Hallo zusammen,
mein Stiefsohn (19) ist Autist. Er hat mit 4 Jahren die Diagnose (High functioning Autism) bekommen und anschliessend etwa 10 Jahre lang eine 1:1 Betreuung mit TEACCH, ABA, PECS usw. Er ging in die Schule (immer mit Begleitung) später in eine Sonderschule. Er macht auch eine Gluten- und Milchfreie Diät. Die Therapien haben ihm geholfen autonomer zu werden, seine Umwelt besser zu verstehen und bestimmte schulische Kompetenzen zu erlangen. Er spricht sehr wenig und nur einzelne Wörter. Soweit man das beurteilen kann verfügt er glaube ich über eine gute Intelligenz, Logik und Gedächtnis, eine eher hoch entwickelte Motorik. Leider zeigt er kaum Initiative für sich selbst, er braucht viel Unterstützung im Tagesablauf. Alles in Allem ist er aber sehr gut im Leben integriert, macht Sport, kann ins Kino, geht auf Ausflüge, hat eine sehr hohe Akzeptanz in der Familie eigentlich gute Vorausssetzungen. Er wird 12 Stunden am Tag von einem Betreuer begleitet und wohnt bei seiner Mutter. Was uns für den Alltag sehr einschränkt ist folgendes problematisches Verhalten : er zerbricht, zerschlägt und wirft Glas und bring damit sich und andere in Gefahr.
Hat jemand Erfahrung damit? Hat vielleicht jemand eine Idee, was das in ihm auslöst und wie man dieses Verhalten durch ein weniger gefährliches ersetzten könnte?
Folgende Ansätze haben wir schon ausprobiert:
- Auslöser suchen
im Vorfeld, bei den Konsequenzen, in der Kommunikation : es ergibt sich kein eindeutiges Bild. Manchmal sucht er Aufmerksamkeit, manchmal ist es Kommunikation (es geht ihm nicht gut, Schmerzen, Wut), manchmal ist es Selbststimulation bei Langeweile, machmal Angst. Manchmal hat er sich die Gegenstände im Vorfeld ausgesucht, und er wartet auf die Gelegenheit sie zu zerschlagen, dann ist es geplant. Manchmal erfolgt es im Affekt. Oft ist es wie ein Zwang, ist die Idee erst mal da, muss der Gegenstand kaputt. Danach ist er entweder traurig oder geht einfach ruhig zum Tag über. Aber auch ignorieren, bestrafen, schimpfen, positives Feedback bei Perioden ohne zerbrochenes Glas haben die Frequenz nicht verändert. Was manchmal hilft ist Drohen, aber es verschiebt nur den Zeitpunkt und staut das Verhalten auf.
- Medikamente (er hat Abilify und Depakote) das fährt nur sein Aktivitätsniveau runter
- Verhaltenstherapeutische Ansätze mit Belohnung und Verträgen, Film als Belohnung hat nichts gebracht
- Umfeld stabilisieren, Tagesplan visuell festlegen, Rituale ist sicher gut aber hat das Problem nicht beseitigt. Wenn die Strukturen fehlen, hat das nicht zwingend negative Folgen
- Epileptische Anfälle behandeln (er bekommt Medikamente) hatte vielleicht eine Wirkung auf die Stärke des Verhaltens
- Glas in einem gesellschaftlich akzeptierten Rahmen zerschlagen (Recycling!) das verstärkt das Verhalten
- Umwelt anpassen: Geschirr aus Plastik, Bilder von den Wänden nehmen, alle Gegenstände aus seiner Umwelt entfernen, die irgendwie zerbrechen könnten. Das lenkt das Verhalten auf Fensterscheiben, Fernsehgeräte, Backofentüren, Lampen usw. um.
- Ein guter Ansatz wäre sicher seine Kommunikation zu Verbessern, PECS hat her schon, verbal stagniert er seit 10 Jahren trotz Förderung. Wir versuchen es weiter.
Zur Häufigkeit des Verhaltens und Dauer: wir haben mal mehr mal weniger so zwischen 1 im Monat bis 2 am Tag schwankt es. Im Moment ist er einigermassen stabil bei 2 pro Woche. Er hatte sein ganzes Leben lang immer Zwänge. Jetzt können wir darüber lachen, da nichts so mühsam war wie die Geschichte mit dem Glas. Fensterläden schliessen (auch bei den Nachbarn), Toiletten spülen (überall), unter Autos schauen (sehr gefährlich), Fäden aufrollen, Gardinen zerschneiden, Flaschen ausleeren, ich hätte noch viele. Es ist immer nach ca 1 Jahr wieder verschwunden. Dieser dauert jetzt schon seit etwa 7 Jahren. Dafür sind alle anderen weg.
Mit diesem gefährlichen Verhalten ist es sehr schwierig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, was sehr schade ist. Ich kann und möchte einen jungen Mann, der gerne nach draussen geht, gerne Zug fährt und gerne Sport macht doch nicht in einer Gummizelle einsperren nur weil er ab und zu gefährlich ist.
Wir wären froh über neue Inputs!