Umgang mit Belohnung und Tokens

  • Liebe Lynn und kilian02
    Ich möchte mich gerne mit einem Kommentar in Eure Diskussion einschalten.
    Ich finde den Einsatz von sogenannten Tokens bei Kindern aus dem Autismus-Spektrum (sowie auch ADHS) aus mehreren Gründen sinnvoll.


    Einerseits handelt es sich bei Tokens nicht nur oder nicht in erster Linie um eine Belohnung. Es handelt sich vor allem um ein unmittelbares, sichtbares, Feedback. Dies ist ein grosser Unterschied zu einem einfachen Lob, das mündlich daherkommt und in der Wahrnehmung des Kindes sehr flüchtig ist. Den Token sieht man unmittelbar, und dann auch noch den ganzen Tag. Deshalb spricht man übrigens auch nicht so sehr von Belohnung sondern von Verstärkern.
    Ein weiteres wichtiges Argument für den Einsatz von Verstärkern ist, dass man damit nicht an die Einsicht des Kindes appellliert, und das ist eine Entlastung. Denn dem Kind aus dem Autismus-Spektrum fehlt es ja an der Einsicht in soziale Zusammenhänge, es merkt zwar, dass wir seine Handlungen oft missbilligen, aber es versteht nicht wirklich, warum.
    Und ein drittes Argument für den Einsatz von Verstärkern ist, dass man damit konsequent auf das Positive fokussiert und nicht auf das Störende. Letzteres kann man dann besser ignorieren.
    Liebe Grüsse, Dr.med. Thomas Girsberger.

  • Lieber Herr Girsberger


    Danke für Ihre wertvollen Hinweise. Letzthin hatte ich eine Diskussion mit einer Psychologin betreffend Vorgehen bei negativem Verhalten. Sie war der Ansicht, dass bei unerwünschtem Verhalten ein Token wieder weggenommen werden soll ("was ja auch schon rein bildhaft schmerzt"). Demgegenüber bin ich der Meinung, was verdient ist, ist verdient. Besser finde ich, es muss bei negativem Verhalten ein zusätzlicher Token verdient werden (was ja im Endeffekt aufs Gleiche herauskommt).


    Was meinen Sie dazu? Merci für ein kurzes Feedback.


    PS: Wenn uns gar nichts mehr anderes in den Sinn komm (v.a. keine sog. logische Konsequenz), verhängen wir ein Fernsehverbot (nur bei schlimmen Vergehen wie Davonlaufen oder jemandem ins Gesicht spuken).
    Aber eigentlich finde ich diese Massnahme nicht so gut; unser Sohn hat mir heute gesagt, er fände es gemein, dass wir als Eltern Strafen verhängen, die derart lange dauern und so schlimm seien (morgen ist Fernsehverbot), er aber nur einen kurzen, viel weniger schlimmen Blödsinn gemacht habe. Es half bedingt, dass ich ihm erklärte, sein Blödsinn sei für anderes so schlimm, wie für ihn das Fernsehverbot. Aber immerhin, es hilft, entsprechende "Vergehen" werden nicht mehr, mindesten deutlich weniger begangen.


    Wäre es Ihrer Ansicht nach sinnvoller, z.B. zwei Token mehr bis zum "Ziel" verdienen zu müssen?


    LG, Lynn

  • Liebe Lynn (ist diese Anrede o.k.? ich bin da noch etwas unsicher)
    Gerne antworte ich auf Ihre Fragen.
    Vorausschicken möchte ich, dass es beim Umgang mit Tokens einen Unterschied gibt zwischen neurotypischen Kindern und Kindern aus dem Autismus-Spektrum. Die meisten Fachleute raten v.a. bei letzteren davon ab, Tokens wegzunehmen. Dies deshalb, weil diese Kinder ja sowieso zu Perfektionismus tendieren und aus einer Mücke einen Elefanten machen können. Der weggenommene Token rückt dann völlig ins Zentrum und erhält ein viel zu grosses Gewicht. Die Wirkung der Massnahme ist somit kontraproduktiv. Ich bin also völlig einverstanden: verdient ist verdient.
    Wenn man eine negative Konsequenz für unumgänglich hält, dann soll diese vom Token-System abgekoppelt sein. Und folgendes ist sehr wichtig zu wissen: die "Härte" einer Strafe/Konsequenz ist viel weniger wichtig, als man landläufig glaubt. Man könnte also entweder ein eher kurzes Fernsehverbot verhängen, oder man könnte Striche machen, und bei drei Strichen gibt es ein Verbot. So hat das Kind auch die Möglichkeit, sich positiv zu verhalten, bis die Striche "verfallen".
    Liebe Grüsse, Th.G.

  • Hallo


    Spannende Geschichte mit der Belohnung für gutes Verhalten.


    Ich habe lange auch so gearbeitet bin mittlerweile aber nicht mehr so überzeugt davon.
    Wir haben schon bevor wir die Diagnose Asperger erhielten mit Punktesystemen (Triple-P) gearbeitet. Unser Neuro-typischer (nicht ganz sicher) zweitgeborener Sohn ist mit 4.Jahren für längere Zeit immer wieder im Spital gewesen. Auch bei ihm wurde stark in dieser Zeit vom Spitalpersonal mit Belohnung gearbeitet. Nun hat sich das ganze jedoch so eingebrannt das wir alles andere als glücklich sind. Unsere zwei Jungs drehen nun den Spiess um und glauben nun für alles eine Gegenleistung zu erhalten. Manchmal wird Mitarbeit verweigert wenn keine Gegenleistung winkt.Haben wir da was falsch gemacht?


    Zudem frage ich mich des öfteren ob wir unseren Kindern nicht ein falsches Werte-System beibringen? In der Welt bekommt man auch nicht immer Belohnungen.


    Kennt Jemand solche Verhalten von den eigenen Kindern auch?
    Oder was könnte man besser machen?


    Grüsse bronti

    KENNTNIS IST KEINE BÜRDE, TOLERANZ KOSTET NICHTS; VIELFALT IST NICHT GEFÄHRLICH.

    Susanne Schäfer

  • Lieber Th.G. (nehme an, eine 'korrekte' Anrede entspricht der Unterschrift, weiss es aber auch nicht genau)


    Herzlichen Dank für die aufschlussreiche Antwort; es erklärt mir, weshalb man Geschwister (ASS und NT) nicht gleich behandeln kann. Seit zwei Tagen habe ich folgende Massnahme "verhängt": Beide Kinder bekommen je drei Murmeln. Bei schlechtem Benehmen, müssen sie eine Kugel abgeben, und wenn sie keine mehr haben, wird erst die Fernseh-Verbots-Sanktion verhängt. Neuer Tag, neues Glück: Beide Kinder haben wieder je drei Kugeln.


    Während ASS ab und an ermahnt wird, eine Murmel abgeben zu müssen, wenn er nicht aufhört, muss sich NT mit einer "Erinnerung" begnügen. Das funktioniert (mach' das jetzt erst seit zwei Tagen so) gar nicht mal schlecht.


    Liebe Grüsse, Lynn

  • Hallo Bronti



    Belohhnungen heissen bei ABA Verstärkungen, dh man will damit ja positives Verhalten verstärken. Wir bauen die Belohungen immer mehr ab, dh etwas was sie begriffen hat, wird immer weniger belohnt, dafür neuen Sachen werden eingeführt, die belohnt/verstärkt werden können. S hatten wir bisher keinen nenneswerten Fall, dass sie etwas nur machen wollte, wenn sie belohnt würde.



    LG


    Vater

  • Hallo zusammen


    ja das mit dem Belohnen funktioniert bei uns mitlerweile recht gut ich habe schon verschiedenes ausprobiert am besten funktioniert bei uns ein grosses farbiges Blatt mit dem Namen des Kindes darauf und 3 grosse Kreise darauf jedes mal wenn ein Kind die Abmachung die wir vorher zusammen aufgeschrieben und besprochen haben für den jeweiligen Zeitraum einhalten kann wir es verbal belohnt mit einem direkten grossen Lob und in die Arme nehmen ....dann haben wir es ausgeweitet je nachdem wo unser kind gerade stand durfte es sich zum Beispiel ein Kleber oder eine Sonne in den Kreis malen....sobald ein kreis voll ist durfte es eines von den 3 Belohnungssachen am selben Tag einlösen jeweils 15 min Geschichte vorlesen oder barbie spielen oder ein Spiel machen nur mit dem kind alleine


    wir haben aber auch schon die ganze Familie mitgemacht und vorher abgemacht was machen wir zusammen wenn wir 20 Striche bekommen haben erstellen eine Liste wer macht was und den jeweiligen Namen dazu und kleben es gut sichtbar für alle auf den Kühlschrank was für eine Motivation jemand brachte jeweils für eine Woche den Kehrricht raus jemand deckte den Tisch usw ja zur Belohnung ging die ganze Familie am Sonntagmorgen ins Hallenbad oder in den Zoo oder in den Wald Würste braten usw


    auch schon habe ich mit meinem Mann zusammen farbige Zettel geschrieben so als Billette mit Belohnungen darauf ähnlich wie oben und sobald ein Kind von uns etwas abgemachtes sehr toll gemacht hat oder sich grosse Mühe gegeben hat durfte es ein Billett einlösen im laufe des Tages


    ja und machmal nützt halt alles nichts und es gibt sehr anstrengende Tage wo man an seine Grenzen stöhst und hofft das es bald Abend wird und man ein wenig Zeit für sich hat um aufzutanken vorallem dann wenn mich mein lieber Mann unterstützt wo er nur kann was ich ganz toll finde also ich wünsche euch allen viel Spass und viel Erfolg beim ausprobieren Mami Filzlaus :)

  • Liebe zum Thema Belohnung Schreibende


    Das Thema ist für mich sehr spannend. Ich habe es eigentlich für mich und meine Familie schon verworfen, da wir liebe Bronti, wohl ähnliche Erfahrung mit Belohnungen gemacht haben. Unsere drei Jungs (9 J, Asperger/7+5 J, NT), haben es immer wieder perfekt verstanden, unser gut gemeintes Ansinnen erst zu nutzen, dann auszunutzen und schliesslich ins Leere laufen zu lassen.


    Trotzdem komme ich an Tagen wie dem heutigen nicht vom Thema los, dann nämlich, wenn mich der Älteste seit Tagen noch vor meinem ersten Kaffee am Morgen (meiner persönlichen, kritischen Grenze ;) ...!) um 06.00 h mit seiner "Geräuschkulisse" eindeckt. Dabei versuche ich ihm diese eigentlich nicht zu verbieten, da er sie zu seiner persönlichen Beruhigung braucht, aber ich versuche eben erfolglos, ihn mit seinen Geräuschen dazu zu bringen, für die Dauer meines ersten Kaffees in einen anderen Raum zu gehen. Wenn dann noch die Kleineren anfangen zu schreien, weil sie die Geräusche ebenfalls nicht aushalten und ich meinen ersten Kaffee immer noch nicht mal gemacht habe, na dann studiere ich tatsächlich wieder an Anreizsystemen herum.


    Ich werde also weiterhin Eure Beiträge zum Thema lesen, danke Euch auch schon dafür und werde mich wieder melden, falls ich etwas davon erfolgreich für alle Beteiligten umsetzen konnte.


    Mit herzlichen Grüssen, Monika

  • Hallo Monika


    Danke für Deinen Beitrag!
    Ich dachte schon ich sei wohl ganz alleine mit meinen Erfahrungen zum Belohnungssystem. Tut gut um Euch zu wissen auch wenn es im Moment nicht weiter hilft.


    herzliche Grüsse
    bronti

    KENNTNIS IST KEINE BÜRDE, TOLERANZ KOSTET NICHTS; VIELFALT IST NICHT GEFÄHRLICH.

    Susanne Schäfer