Nachteilsausgleich und Autismus-Spektrum: Grundsätzliches

  • Nachteilsausgleich bei Autismus-Spektrum-Störungen


    Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen haben besondere schulische Bedürfnisse im Vergleich zu Nichtbetroffenen. Damit sie optimal schulisch gefördert werden können, sollten sie wenn immer möglich in eine Regelklasse integriert werden. Wegen ihrer besonderen Bedürfnisse benötigen sie dabei aber mehr oder weniger individuelle Unterstützung (Begleitung, Assistenz). Auf diesen Aspekt soll in diesem Text nicht näher eingegangen werden.
    Hier geht es darum, zu erläutern, dass diese integrativ geschulten Autismus-Spektrum-Kinder und -Jugendlichen nicht nur während des Unterrichts besondere Bedürfnisse haben, sondern auch bei der Leistungsbewertung (Benotung).


    Die Leistungserhebung und -bewertung orientiert sich grundsätzlich an den fachlichen Anforderungen der Bildungspläne des jeweiligen Schultyps. Bei Kindern aus dem Autismus-Spektrum soll nicht a priori von diesen für alle gültigen Lernzielen abgewichen werden. Vielmehr sollen individuelle Bedingungen bei der Leistungserhebung und Leistungsbewertung im Sinne des Nachteilsausgleichs gewährt werden.


    Worin besteht nun im Bereich des Autismus-Spektrums der allfällige Nachteil, der bei der Leistungsbewertung ausgeglichen werden soll? Diese Frage kann nicht allgemein für alle in diesem Bereich Betroffenen beantwortet werden, und dies stellt einen ganz wesentlichen Unterschied zu anderen, mehr umschriebenen Beeinträchtigungen dar. Als Beispiele seien hier genannt: Beeinträchtigungen des Sehens oder des Hörens, Legasthenie, usw. Das heisst, für jedes Kind mit einer Autismus-Spektrum-Diagnose muss der Nachteilsausgleich individuell festgelegt werden.


    Grundsätzliches


    Dennoch ist es möglich, einige Aspekte aufzuzählen, die im Zusammenhang mit Leistungsbeurteilung auf praktisch alle Kinder aus dem Autismus-Spektrum zutreffen:


    1) Kinder aus dem Autismus-Spektrum haben keinen natürlichen Bezug zu den Bereichen Wettbewerb und Leistungsorientierung. So kommt es immer wieder vor, dass sie während einer Prüfung nicht "vorwärtsmachen" und nicht "Gas geben", sondern z.B. an einem Detail herum studieren. Bei Unsicherheiten lassen sie die Antwort lieber ganz wegfallen als eventuell etwas zu schreiben, was nicht ganz korrekt ist. Prüfungsblätter werden deshalb oft nur unvollständig abgegeben.
    Oft ist es auch so, dass wegen semantischer Verständnisprobleme Prüfungsfragen nicht richtig verstanden werden. Das betreffende Kind schreibt dann etwas völlig Falsches, was gar nicht gefragt wurde, oder eben es schreibt gar nichts.
    Angesichts dieser beschriebenen Schwierigkeiten sollte der Nachteilsausgleich darin bestehen, dass das betreffende Kind die Prüfung in einem separaten Raum mit einer Begleitperson absolvieren kann. Diese Begleitperson kann rein sprachlich-semantische Probleme lösen helfen und darauf achten, dass das Kind die Zeit nicht aus den Augen verliert. Bei Blockaden kann es ermuntert werden, weiterzumachen. Alle diese Massnahmen haben nichts damit zu tun, dass das Kind weniger leisten muss oder dass ihm inhaltlich geholfen wird.


    2) Andere Probleme können sich aus sensorischen Überempfindlichkeiten ergeben: optisch, akustisch, usw. Auch hier ist es sinnvoll, das Kind in einem anderen Raum arbeiten zu lassen oder den Arbeitsplatz speziell anzupassen/abzuschirmen.


    3) Bei vielen Kindern des Autismus-Spektrums kommt zudem eine ungünstige Kombination von Perfektionismus und motorischer Unzulänglichkeit zum Tragen. Dies wirkt sich natürlich bei schulischen Arbeiten, Hausaufgaben usw. im Allgemeinen negativ aus, ist aber insbesondere auch bei Prüfungen hinderlich. Hier kann die Gewährung von mehr Zeit sehr hilfreich sein, um Stress zu reduzieren.


    Spezielle Regelungen für die Abschlussprüfungen und Zeugnisse


    Für die Gestaltung von Abschlussprüfungen gelten die gleichen Prinzipien wie bei der Leistungserhebung und -bewertung im Unterricht. Die Massnahmen des Nachteilsausgleichs müssen jedoch für jedes Prüfungsfach zuvor von der Schulleitung genehmigt werden.
    Hierzu zwei Beispiele:
    •Zulassung von Begleitpersonen bei Abschlussprüfungen
    •Festlegung, in welcher Form „Mündliche Prüfungen“ abgenommen werden.


    In den Unterrichtsfächern, in denen behinderungsspezifische Nachteile aufgrund der Gegebenheiten des Faches nicht durch Maßnahmen im Sinne des Nachteilsausgleichs kompensiert werden können, sollte die Frage der Benotung im Einzelfall geprüft werden.


    In Zeugnissen dürfen die Massnahmen des Nachteilsausgleichs nicht aufgeführt werden!


    Der Nachteilsausgleich im Einzelnen


    Wie nun der Nachteilsausgleich individuell gestaltet werden kann, wird in einem nächsten Beitrag (von Edith Hörler) anhand einer ganzen Reihe von konkreten Beispielen genauer ausgeführt. So wie das Autismus-Spektrum eine grosse Vielfalt von Kindern umfasst, so müssen auch die Massnahmen des Nachteilsausgleichs dieser Vielfalt individuell gerecht werden.

  • Ein interessantes Bundesgerichtsurteil, das die Vorgehensweise der Aargauer Schulbehörde fundamental korrigiert hat.
    Präsentiert von der 'autismusgruppe winterthur':


    Dem Bundesgericht in Lausanne sei herzlichen Dank ausgesprochen !!!