Erfahrungsbericht Operation, von einem Kind, mit einer Autismus Spektrum Störung Diagnose

  • Meine Operationserfahrung ist sehr ausführlich und vielleicht hilft dies anderen Eltern.


    Unser Sohn ist 6 Jahre alt und hat die Diagnose Autismus Spektrum Störung.
    Seine Mandeln waren über sehr lange Zeit stark vergrössert und somit blieb nichts anderes übrig, als eine Operation.
    Ich dachte, dass ich ihn gut vorbereitet hätte. Seine Rachenmandeln wurden im gleichen Spital und von der gleichen Ärztin entfernt. Damals war er 3.
    Er schaute sich Prospekte an, den Operationsverlauf, die Ärztin kannte er .... Bei der Narkosebesprechung erkannte auch niemand, dass es irgendwelche Schwierigkeiten geben könnte. Über das Essen, Trinken vor und nach der Operation war gut informiert. Ganz naiv fand ich, dass er gut vorbereitet sei. Die erste Operation lief ja gut, also weshalb sollte es jetzt schwierig werden.
    Am Operationsmorgen mussten wir ihn wecken. Schon das war schwierig, weil er normalerweise von alleine aufwacht. Sein Nutellabrot konnten wir ihm auch nicht geben. Sein Ablauf war gestört, obwohl er darüber informiert war. Der erste Meltdown war perfekt. Irgendwann konnten wir ihn ins Auto packen und es ging einigermassen.
    Im Spital war es anfangs ok. Sie sind nicht auf Kinder ausgerichtet und ich wollte mich sowieso die ganze Zeit um ihn kümmern, also würde es keine Rolle spielen. Tat es aber doch. Es fing an, dass er das OP Hemd nicht anziehen wollte. Er fand es unangenehm auf der Haut. Die Pflegenden waren wenig flexibel. Er muss es anziehen! Nach einigen Diskussionen konnten wir uns einigen, dass es wir es später anziehen, wenn er sein Beruhigungsmittel hat.
    Nächste Schwierigkeit- Dormicum- ein Medikament, welches vor der Operation verabreicht wurde, hat er ausgespuckt (es war sehr bitter) Die Pflegenden nervten sich wieder. Ich durfte es ihm als Zäpfchen verabreichen. Sie nannten es Zäpfchen, war aber eher ein Einlauf. Was unseren Sohn irritierte. Mit gutem erklären war das kein Problem.
    Bei ihm wirkte das Medikament nur leicht. Das Hemd wollte er weiterhin nicht anziehen und wir konnten uns darauf einigen, dass ich es aufs Bett lege.
    Eine ganz tolle Narkoseärztin kam und bat mich, dass ich doch am Anfang mitkommen soll. Auch hier verdrehte das Pflegepersonal nur die Augen. Sie hatten keine Ahnung, was diese Diagnose bedeutet.
    Nächstes Problem war, dass wir Lift fahren mussten. Unser Sohn hat massive Angst, richtig Panik im Lift. Durch das Dormicum ging das zum Glück.
    Ich durfte mich umziehen, für die Narkoseeinleitung. Diesen Teil erspare ich Euch.
    Sobald er schlief, ging ich zurück ins Zimmer und wir warteten.
    Leider lief die Operation nicht wie geplant und sobald er wach war, sollte er zur Überwachung ins Kinderspital, auf die Intensivstation.
    Wir mussten dann auf die Aufwachstation. Als er irgendwann aufwachte, waren seine ersten Worte "das ist nicht mein Zimmer" ... " Ich will in mein Zimmer" ... der Albtraum begann. Kein beruhigen, erklären nichts half. Diesen Ort kannte er nicht und das ist nicht sein Zimmer. Wir konnten nicht zurück, weil er verlegt werden sollte.
    Ich hatte ihn auch nicht über Infusionen erzählt. Auch diese störte ihn. Er versuchte aufzustehen und sich die Infusion herauszureissen. Er schrie, er biss, er klemmt. Er erhielt mehr Dormicum, aber es wurde nur schlimmer. Mit jedem Medikament nahm seine Wut zu. Als Eltern waren wir alleine. Vom Pflegepersonal erhielten wir nur komische Blicke, keine wirkliche Hilfe.
    Irgendwann war dann die Verlegung, welche etwas Ruhe brachte.
    Auf der Intensivstation musste sie seine Infusion entfernen, weil sie nicht mehr richtig lag. Ein Problem weniger. Es war ein Raum mit acht Kindern, Monitoren, vielen Geräuschen, Menschen ....
    Die Ärzte, Pflegenden waren toll.... Sie fragten mich, ob wir in einen anderen Raum möchten, welcher nur zwei Betten hat. Sie zeigten Verständnis und Empathie. Es war die Erfahrung, welche wir nach diesen vielen schlimmen Stunden benötigten.
    Unser Sohn riess sich die Kabel ab und sie liesen sie weg und schauten einfach so nach ihm. Keine Vorverurteilung und sie wussten was es bedeutet ein Asperger Kind, dass es nicht mit schlechter Erziehung zu tun hat.
    Im 8er Raum war es sehr laut, Notfälle usw. ... Ich war unglaublich dankbar für dieses Zimmer, dass das möglich war.
    Am anderen Morgen hätte er verlegt werden sollen, auf die normale Kinderabteilung. Ein weiterer Zimmerwechsel. Ich nahm ihn mit nach Hause, auf eigene Verantwortung. Es war gut so. Zu Hause konnte er sich besser erholen. In seiner Umgebung.
    Unser Sohn kann sich an diese schwierigen Stunden nicht erinnern, nicht einmal an die Verlegung, Sanitätsauto fahren .... Er erinnert sich erst wieder an den Abend, auf der Intensivstation. Darüber bin ich extrem froh.



    Mein Fazit: Egal wie grosse oder klein die Operation ist, es braucht nicht nur eine gute Vorbereitung, sondern sehr gut. Genauer Ablaufplan, ist eine Aufwachstation geplant, auch Infos darüber, über Infusionen, Medikamente, Spital, Kleidung.... Am Besten alles mit Bilder und Spitalbesuch. Ich würde nur noch in ein UniKinderspital gehen. Bei älteren Jugendlichen / Erwachsenen ein Unispital. Schon vorher würde ich einen Psychiater aufsuchen, welcher sich gut mit Medikamenten auskennt. Sollten Beruhigungsmedis benötigt werden, dann sollte diese Person erreichbar sein.
    Ich hoffe wir müssen nie mehr so etwas erleben und ich hoffe, dass ich mit diesem Erfahrungsbericht anderen Eltern etwas Helfe.

  • Liebe Sonne


    Einen Spitalaufenthalt können wir nie ausschiessen. Ein Kind mit Autismus ist in diesem Moment für jeden eine grosse Herausforderung. In den letzten Jahren sind in vielen Spitälern Fortbildungen über Autismus abgehalten worden. Ein Patient mit Autismus ist dem Spitalteam nicht mehr fremd, was aber unverändert schwierig ist, ist dass jeder Autist ANDERS ist. Somit stehen die Ärzte und das Pflegeteam bei jedem AutistenIn einer komplett neuen Situation gegenüber.


    Im Grossen und Ganzen haben wir mit den Spitälern, mit dem gesamten Pflegeteam nur gute Erfahrungen gemacht. Für unsere Söhne waren die Behandlungen schlimm, egal was es war, Röntgen, EEG, Blutabnahmen, Infusionen...
    Der Ältere erholte sich von den Strapazen rasch, er war bald wieder der Alte. Der Jüngere leider nicht, für ihn sind diese Erfahrungen bis heute prägend. Er hat grosse Angst vor dem nächsten Mal, vor der nächsten Operation. Und diese kommt bald, noch in diesem Frühling.


    Er weiss, dass er in den Frühlingsferien operiert werden muss. Die Eisen in den Beinen müssen entfernt werden, ob die Füsse noch einmal nachkorrigiert werden, bleibt offen. Seine Ärzte haben Bedenken, dass er sich erneut stark zurückzieht und in seiner Motorik durch seine Ängste wieder Rückschritte machen wird.


    Für uns Eltern braucht es mehr Vorbereitung. Während seiner Hospitalisation wird er rund um die Uhr von uns Eltern (abwechslungsweise) begleitet. Wir spielen mit ihm seine Lieblingsspiel, dass sind momentan die Magic-Karten. Wir gamen mit ihm... Dass er uns Eltern während dieser Zeit ausschliesslich für sich hat, darauf freut er sich.


    Wir stellen uns auf ein paar schwierige Wochen, hoffentlich nicht Monate ein. Unser Sohn wird auch zu Hause nach der Operation wahrscheinlich sehr dünnhäutig sein. Wir werden sehr behutsam sein müssen, ihn wieder an die Aussenwelt heranzuführen.
    Wir bereiten uns auf eine Zeit vor, die wir nicht planen können. Das einzige, was wir wissen ist, dass es viel Zeit braucht, bis unser Sohn sein erneutes Spitalerlebnis verarbeiten kann. Wir hoffen und wünschen, dass er es dieses Mal etwas rascher schafft und es ihm bald wieder gut gehen wird.


    Bei einem geplanten Eingriff bietet jedes Spital die Möglichkeit an, das Spital, die Abteilung und die Pflegenden zu besuchen. Wir haben dies gemacht. Ein weiterer Rat ist, sich mit dem Kind nicht zu grosse Ziele zu setzen und sich nicht zu viel vorzunehmen.


    Ich wünsche für geplante und ungeplante Spitalaufenthalte alles Gute.


    Liebe Grüsse, Monica

  • Hallo
    Mein Sohn (10, HFA) musste leider schon ein paar Mal operiert oder aus anderen Gründen im Spital behandelt werden. Er leidet seit Geburt an einem seltenen Gendefekt. Regelmäßige Spitalsufenthalte gehören da dazu.
    ich bin unglaublich dankbar, dass diese Behandlungen meistens gut verlaufen und für ihn nicht soooo stressig sind. Ich glaube, das ist so, weil er wirklich seit seiner frühesten Kindheit damit konfrontiert war.
    Geduld, Erklärungen, Verständnis braucht es aber auch bei ihm. Es ist eine Herausforderung... Ich fühle mich meistens gut betreut und spüre viel Empathie vom Personal. Was du beschreibst (Augen verdrehen, keine Kooperation) muss der Horror sein!!!

  • Hallo zusammen


    Oh ja, das Thema kennen wir leider auch genug. Unser Sohn, bald 15-jährig, muss leider auch oft in den Spital. Für ihn ist es immer sehr stressig und mit vielen Ängsten verbunden.
    Leider haben wir da nie eine Verbesserung erreicht. Ich als Mutter muss immer dabei sein. Er klammert sich enorm an mich, ich bin sein Sprachrohr. Er spricht praktisch nicht mit Ärzten und Krankenschwestern, statt dessen schaut er jeweils mich an, damit ich für ihn sprechen kann.
    So muss ich immer vehement dafür kämpfen, dass Blutabnahmen und dergleichen immer nur unter Lachgas erfolgen. Leider waren unsere Spitalaufenthalte nur in den wenigsten Fällen vorhersehbar und daher war Vorbereiten nur selten möglich. Und genau da liegt die Schwierigkeit. Bei einem unklaren Infekt kann ich ihm nicht sagen, was alles kommt. Das macht es ungemein schwieriger.


    Am besten ging es bisher, wenn zuständige Fachpersonen (z.B. vom KJPD) vorgängig im Spital angerufen haben, um auf die Besonderheiten des Kindes hinzuweisen


    Liebe Grüsse
    Patch

  • Danke, für diese vielen Antworten, Berichte, Erfahrungen!
    Was ich nicht wusste, dass die Spitäler vorher angeschaut werden können. In unserer Situation hätte das sehr viel entschärft. Ein weiterer Nachteil war, dass es nicht für Kinder ausgerichtet ist.
    Ich wünsche Euch allen viel Energie!!!