Assistent Hund: Jeder braucht doch seinen Anker!


Wir werden schon erwartet an diesem sommerlich-heissen Samstagmorgen. Sie sind zu dritt, wie wir auch: Manuela Arlati, Stellvertretende Leiterin Administration/PR der Stiftung, Peter Kaufmann, Verantwortlicher für die Autismusbegleithunde und Paras, ein zweijähriger, kohlrabenschwarzer Labrador Rüde, empfangen uns im ebenso zweckmässigen wie einladenden Eingangsbereich. Auf meine Frage, ob ich Paras begrüssen dürfe, antwortet Peter Kaufmann: "Selbstverständlich, Autismusbegleithunde sollen ja auch Brücken bauen!" Kann der Einstieg besser gelingen?


Wir starten unseren Rundgang mit einem Info-Film über die Stiftung, deren Ziele und die Arbeit, die hier geleistet wird. Im Zentrum stehen natürlich die Blindenführhunde, welche sehbehinderten Menschen ein grosses Mass an Autonomie im Alltag (wieder)geben und für so manchen zum unverzichtbaren Begleiter und Freund im Leben werden. Es werden aber auch Sozialhunde und Assistenzhunde ausgebildet – und eben Autismusbegleithunde. Wir erhalten viele interessante Informationen – wir erhalten aber auch einen ersten Eindruck von der Kultur und der Haltung, die in der Stiftung gelebt werden, und derer wir uns auf dem folgenden Rundgang immer wieder bewusst sein werden.


Der Spaziergang auf dem Gelände, immer in Begleitung von Paras, vermittelt uns einen ausgezeichneten Eindruck, jetzt live! Wir sehen Blindenführhunde bei der Ausbildung, sozusagen in action, besuchen Welpen und Junghunde (sich da los zu reissen ist alles andere als einfach) und können die äusserst gepflegte Anlage besichtigen. Alles ist aufgeräumt und sauber, und doch entsteht nie der Eindruck, dass hier Hund nicht auch Hund sein darf. Es wird nicht nur konzentriert gearbeitet, es gibt auch genügend Freiraum um zu spielen und sich mit Seinesgleichen (Hund und wohl auch Mensch) zu entspannen und zu vergnügen.




Besonders spannend und eindrücklich war für uns dann natürlich, Paras bei der Arbeit erleben zu dürfen. Kaufmann nimmt Paras kurz etwas zur Seite und legt ihm sein "Gschtältli" an – sozusagen Paras’ "Arbeitskleidung". Als wenn ein Kippschalter betätigt würde – Paras ist jetzt bei der Arbeit. Und das sieht man ihm sofort an. Die beiden kommen auf mich zu und ich stelle mich als Versuchsobjekt zur Verfügung, indem ich das Kind mime. Nun geht es auf den Spaziergang: Paras in der Mitte, Kaufmann (oder eben ein Elternteil) rechts mit der Leine und ich, das begleitete Kind, links, mit einem Gurt locker mit Paras verbunden. Sobald ich versuche, mich von Paras zu entfernen, bleibt der stehen und hindert mich so daran, mich z.B. von Trottoir auf die Strasse zu begeben. Oder wenn die Mutter z.B. in einem Laden etwas genauer anschauen möchte und sich kurz einige Schritte entfernt, dann bleibt Paras wo er ist und hindert das Kind daran, ziellos im Geschäft herumzulaufen. Paras wirkt also für das Kind wie ein Anker. Das Kind ist fest mit seinem Autismusbegleithund verbunden. Der Bewegungsradius ist kontrolliert, und das gibt Sicherheit. Für das Kind, aber auch für die Mutter oder den Vater. Und der Anker, der hält! Denn da liegen rund dreissig Kilo am Boden und lassen sich von dort nicht weg bewegen (ausser natürlich durch die Begleitperson). Davon konnte ich mich – als Erwachsener – eindrücklich überzeugen!


Im abschliessenden Gespräch mit Manuela Arlati und Peter Kaufmann, natürlich in Begleitung von Paras, konnten wir dann das Erlebte nochmals besprechen und noch mehr über die Stiftung und die Menschen und Tiere, die hier arbeiten, lernen. Zum Beispiel, dass die Hunde ihren Potenzialen und Talenten gemäss eben Blindenführhunde, Sozialhunde, Assistenzhunde oder Autismusbegleithunde würden. Wie wichtig es ist, dass Autismusbegleithunde zum Teil der Familie würden (Kaufmann spricht hier von Inklusion in die Familie!). Dass die Hunde nicht dressiert oder abgerichtet werden. Sondern dass sie Hörzeichen erlernen, die zu einer Handlung oder einem Verhalten führen, das für das Tier Sinn macht. Und dass die Tiere ihr Leben lang im Besitz der Stiftung bleiben, sie also nicht verkauft, sondern durch die Stiftung vergeben werden. Und dann, dass die Hunde vor Beginn ihrer Ausbildung rund ein Jahr in einem Haushalt ausserhalb der Stiftung verbringen, um sich an die Menschen zu gewöhnen und erste wichtige Erfahrungen "draussen in der Welt’ zu sammeln", die ihnen dann später bei der Arbeit zugute kommen werden.



Äusserst beeindruckt und um eine tolle Erfahrung reicher verabschieden wir uns von Manuela und Peter und von der Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde, die mit Professionalität ebenso wie mit sehr viel Herzblut und Engagement diese klugen Tiere in den Dienst des Menschen stellt. Und dabei nie vergessen lässt, wie wichtig eine gute Balance zwischen den Bedürfnissen der Hunde und der Menschen sowie der Respekt vor dem Tier sind.


Leider ist es mir nicht gelungen, Paras aus dem Gebäude zu schmuggeln. Der wäre auch für mich ein super Anker – bester Freund des Menschen eben.




Paras liegt "dem Kind" auf den Beinen – wie eine schwere, warme Decke – und gibt ihm Halt und Ruhe. Viele Kinder mit einer Autismusdiagnose schätzen diese Erfahrung der Nähe, die Sicherheit gibt. Spricht ein Kind auf diese Nähe an, dann kann es (oder die Begleitperson) seinen Autismusbegleithund mit einem erlernten Hörzeichen (Ponte) dazu auffordern.



Paten gesucht

Bevor ein Hund seine Ausbildung beginnt, verbringt er rund 1 1/2 Jahre in einer Gastfamilie. Diese betreut das Tier in einer wichtigen Phase seiner Entwicklung vom "Junghund" (quasi Teenager) zum "Erwachsenen". Die Familie wird hierbei durch die Stiftung unterstützt und angeleitet. Nach rund 1 1/2 Jahren heisst es dann Abschied nehmen! Der Hund kehrt zurück nach Allschwil und beginnt seine Ausbildung.
Wer sich für diese wichtige Aufgabe interessiert (ob Alleinstehend oder mit Familie, ob mit oder ohne Kinder, das spielt keine Rolle), meldet sich bitte unter http://www.blindenhundeschule.ch/hunde/patenhunde.html


Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde
Gründungsjahr 1972
Anzahl in Allschwil geborene Welpen 1972-2014: 1'866 Welpen
www.blindenhundeschule.ch