Um es kompensieren zu können unser inneres
    Gleichgewicht wiederherzustellen, benutzen wir den kompletten Rückzug. Gesteht man das einem AT nicht zu, dann können wie die von
    dir sogenannten „ aus Ticker „ passieren, auftreten. Persönlich habe ich Erfahrung machen dürfen das diese Reagion nicht bei allen ATs gleich sind.


    Als Kind habe ich geschrien oft stundenlang bis zur totalen Erschöpfung, später als ich Älter wurde habe ich es gelernt mich auf andere Art
    zurückzuziehen. Ich habe nicht mehr gesprochen, ich wurde im wahrsten Sinne „Sprachlos“. Für mich war es nicht schön, ich wollte mich verständigen mit meinen Brüdern, nur es war mir schlicht nicht möglich.


    Diese unterschiedlichen Reaktionen, auch Handlungen wie du es beschreibst entsprechen wohl unserem Wesen, der Mentalität. Nur mit Bestimmtheit weiß ich es nicht, es ist mehr eine Vermutung zu den gemachten Erfahrungen in meinem Leben.


    Die Situation die du mit deinem Kollegen, Mitarbeiter beschrieben hast, solltest du abklären darüber mit der Person reden. Es ist wichtig für dich das man die Grenzen zu dir respektiert, auch in schwierigen Situationen. Gerade in deinem Beruf kann ich mir vorstellen ist dies besonders wichtig. Ich weiß das dazu viel Mut gehört, doch nur so kannst du dich auch nochmals abgrenzen und bekommst so ein besseres Verständnis zu dir, durch Kollegen, Mitarbeiter.

    Wünsche dir ein sonniges Wochenende, viele positive, helle Gedanken - Lyn ;)

  • Liebe Lyn
    Ganz herzlichen Dank für Deine mutmachenden Worte, und Deinen Einblick in Dein Leben. Ja ich dachte auch schon daran dass mein Enkel meine Hilflosigkeit spürt? Diese Hilfslosigkeit entsteht wenn er so gar nichts mitmachen will und einfach wegläuft um an Schalter und Spiegel zu klopfen.
    Mehr zu unserem kleinen Daniel. Vorweggenommen liebe ich ihn von Herzen, und ich habe eine gute Beziehung zu ihm. Er strahlt und lacht mich immer an wenn ich zu ihm komme. Er lacht überhaupt sehr viel, und weinen hört man ihn selten. Seine Sinnesorgane sind fast alle untersensibel. Er ist Hypoton und seine Feinmotorik ist auch eingeschränkt. Er kann noch nicht alleine essen, kann aber gehen und beginnt jetzt zu klettern.
    Vor einem Jahr (also mit ca gut 2 jährig ) hat er eine Zeit lang ade gewunken, hat mit dem Zeigefinger gezeigt, hat bravo geklatscht und mit ca. 3 Klötzen einen Turm gebaut. Alle diese Entwicklungsschritte sind spurlos verschwunden. Das macht mich verzweifelt.
    Er bekam intensive Spieltherapie, um die Interaktion anzuregen. Jetzt beginnen wir mit ABA, wobei ich auch ein Teil des Teams bin, ( aus finanziellen Gründen, weil ich freiwillig arbeite) Und das ist mein Problem, (ich möchte lieber nur Grosi sein). Ich glaube er spürt sobald etwas von ihm verlangt wird, dann verweigert er sich und läuft davon. Und er spürt auch meine innere Haltung dass ich ihn nicht zwingen möchte. Wenn man aber nichts mit ihm macht läuft er den ganzen Tag in der Wohnung herum und klopft an die Wände.
    Beim herum balgen hat er grossen Spass und wir versuchen dort anzusetzen wo er Spass hat. Auf Anrede reagiert er nicht oft, führt keine Anweisungen aus, z.B. Sitz ab
    Ich kann ihn schon akzeptieren und lieb haben so wie er ist, aber wir möchten nichts verpassen und ihm ermöglichen dass er sich in unserer realen Welt einigermassen zurecht finden kann ohne allzu grossen Stress.
    Danke dass ich mir das von der Seele reden konnte. Ich wünsche auch Dir alles alles Gute und täglich die nötige Kraft.
    Liebe Grüsse Grosi

  • Liebe Grosi,..


    Mir sind die einzelnen Therapie – Formen bekannt z.B. ABA = ist eine Verhaltenstherapie.


    Als ich Kind war, gab es diese Behandlungsformen in der Vielfalt leider noch nicht. Nur es beruhigt mich sehr zu wissen das es in der heutigen Zeit anders ist.


    Die Verhaltenstherapie möchte übermäßige Stereotypien abbauen und andererseits soziale und kommunikative Fähigkeiten aufbauen. Im Prinzip wird dabei so vorgegangen, dass erwünschtes Verhalten durchgängig und erkennbar belohnt wird. Verhaltenstherapien können entweder ganzheitlich oder auf einzelne Symptome gerichtet sein.


    Die Applied Behavior Analysis = ABA ist eine ganzheitlich ausgerichtete Therapieform, die auf die Frühförderung ausgerichtet. Zuerst wird festgestellt, welche Fähigkeiten und Funktionen das Kind bereits besitzt und welche nicht. Hierauf aufbauend werden spezielle Programme erstellt, die das Kind befähigen, die fehlenden Funktionen zu erlernen. Außerdem werden die Eltern mit in die Therapie einbezogen.


    (Ich gehe mal von aus das du diesen Part übernommen hast für die Eltern?)


    Das Verfahren der ABA basiert hauptsächlich auf den Methoden des operanten Konditionierens. Man motiviert die Betroffenen bei richtigem Verhalten und versucht das falsche Verhalten auszulöschen. Als Belohnung werden primäre Verstärker (z.B. Nahrungsmittel) und materielle Verstärker (z.B. Spielzeug) eingesetzt, um erwünschtes Verhalten zu belohnen.


    Ich kenne Daniel nicht, nur in Deutschland bietet man gleichzeitig zur ABA das Elterntraining mit an.


    Dies bedeutet folgendes;


    Dass Elterntraining versucht, den Stress, Angst der Eltern zu reduzieren, der durch die Krankheit ihres Kindes ausgelöst wird. Es wurde nachgewiesen, dass eine Stressreduktion zu deutlichen Verbesserungen im Verhalten autistischer Kinder führt, egal wie schwer die Störung ausgeprägt ist.


    Außerdem wird Logopädie / Sprachverbesserung, Atmung etc. und auch Physiotherapie zusätzlich angeboten. All dies im Wechsel in der Kombination finde ich gut. Natürlich ist dies alles für eine kleine Persönlichkeit wie „ Daniel“ sehr viel. Nur wenn er behutsam geführt wird kann er so vieles erlernen.


    Eine frühe Förderung ( Frühförderung) ist einfach sehr wichtig, doch fast gleich wichtig die stetige Wiederholung im Alltag. In dem Sinne kann ich dich schon verstehen dass du nur Grosi sein möchtest, da die Anforderungen auch an dich hoch sind. Und durch diese Anforderungen hat man dann eine Erwartungshaltung. An dem Punkt muss ich sagen dass dies nicht immer gegeben ist und man von Zeit zu Zeit Rückschläge hinnehmen
    muss, leider ist dies so.


    Daher auch nicht traurig sein wenn es mal derzeit nicht so gut läuft, wenn Daniel nicht den Anforderungen / zu den Vorgaben entspricht / erfüllt. Wichtig ist, das er sich in seinem sozialen Umfeld geborgen und aufgehoben fühlt und durch die Familie getragen wird. Durch sein Lachen bringt er dies zu dir, zu euch zum Ausdruck. Allein dieses Lachen, die Freude ist etwas sehr schönes. Lg Lyn ;)

  • Liebe Lyn,
    Ich danke Dir von Herzen für die Mut machenden Worte und die Aufmunterung zum dran bleiben. Diese Unterstützung und das Verständnis ist so wichtig und das würde ich für alle Eltern wünschen.
    Ich möchte noch betonen, dass auch die Eltern im ABA Programm eingebunden sind. Die Mutter setzt sich mit all ihrer Energie für den Kleinen ein, so dass ich manchmal fast um ihre Gesundheit bange. Sie vergisst sich eher selbst, und macht alles für den Kleinen.
    Deine Antwort hat mich auch darin bestärkt, dass wir mit den Therapien auf dem richtigen Weg sind. In der Familie ist er voll geborgen und er erhält auch die volle Akzeptanz.

    Nebst ABA erhält er auch noch Ergo- Physiotherapie und Logopädie. Ich mache mir schon manchmal Gedanken ob es ihm nicht zuviel wird, doch bis jetzt hat man den Eindruck dass es ihn nicht stört. Aus eigener Initiative hat er sowieso kaum Motivation, da läuft er einfach nur herum. Ich glaube fast dass ihm die Anreize von aussen willkommen sind.

    An einem Punkt studiere ich viel herum. Wie würde man eine geistige Behinderung erkennen? Denn wenn er unseren Anforderungen geistig nicht folgen könnte, dann wäre er doch heillos überfordert, und dann würde er sich noch mehr zurück ziehen? Das ist eine Gratwanderung, etwas zu fordern ohne zu überfordern.


    Vielen Dank für die Unterstützung und auch Dir alles Gute
    Liebe Grüsse
    Grosi

  • Hoi Sorgengrosi


    Bei meinem Sohn war die Entwicklung genau gleich. Ich habe mir dann Sorgen gemacht wegen des Kindergartens (wir wussten damals noch nicht was mit ihm los ist). Nach Abklärungen ging er also schon vor Kindergarteneintritt in die Logopädie.
    Es gefiel ihm immer zu diesen Stunden zu gehen und er machte auch kleine Fortschritte.


    Heute ist er in der zweiten Klasse und muss seit einem halben Jahr nicht mehr in die Logo. Sein letztes Problem die Aussprache des Buchstabens R hat sich gelöst und er spricht manchmal wie ein Wasserfall. Kaum zu stoppen dieses Kind.


    Ich denke ihr seid auf dem richtigen Weg.


    Alles Gute



    P.S.
    Mir kommt in den Sinn was bei uns am Anfang sehr gut geholfen hat war diese Zwergenzeichensprache. Damit konnte er sich mit uns verständigen. Schade habe ich das Buch nicht mehr, ich hätte es dir gerne zugesendet.
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