Wie sag ichs meinem Kind?

  • Hallo miteinander


    Unser Sohn (7) ist atypischer Autist und geht im Rahmen der integrativen Sonderschulung in die 1. Klasse in unserem Dorf. Von seinen Klassenkameraden, mit denen er seit dem Kindergarten zusammen ist, wird er sehr gut akzeptiert und integriert. Er selber scheint noch nicht zu merken, dass er etwas anders ist als seine Mitschüler. Jedenfalls ging er bisher auf keine meiner vorsichtig formulierten Fragen in diese Richtung ein.


    Autismus ist ein Wort, das bei uns zuhause öfters fällt, und der Familien- und Freundeskreis sowie einige Nachbarn, mit denen Adrian öfters Kontakt hat, sind über unsere spezielle Situation informiert. Die Eltern der Klassenkameraden wissen, dass unser Sohn Probleme im Wahrnehmungsbereich hat. Allerdings konnten wir uns bis jetzt nicht dazu überwinden, ihnen gegenüber die Diagnose zu sagen. Wir möchten lieber warten, bis wir - wenn es dann an der Zeit ist bzw. er selber auch merkt, dass er anders ist - mit unserem Sohn über alles gesprochen haben. Ich möchte nicht, dass er von anderen Kindern mit der Diagnose konfrontiert wird und dann sowieso nicht verstehen wird, was das bedeuten soll.


    Natürlich lassen wir ihn nicht allein mit seinen Gefühlen und Ängsten. Dass jeder Mensch anders ist, eigene Stärken und Schwächen hat, ist auch immer wieder ein Gesprächsthema. Anstatt mit dem Wort "Autismus" zu operieren, erklären wir einfach konkret, weshalb etwas schwieriger ist für ihn als für andere, z.B. weil er auch leise Geräusche laut wahrnimmt und sich deshalb schlecht auf sein Gegenüber konzentrieren kann. Wir machen ihn aber auch auf seine vielen Stärken aufmerksam.


    Mich interessiert es sehr, wie ihr damit umgeht. Wann haben eure Kinder von sich aus gemerkt, dass sie anders sind? Habt ihr mit den Geschwistern früher darüber gesprochen? Wie hat euer Kind reagiert, als es erfahren hat, dass sein Anderssein einen Namen hat? Wie handhabt ihr das Thema gegenüber den anderen Eltern in der Schule? Würdet ihr nochmals gleich entscheiden (also die anderen Eltern informieren oder nicht informieren)? Und warum?


    Ich danke euch allen, dass ihr eure Erfahrungen immer so offen teilt!
    Herzliche Grüsse
    Kiaora

  • Hallo Kiaora


    Bei unseren Kindern war immer klar, dass sie anders sind. Sobald wir endlich die richtige Diagnose kannten, haben wir die Umgebung unserer Kinder umgehend aufgeklärt, und dies bis heute nicht bereut.


    Der Ältere erhielt die Diagnose erst mit 13 Jahren, ihm wurde "Psycho", "Spinner" und andere Liebenswürdigkeiten nachgerufen. Unter dieser Situation hat er sehr gelitten. Die Klassenkameraden haben sehr rasch gemerkt, dass unser Sohn anders tickt - sie fühlten auch, dass mehr dahintersteckt als ein ADS. Unser Sohn stand diesen verbalen Attacken hilflos gegenüber, er konnte sich seine Art auch nicht erklären. Er empfand sein Andersartigkeit damals als Manko, als ein persönliches Versagen. Er zog sich von allen zurück. Die Klassenkameraden versuchten ihn mit ihren Sprüchen aus der Reserve zu locken, irgendeine Reaktion von ihm zu erzwingen. Später erfuhr ich von seinen Mitschülern, dass es sie sehr gestört hat, dass sich unser Sohn so stark zurückgezogen hatte, dass er völlig dicht gemacht hatte. Sie konnten sich sein Verhalten nicht erklären, sie fühlten sich brüskiert, beleidigt und von ihm abgelehnt. Eine Aufklärung in der Klasse hätte in dieser Situation wahrscheinlich Wunder gewirkt, da wir aber vom Autismus nichts wussten, konnten wir diese Hilfestellung weder unserem Sohn noch der Schule geben.


    Als unser Sohn seine Diagnose Asperger, später HFA erhielt, war er sehr stolz. Dass viele autistische Menschen spezielle Begabungen haben und damit zum Teil sogar sehr erfolgreich im Beruf stehen, war ihm damals schon bekannt. Er ist heute soweit, dass er seine Stärken gezielt einsetzen kann, in vielen Bereichen überflügelte er seine Klassenkameraden um Jahre. In seinen Spezialthemen: Geschichte und Politik kamen gegen Ende der obligatorischen Schulzeit auch die Lehrer nicht mehr immer mit. Nun hat er sich ein neues Spezialthema, die Informatik ausgesucht.
    Auch der jüngere Sohn ist stolz darauf Autist zu sein, zu dieser Einsicht hat ihm sicher sein älterer Bruder verholfen. Sie erleben ihre Art eher als eine Variante einer speziellen Begabung, als einer Behinderung. Da unsere Söhne stolz auf ihre Diagnosen sind, können sie selbstbewusst damit umgehen. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, dass sie von ihren Klassenkameraden nicht mit Anspielungen, dass sie behindert sind, geärgert werden. Die Klassenkameraden erleben sie eher als eine etwas andere Variante als sie selbst sind. Mit Vorteilen (durch Spezialinteressen grosses Allgemeinwissen, fantasiebegabte Bastler, gute Rechner, etc.) und Nachteilen (Sprachbehinderung, Schwierigkeiten im Fremdspracherwerb, hassen Mannschaftssportarten und den Turnunterricht, Menschenansammlungen, etc).


    Für meine Kinder hätte ich nicht wählen können, ob ich die Umgebung aufklären will oder nicht. Die Symptome sind zu stark ausgeprägt. Bei einem Kind, dass sich am Rande dieser Spektrums-Störung befindet, sind die Vor- und Nachteile abzuwägen. Die Vorteile liegen auf der Hand, die Rücksichtsnahme der Lehrer und Klassenkameraden erleichtern dem Asperger Kind den Schulstart, andererseits drücken sie dem Kind aber auch den Stempel "Besonders" auf!


    Bevor die Schule, Schulkameraden und deren Eltern informiert und aufgeklärt werden, finde ich es sehr wichtig, dass mit dem von der Autismus-Störung betroffene Kind, geredet wird. Im Rahmen seiner Möglichkeiten ist ihm zu erklären, was alles Autismus sein kann. Man kann ihm aufzeigen, was ihm im Vergleich zu den anderen Kindern schwerer fällt und warum das so ist. Ganz wichtig finde ich es, auf die Stärken des Kindes zu schauen und nicht nur die Defizite zu betonen. Das Ziel wäre eigentlich, dass es lernt seine spezielle Wahrnehmungsart zu akzeptieren, dass es seine Begabungen kennt und lernt mit seinen Schwächen umzugehen.


    Liebe Grüsse, Monica

  • Hallo Kiaora


    Zu Deinem Thema gibt es schon gute Beiträge unter der Sparte "Tipps und Tricks" unter Thema "Wie spreche ich mit meinem Kind und seiner Umgebung darüber dass es Autismus hat". In diesem Beitrag wird ein wunderbares Bilderbuch erwähnt (einfach anders) das ich mir besorgt habe und nicht mehr missen möchte.


    herzliche Grüsse bronti

    KENNTNIS IST KEINE BÜRDE, TOLERANZ KOSTET NICHTS; VIELFALT IST NICHT GEFÄHRLICH.

    Susanne Schäfer

  • Mein Sohn (Jg 2001) ist in der dritten Regelklasse (mit heilpädagogischer Unterstützung), gut in der Klasse integriert, aber mit zunehmendem Alter werden gewisse Unterschiede im sozialen/kommunikativen Bereich zu anderen Kindern immer deutlicher. Bisher haben wir mit ihm nie über seine Diagnose Asperger gesprochen. Auch die KlassenkameradInnen bzw. deren Eltern haben wir bewusst nicht informiert, um ihn nicht zu stigmatisieren. Nun scheint es mir aber an der Zeit, dass wir ihn (und vielleicht auch die KlassenkameradInnen?) über seine Besonderheiten informieren (ich nehme an, dass er sie selber auch bis zu einem gewissen Grad wahrnimmt). Ich tue mich damit sehr schwer und weiss nicht, wie wir es am besten anstellen sollen. Ich möchte ihn nicht verunsichern, ihn nicht als "Sonderfall" abstempeln. Was ratet ihr? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

  • Liebe Katharina


    Willkommen im Forum. Zur Frage, ob und wie die Diagnose Autismus kommuniziert werden soll, besteht in unserem Forum bereits ein Austausch. Deshalb habe ich mir erlaubt, Deinen Beitrag diesem Thema anzugliedern.


    Weitere Infos findest Du auch unter:


    Wie spreche ich mit meinem Kind und seiner direkten Umgebung darüber, dass es Autismus hat



    Herzliche Grüsse,


    Nicole