Hallo
Ich bin Vater dreier mittlerweile erwachsener Kinder. Unsere ältere Tochter lebt noch bei uns, sie studiert an der hiesigen Uni. Mit meinem Sohn, er ist der älteste, habe ich seit der Diagnose keinen Kontakt mehr. Er schämt sich für seinen Vater, die jüngere Tochter hat sich auch sofort nach der Matura von Zuhause verabschiedet. Mit der älteren Tochter konnte ich es bis vor einiger Zeit eigentlich ganz gut. Durch gemeinsame Interessen, wie zum Beispiel klassische Musik oder Kunst hatten wir einen Draht zueinander. Ich muss anfügen, dass sie eine Aspergerin ist. Zumindest besteht der Verdacht, sie will sich nicht abklären lassen. Sie hat miterlebt, wie es mir mit der ASS-Abklärung und der darauffolgenden IV-Geschichte ergangen ist. Sie will nicht dasselbe Schicksal wie ich erleiden. Das kann ich verstehen. Doch nun seit geraumer Zeit entfernt auch sie sich von mir. Um es kurz zu formulieren: sie vertritt die Ansicht, dass ich durch meine Behinderung kein Gesprächspartner mehr sei. Das trifft mitten ins Herz und schmerzt unglaublich. Da ziehen sofort Selbstvorwürfe am Horizont auf. Was habe ich falsch gemacht?
Ich bin wie immer, denke ich. Durch ihr Studium hat sie sich von allen anderen Interessen entfernt, für sie gibt es nur noch das Studium. So stehe ich da und verstehe die Welt nicht mehr. Wie kann sich jemand derartig verändern? Das Problem ist, dass wir im selben Haushalt leben und ich durch meine Sensibilität ihre Gedanken spüren kann, die Abneigung ist omnipräsent, lebt sozusagen in jeder Wand. Da ich damit nicht umgehen kann, ich ziehe mich so weit wie möglich zurück. Am besten in mein Atelier, da bin ich ungestört, mir graut aber vor jeder Begegnung. Zum Glück gibt es Türen, die ich schliessen kann. Aber ein Zusammenleben ist das nicht mehr. Hat jemand ähnliche Erfahrungen mit Kindern, die erwachsen geworden sind und selber an ASS leidet, gemacht oder macht solche? Mir ist klar, dass aus Kindern Erwachsene werden, daran liegt es nicht. Ich kann auch anerkennen, dass sie dadurch andere Ansichten, Einstellungen etc. vertreten. Das ist der Lauf der Zeit und völlig in Ordnung.
Es ist auch nicht so, dass ich Dankbarkeit oder so erwarte, aber ist es zu viel verlangt, ein wenig Respekt als angebracht zu betrachten? Muss man sich von seinen eigenen Kindern ein solches Verhalten gefallen lassen? Da ich durch mein ASS nur sehr schwer in der Lage bin, in einer Konfrontation zeitgleich zu argumentieren, verhalte ich mich passiv, und dieses Verhalten wird als Schwäche ausgelegt. Um geeignete Antworten formulieren zu können, brauche ich viel Zeit, was logischerweise keine geeignete Position für mich ist. Vor der Aussenwelt kann ich flüchten, nicht aber vor der eigenen Familie.
Regenbogen