Vollintegration von Aspergern und hochfunktionalen Autisten in die Regelschulen

  • Liebe Forenteilnehmer


    Wir haben zwei Söhne (17 und 12 Jahre) mit hochfunktionalem Autismus. Die Diagnosen erhielten wir für die beiden erst vor 2,5 Jahren. Seitdem wir und sie wissen, was genau ihnen fehlt, geht es unseren Söhnen viel besser. Die vorherigen Diagnosen: ADHS und eine Sprachbehinderung (beim jüngeren eine sehr schwere Spracherwerbsstörung) erklärten ihre Probleme nicht ausreichend.


    Dank einem Versuchsprojekt im Kanton Bern wird unser jüngerer Sohn seit dem letzten Schuljahr integriert beschult. Seine Fortschritte, sowohl in der Schule und auch in seiner Psyche sind enorm! Er ist in diesem Jahr viel fröhlicher, kommunikativer und offener geworden. Wir hoffen sehr, dass dieses Projekt auch nach der Versuchsphase weitergeführt wird. Ein scheuer Austausch findet in einer Selbsthilfegruppe von Eltern statt, die auch Eltern von Aspergerkinder und teilweise auch mit ihren Kindern in diesem Versuchsprojekt sind. Erstaunt stellten wir fest, dass wir uns als Eltern von Kindern mit hochfunktionalen Autismus, momentan noch in der Minderheit befinden. Ein Hauptproblem unserer Kinder ist die Sprache. Vorallem der jüngere spricht keinen Dialekt (er spricht Hochdeutsch), das Sprachgefühl ist stark eingeschränkt, etc. Der Erwerb von Fremdsprachen (in der Mittelstufe Französisch, später Englisch) ist erschwert. Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Für Tipps zum Sprach- und Kommunikationsaufbau wären wir dankbar. Eine weitere Schwierigkeit unserer Söhne liegt im Arbeitstempo (respektive ihrer Selbststeuerung). Wie bringt man einen Autisten dazu sein Arbeitstempo (beim Schreiben, beim Lösen von Tests, Hausaufgaben) zu erhöhen?


    Für den Älteren haben wir ab der Oberstufe eine Privatschule gesucht, weil in der Regelschule der Leidensdruck für ihn (die von uns nicht erkannten autistischen Symtome nahmen zu) zu gross geworden ist. Von da an ging es ihm viel besser! Die Diagnose verhalf ihm, zuerst sich selbst besser wahrzunehmen und seine Eigenheiten zu verstehen und jetzt verhalf die Diagnose zu einer geschützten Lehrstelle im Informatikbereich im Raum Zürich. Er freut sich sehr darauf!


    Seit wir wissen, warum unsere Söhne sind wie sie sind, ist für uns vieles leichter geworden. Wir hoffen, dass autistischen Kinder heute zu einem viel früheren Zeitpunkt erfasst werden, als es bei uns der Fall war. Wir sind dankbar, dass sich viele Autismus-Organisationen um die Aufklärungsarbeit bei den Kinderärzten und den Therapiezentren kümmern, etc. Einer solchen Fachtagung, die ein Kinderpsychologe besucht hat, haben wir zu verdanken, dass die autistischem Symtome unseres Älteren aufgefallen sind. Ab da haben sich für unsere Familie viele Türen geöffnet. Ich wünsche uns allen viel Energie und viel Freude an und mit unseren Kindern.


    Herzliche Grüsse
    Monica

  • Auch bei unserem Sohn wurde erst Ende 2008 mit 16 Jahren die Diagnose Asperger gestellt. Von 2005/2006 war er ein Jahr in der Klinik Neuhaus und W. Felder, der Direktor, hat mir beim letzten Gespräch wortwörtlich gesagt, dass unser Sohn so sei wie er sei, weil ich (die Mutter) mich nicht ändern wolle. Auf meine Frage, was ich denn ändern solle, kam die Antwort, dass er es auch nicht wisse. Unsere ganze Familie ist von dieser Zeit im Neuhaus bis heute traumatisiert.


    Seit wir die Diagnose Asperger-Syndrom bekommen haben, geht es uns Eltern besser, weil wir endlich wissen, was unser Sohn hat. Im Nachhinein können wir verstehen, weshalb er so grosse Probleme in der Schule hatte. Unser Sohn jedoch kann seine Behinderung absolut nicht akzeptieren und macht uns den Vorwurf, dass wir ihn krank haben möchten. Das Leben mit ihm ist nach wie vor sehr schwierig.


    Den Horror, den wir mit der öffentlichen Schule erlebt haben, wünsche ich niemandem. Es fing im Kindergarten an und hörte auf, als er ins Neuhaus eintrat. Danach war er in einem Internat. Er war anscheinend der erste Schüler in dieser Schule mit Asperger. Trotz seiner Behinderung hat er es geschafft, dass er eine Lehrstelle und eine Freundin hat. Das ist für unseren Sohn nicht selbstverständlich.


    Seit unser Sohn wieder ganz zu Hause lebt, kommt einmal wöchentlich ein Psychiatrie-Spitex-Pfleger zu uns nach Hause. Dazu geht er noch zu einem Psychologen. Seit April 2010 weigert sich die Sumiswalder Krankenkasse, die Psychiatrie-Spitex zu bezahlen. Es ist das erste Mal, dass wir eine gute Lösung, d.h. Spitex und Psychologe, gefunden haben, die auch etwas bewirkt. Es ist frustrierend und stressig, weil wir seit Jahren am Kämpfen sind. Immer, wenn wir das Gefühl haben, dass es jetzt einigermassen läuft, kommt der nächste Hammer. Zum Glück haben wir uns in all den Jahren Nerven wie Drahtseile zugelegt.


    Freundliche Grüsse
    christa

  • Hallo Christa


    Die Abklärungsstelle/Fachstelle für Autismus im Kanton Bern existiert leider noch nicht lange! Meines Wissens wurde sie erst vor ca. 4 bis 5 Jahren gegründet. Momentan finden bei der Ärzteschaft im Kanton Bern viele Fachtagungen zum Thema Autismus, insbesondere Asperger statt. Langsam wird so dieses Krankheitsbild bekannter. Da das autistische Syndrom/Asperger jedoch soviele Facetten und verschiedene Gesichter wie Kinder hat, ist es schwierig die betroffenen Kinder hinauszufiltern! Viele Asperger unterscheiden sich kaum von den neurotypischen Kindern. Mir fällt auf, dass die Probleme vorallem in der Pubertät zunehmen, ein Asperger tut sich schwer mit dem Erkennen der sozialen Regeln, er/sie wird immer mehr zum Aussenseiter. Da das Verständnis für die besondere Art der Wahrnehmung fehlt, eskaliert die Situation! Solange man nicht erkennt, dass ein autistisches Syndrom hinter allem steckt, bringt auch ein Schulwechsel wenig.


    Unser Jugendlicher ist heute stolz darauf, ein Asperger zu sein! Ich hoffe, dass dies deinem Sohn mit der Zeit auch gelingt! Es ist wichtig den Fokus nicht nur auf die Defizite bei diesem Syndrom zu richten, sondern auch die Stärken wahrzunehmen. Ohne Autismus hätte er wahrscheinlich sein Spezialinteresse Geschichte und Politik nicht entwickeln können. Für seine grossen Fähigkeiten auf diesem Gebiet erntet er Anerkennung von seinen Mitschülern und seinen Lehrern, dies tut seinem Selbstbild und seiner Selbstsicherheit sehr gut.


    Im Raum Bern gibt es eine Jugend-Aspi-Gruppe, die sich ca. alle 2 Monate unter fachlicher Leitung trifft. Sie hätten die Möglichkeit auch dazwischen im privaten Rahmen miteinander in Kontakt (mittels e-Mail, Tel. etc.) zu treten, leider findet dieser Austausch momentan noch nicht statt. Wahrscheinlich müssen wir uns hier auf eine lange Übungszeit einstellen, bis sich die ersten Erfolge dieses Sozialtrainings einstellen. Untereinander sprechen die Jugendlichen momentan von ihren Vorlieben, dass sind vorallem die Themen: Gamen und Phantasiebücher (mehr Informationen habe ich nicht von meinem Sohn erhalten). Vielleicht wäre dies auch etwas für deinen Jugendlichen - vielleicht ist er in dieser Gruppe ja bereits dabei?


    Ich wünsche dir weiter viel Kraft und "Nerven wie Drahtseile".


    Liebe Grüsse Monica

  • Liebe Monica


    Danke für den Hinweis. Unser Sohn weigert sich strikte in dieser Gruppe mitzumachen. Schliesslich "wollen wir, dass er "krank" ist. Er macht in der LWB eine Ausbildung als Schreiner Praktiker nach INSOS. Auch das macht er uns zum Vorwurf, weil er ja eigentlich eine ganz normale Lehre in einem ganz normalen Betrieb machen wollte. Aber man hat ihn ja gezwungen.... Das ganze Programm! Dabei geht er sehr gerne in die LWB. Es stimmt mit dem Lehrmeister, es stimmt mit den anderen Lehrlingen, es stimmt mit der Schule. Er hat dort auch seine Freundin gefunden. Es hat dort noch einen anderen Asperger. Aber er will nichts mit ihm zu tun haben. Ich weiss allerdings nicht, ob er weiss, dass der andere auch ein Asperger ist.


    Ja, du hast recht, das Problem mit den sozialen Regeln ist gross, obwohl es bei unserem Sohn schon besser geht als auch schon. Ich glaube, dass das auch dem Spitex-Mann zu verdanken ist, der ihn immer wieder darauf hinweist. Von ihm akzeptiert er es besser als von uns.


    Herzliche Grüsse
    christa