regeln für zuhause

  • Hallo zusammen


    unser sohn (91/2 ,asperger)hält sich in der schule relativ gut an die aufgestellten regeln.nur zuhause funktioniert das nicht.seit tagen schwirrt nun der gedanke an eine "hausordnung" in meinem kopf herum.wie läuft das bei euch?und wenn ihr eine hausordnung habt,was beinhaltet diese?
    freue mich über jede anregung!! :S
    wünsche einen ruhigen und tollen tag
    albe-zuhi

  • Hallo albe-zuhi


    Unser Sohn ist 18 Jahre alt und auch Asperger. Er macht eine Lehre und dort hält er sich anscheinend gut an die Regeln, die dort gelten. Aber zu Hause funktionieren alle Regeln nur wenn es ihm gerade passt. Es kann auch sein, dass es von einer Sekunde zur anderen ohne für uns ersichtlichen Grund nicht oder nicht mehr passt. Ich habe immer das Gefühl auf einem Vulkan zu leben. Eine Lösung für dieses Problem haben wir bis heute nicht gefunden, weil er so unberechenbar ist. Auch die Fachleute müssen akzeptieren lernen, dass es praktisch nicht so einfach ist wie in der Theorie. Das ist zwar ein schwacher Trost, aber immerhin!


    Gute Nerven und herzliche Grüsse
    Christa

  • hallo christa
    danke für deine antwort.deine beschreibung vom leben auf einem vulkan trifft genau unsere lebenssituation.über jede ruhige minute freuen wir uns inzwischen und darauf ,dass die ferien in 5 tagen vorbei sind.auch haben wir gelernt jeden schönen moment richtig zu geniessen und davon zu zehren in schwierigen zeiten.
    euch einen schönen tag und viel kraft
    beatrice- albe-zuhi

  • Hallo Albe-zuhi
    Wir haben das gleiche Problem ( Mädchen 11 1/2 AS). Schon vor Jahren haben wir ein Belohnungssystem eingeführt. Hierbei gibts fürs gewünschte Verhalten einen Punkt, fürs Nichtverhalten zwei Abzug. Bei einer im Voraus vereinbarten Punktzahl wird ein definierter Wunsch erfüllt. Da unsere Tochter Schleich-Pferde sammelt ist klar, was sie dafür erhält. Solange wir so fahren, erreichen wir fast alles. Sie weiss die aktuelle Punktzahl stets auswendig und rechnet und macht, dass es ja keinen Abzug gibt. Wenn aber doch, muss man wirklich standhaft bleiben...Nicht ganz einfach.
    Wir definieren, was wir genau wann wollen und beschränken es auf drei Dinge. Glaube mir drei Dinge, die einem wirklich wichtig sind, so durchzuziehen bringt im Alltag unglaublich viel. Ich mache mir immer wieder Gedanken darüber, ob es denn richtig ist "normales Verhalten" zu belohnen. Aber es ist wirklich das Einzige, mit dem wir Fortschritte erzielt haben. So nach 6 Mt. erklären wir dann das geübte Verhalten als vorausgesetzt, das heisst, es gibt keine Belohnung mehr, sehr wohl aber Abzug bei Nichteinhalten und gleichzeitig kommt was Neues ins Punktesystem.
    Wichtig ist, dass jede Änderung angekündigt wird und von genauen Erklärungen begleitet ist. Sie hat nämlich immer sehr gute Argumente warum es anders laufen soll. Weiter musst Du wirklich etwas finden, was Deinen Sohn interessiert, sonst ist er nicht motiviert genug. Bei uns ist es aber so, dass sie auch einfach um der Punkte willen mitmacht und untröstlich ist, wenn sie dann die Punkte bei Erhalt der Belohnung abgeben muss. Tja ich durchschaue das bis heute nicht..
    Vielleicht hilft das ein Wenig, ich freue mich auf ein Feeback und machs gut.
    Mirjam

  • Hallo Mirjam
    zuerst danke für deine anregung,das mit dem punkten haben wir etwa vor 2jahren versucht,aber es ist ihm egal.wir haben belohnungen in aussicht gestellt,die er liebt,nichts half.in der autismus-sprechstunde haben wir darüber gesprochen,aber schlussendlich sind wir nicht weiter gekommen.
    jetzt gerade haben wir eine gute zeit!!!!und geniessen es auch,aber vielleicht ist alles anders ,wenn er aus der schule kommt?????
    das mit dem durchschauen ist auch so eine sache:ich/wir blicken einfach nicht dahinter!!einses ist auf jeden fall klar:ohne simon wäre unser leben unvorstellbar langweillig!
    liebe grüsse und einen angehnem tag ohne allzu grosse aufregung wünscht dir
    beatrice

  • Hallo @alle,


    da ich selbst Aspie bin, möchte ich mich dazu äußern.


    Auch mir geht es wesentlich besser, wenn klare Strukturen vorhanden sind. Wenn ihr als Eltern davon sprecht, dass eure betroffenen Kinder zuhause das Verhalten eines Vulkans haben, dann muss man sich doch gerechterweise auch fragen dürfen, woran das liegt.


    Vielleicht ist das gesamte Umfeld zuhause eine Art Magmakammer, die unter Druck steht? Damit will ich sagen, dass meiner Erfahrung nach, die wenigsten Familien zuhause eine geordnete Struktur aufweisen und dass dies für einen Aspie einer Magmakammer gleichkommt. Daraus folgt, dass nicht der Aspie sich anpsssen muss (vielleicht auch gar nicht kann) , sondern dass die NT's eine geordnete und auch wirklich gelebte Struktur aufbauen und sich selbst daran halten - dann wird ein Aspie auch zu Hause jenen Halt finden, den er braucht.


    Ein Beispiel: Meine Frau fragt mich, ob ich etwas bestimmtes essen will oder nicht? Ja, wie soll ich denn auf eine "Oder-Nicht-Frage" vernünftig reagieren? Oder sie plant einen "Überraschung" - na prima, als wenn Überraschungen in eine Struktur passen würden.


    All das geht schon mal gut, aber der Level zu einem Overload steigt und dann kann es sein, dass schon eine Kleinigkeit ausreicht, um das Faß zum Überlaufen zu bringen.


    So konnte ich in meinem Leben feststellen, dass ein Verhalten, das für einen NT als ganz normal empfunden und daher entspannt erlebt wird, für einen Aspie durchaus sehr anstrengend sein kann. Dann rastet dieser Aspie aus und ihr sucht den Grund dafür in ihm (er wird z. B. als unberechenbar bezeichnet)? :?:


    Herzlichen Gruß
    Werner

  • Hallo Werner
    Dein Input trifft den Nagel auf den Kopf! Das stelle ich auch immer wieder bei unserer Tochter fest: Je strukturierter und vorhersehbarer eine Situation oder der Alltag ist, desto entspannter macht sie mit. Ich denke darum funktioniert auch das Punktesystem oft gut. Sie hat klare Vorgaben, klare Erwartungshaltung unsererseits und weiss so auch wo es hingeht.
    Aber das Leben läuft einfach nicht immer so klar. Da muss z. Bsp. nur jemand unverhofft vorbeikommen und schon gerät für sie alles aus den Fugen. Ich kann dann doch nicht einfach alle wieder schicken, nur damit die Struktur erhalten bleibt!? Was bräuchte es dann, damit beide zufrieden sind?
    Oder was ist mit Urlaub? Allein schon die neue Umgebung ist für sie Herausforderung genug. Für Ausflüge und Unternehmungen gibts dann keine Toleranz mehr. Zu Hause bleiben oder was?
    Ich kann Dir noch Vieles aufzählen, es sind alles Dinge, die die Struktur unterbrechen, das Resultat ist immer Verweigerung, Geschrei Rückzug. Und für mich ist das dann nur über logisches Nachdenken fassbar, weil bei mir selbst die Toleranzgrenze ja viel höher ist und vieles ohne bewusstes Planen einfach funktioniert. Und gerade in einem Familiengefüge gibt es so viel Unterschiedliches unter einen Hut zu bringen, dass es oft eine echte Herausforderung ist, auch dem kleinen Aspi gerecht zu werden.
    Ich hoffe, dass Du noch etwas mehr preisgibst aus Deiner eigenen Erfahrung. Es ist nun mal wirklich so, dass ich aus den Autobiographien von Aspis mehr gelernt habe, als aus allen Fachbüchern zum Thema. Und je mehr ich weiss, desto gelassener kann ich mit meiner Tochter umgehen, desto ruhiger wird auch sie laufen. Deine Erfahrungen können uns Eltern bestimmt helfen unseren Aspi's besser gerecht zu werden.
    Also ich freue mich von Dir wieder zu hören.
    Mirjam

  • Hallo zusammen


    Ja, das mit der Struktur ist so eine Sache. Wir haben soviel Struktur wie nur möglich und trotzdem leben wir auf dem Vulkan. Wir sitzen z.B. beim Nachtessen alles läuft gut, unser Sohn hält uns einen Vortrag über Gitarren oder Holz, irgend etwas, was ihn halt eben brennend interessiert und mein Mann, die Tochter oder ich müssen ihm nur eine Frage stellen, weil wir ja nicht soviel über sein Thema wissen wie er und schwupps fängt er an zu schreien und uns zu beschimpfen. Oder man muss nur irgend ein Stichwort liefern, von etwas, das ihn anscheinend nervt und schon wird er aggressiv und beschimpft und schreit uns an. Es ist nicht vorhersehbar, wann es losgeht. Manchmal muss ich nur husten und er schreit. Wehe man berührt ihn versehentlich. Am schlimmsten ist es, wenn er mich tätlich angreift. Ich habe da keine Chance. Mein Sohn ist 1m 80 gross und ziemlich stark. Ich selber bin eher klein. Wir haben eine Art Punktesystem fürs Begrüssen, fürs Jacke an die Garderobe hängen, die Tasche wegräumen, keine Gewalt, keine Beschimpfungen. Es ist ihm egal. Wir machen das schon längere Zeit. wenn er etwas "verliert" in seinem Puff im Zimmer, sind wir schuld und wir haben es ihm gestohlen etc. Wenn es ganz schlimm ist, müssen wir immer Angst haben, dass er uns die Wohnung demoliert. Als er jünger war, hat uns einmal jemand die Polizei auf den Hals gehetzt, weil er so geschrien hat. Zum Glück haben wir sehr tolerante Nachbarn.
    Und dann, von einer Sekunde zur anderen hört er auf mit seinem Geschrei und ist ganz umgänglich. Ich habe bis heute nicht begriffen, was da genau abgeht. In der Lehre geht es anscheinend gut. Aber wenn er am Abend nach Hause kommt, ist der "Pfupf dusse" und dann wird erst einmal geschrien und gepoltert. Aber nicht immer. Manchmal würde ich mir wünschen, dass ich in meinen Sohn "hinein sehen" könnte, um zu verstehen, wie er funktioniert. Ich komme manchmal wirklich an meine Grenzen.


    christa

  • Hallo


    Ja, das mit den Regeln zuhause ist so eine Sache. Es gibt die Regeln. Aber Lukas möchte seine eigenen Regeln durchsetzen, was vor allem morgens, wenn es darum geht pünktlich aus dem Haus zu sein, schwierig ist.


    Man weiss nie im Voraus, ob er gewillt ist, die Regel einzuhalten, oder ob er sich dagegen wehren wird.
    In der Schule verhält er sich auch angepasst und ist "brav". Nur zuhause nicht. Wenn ich ihn darauf anspreche, dass dies oder jedes in der Schule auch nicht geduldet werde, bekomme ich zur Antwort, dass er hier nicht in der Schule sei.


    Also was nutzen die Regeln und Strukturen daheim, wenn sich der Sohn nicht daran halten möchte? Belohnungssysteme bringen zuhause nichts (nur in der Schule), weil ihn die Belohnung zuwenig interessiert. Falls es doch etwas gibt, was ihn interessiert, dann kann dies plötzlich ändern, wenn er dann die Regel doch nicht einhalten will.


    Was tun???


    Für alles was ich mit Lukas vorhabe muss ich kämpfen um es angehen zu können. Auch wenn er selbst einen Tag im Voraus darauf eingegangen ist, dass wir am nächsten Tag z.B. Haare schneiden werden, dann ist es ein Kampf, bis ich am besagten Tag auch wirklich damit beginnen kann. Alles sehr anstrengend.


    Zum Glück gibt es auch die Phasen, an denen der Alltag etwas leichter ist und er sich eher auf etwas einlassen kann.


    LG Susanne

  • Liebe Christa
    Du sprichst mir aus dem Herzen! Bei uns zu Hause geht genauso hin und her. Mit der einzigen Unterschied, dass mein Sohn, 13, noch schwächer ist als ich, eher schwach, und so kann er nur Drohgebärde aufsetzten, wird aber nicht tätlich gefährlich. Die laute Schreie und die Agressionen empfinde ich aber auch als sehr belastend und komme auch immer wieder an meine Grenze.
    Bis jetzt dachte ich, dass dies die sogenannte "Maskierung" ist (siehe Toni Attwood, Ein ganzes Leben mit Asperger). Das heisst, das Kind muss sich den ganzen TAg sich anpassen, Regeln folgen, versuchen nicht aufzufallen(Dr. Jackyl) und dann, zu Hause, wo der Druck weg ist, explodiert (Mr Hide).
    Diese Erklärung hat mir Schuldgefühle weggenommen, denn ich fragte mich immer, was ich falsch mache. Ich habe auch überlegt, ein Kurs über GFK (gewaltfreie Kommunikation nach Marshall) zu besuchen...
    Silvia

  • Liebe Christa

    Aber wenn er am Abend nach Hause kommt, ist der "Pfupf dusse" und dann wird erst einmal geschrien und gepoltert. Aber nicht immer. Manchmal würde ich mir wünschen, dass ich in meinen Sohn "hinein sehen" könnte, um zu verstehen, wie er funktioniert.


    Es geht uns geanau so, der einzige unterschied ist, dass unser Junge erst 5 Jahre alt ist. Aber mir macht es manchmal Angst, wenn er grösser ist, und mehr Kraft hat.


    Seit er Risperdal erhält hat es an Intensität nachgelassen, aber Wutausbrüche hat er immer noch. Ich bin froh, dass wir nicht alleine sind 8)


    Liebs Grüessli Tabea