Dietmar Zöller - Ich möchte Fürsprecher für autistische Menschen sein, die sich nicht artikulieren können.

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    Jedes Mal, wenn ich höre, dass ein Autist gestorben ist, bin ich „fertig“, egal ob ich die Person kannte oder nicht. Dieser Tod geht mir so nahe, als wäre ein naher Verwandter gestorben. Was ich empfinde, ist ein unbeschreibliches Mitleid mit dem Verstorbenen und den Eltern. Der Verstorbene spürt ja nichts mehr, mein Mitleid bezieht sich auf die Leidenszeit vor dem Sterben. Ich kenne viele autistische Schicksale und weiß darum, wie viel Unrecht autistischen Menschen und ihren Angehörigen geschieht. Und das alles ist nicht böse gemeint, ist keine böse Absicht, sondern die Unkenntnis und das Unvermögen, diese sonderbaren Menschen zu verstehen. Ich bin überzeugt, dass jedes schwierige Verhalten der Autisten erklärbar wäre, wenn die Betroffenen sich äußern könnten. Ohne Grund wird kein Mensch aggressiv, ohne Grund verletzt niemand sich selbst oder andere.
    Ich möchte Fürsprecher für autistische Menschen sein, die sich nicht artikulieren können. Wie es sein muss, wenn das Leben zu Ende geht, ohne dass jemand wirklich gelebt hat, kann ich nachempfinden. Was geht in den Menschen vor, wenn sie nicht sprechen oder schreiben können? Angesichts des Todes müsste jedem einfallen, dass auch die schlechteste Methode der Kommunikation besser ist als keine Kommunikation. Ich möchte aus diesem Grunde an dieser Stelle noch einmal eine Lanze für die Gestützte Kommunikation brechen. Stoppt nicht etwas, was in Extremsituationen das Leben und Sterben menschlicher machen könnte! Ich fordere, ein Menschenrecht für alle Autisten einzulösen, nämlich kommunizieren zu dürfen, auch wenn nicht in jedem Fall bewiesen werden kann, dass keine Beeinflussung stattfindet.

    Zöller, Dietmar (Hrsg), (2006), Autismus und Alter, S. 161.